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Der Dicke betrachtete nun leicht besorgt die Menge. Bina und Brigella schienen ebenfalls beunruhigt zu sein.

Ich konzentrierte mich wieder auf das Geschehen auf der Bühne.

Die schöne Kurtisane wandte das Gesicht ab und täuschte Gleichgültigkeit vor, was die Werbung des lächerlichen Vaters und des Pedanten anging. Lecchio und Chino, zwei Diener, waren ebenfalls anwesend. Chino, für gewöhnlich der Diener des Vaters oder des Kaufmanns, ist geschmeidig und durchtrieben; er trägt eine schwarze Halbmaske mit geschlitzten Augenlöchern sowie eine mit rotgelbem Rautenmuster versehene Trikothose und ein Oberteil. Lecchio, der Diener des Pedanten ist klein und fett, ein hilfloses Opfer von Chinos Streichen, das aber auch genausooft bei ihnen mitmacht. Er trägt eine braune Tunika mit einer Kapuze, die er sich manchmal über den Kopf zieht, um seine Verlegenheit zu verbergen.

Auf der Bühne nahm die Farce ihren Lauf. Die Handlung geht wie folgt: Der lächerliche Vater und der Pedant führen ihre Werbung fort. Chino und Lecchio hecken etwas aus. Chino versetzt dem lächerlichen Vater einen Tritt, sieht dann fort und studiert angestrengt die Wolken am Himmel. Kurz darauf tritt Lecchio den Pedanten. Das wiederholt sich einige Male. Bald streiten sich Vater und Pedant wütend, da beide ihren Nebenbuhler für den Angreifer halten. Es scheint, als werde es zum Kampf kommen. Chino und Lecchio weisen ihre Herren darauf hin, daß bei dem Kampf ihre kostbaren Gewänder beschmutzt werden und ihre Geldbörsen verlorengehen könnten. Der Vater und der Pedant geben Gewänder und Geldbeutel ihren Dienern und beginnen einander zu beschimpfen und an den Bärten zu ziehen. Die Diener schlüpfen natürlich auf der Stelle in die Gewänder und stolzieren vor der schönen Kurtisane auf und ab, wobei sie die Geldbeutel an ihren Verschlußbändern umherwirbeln. Die Kurtisane hält die beiden für reiche Freier und geht mit ihnen davon. Der Vater und der Pedant, die ohne Gewänder und Geldbeutel dastehen, entdecken bald darauf den Trick. Mit einem Aufschrei nehmen sie die Verfolgung der Diener auf.

»Bitte bring mich zum Lustgestell, Herr«, bettelte das Mädchen.

»Gleich«, sagte ich.

Die nächste Vorstellung, die sofort im Anschluß folgte, war eine Farce, bei der es um einen Liebestrank ging. Hier waren die Hauptdarsteller die schöne Kurtisane, Chino, der Kaufmann und der Pedant. Der Kaufmann wurde von dem Dicken gespielt, den ich eben gesehen hatte. Der Pedant war diesmal kein Mitglied der Schriftgelehrtenkaste, sondern ein Arzt. Um die Sache abzukürzen, die Handlung geht wie folgt: Der Kaufmann will der schönen Kurtisane einen Besuch abstatten und schickt Chino aus, einen Liebestrank zu kaufen. Chino kauft beim Arzt natürlich keinen Liebestrank, sondern ein starkes Abführmittel. Der Kaufmann nimmt den Trank und besucht zusammen mit Chino die schöne Kurtisane. Wie vorauszusehen ist, muß der Kaufmann seine Annäherungsversuche ständig unterbrechen, die, wie könnte es anders sein, schwerfällig und plump sind und der Kurtisane nicht sonderlich zusagen, und schnell zum Bühnenrand eilen, wo praktischerweise ein großer Topf steht. In der Zwischenzeit versichert Chino auf übertriebene Weise der Kurtisane, daß der Kaufmann ein erfahrener Liebhaber sei. Er ist darin so erfolgreich, daß die Kurtisane bald vor Erregung bebt und den Kaufmann zu sich ruft, der begierig angelaufen kommt, jedoch gezwungenermaßen erneut zum Topf zurück muß. Chino beruhigt die verunsicherte und verwirrte Kurtisane. Bald demonstriert er mit Liebkosungen und Küssen – alle im Namen des Kaufmanns –, wie geschickt sich sein Herr anstellen werde. Die Kurtisane wird immer erregter. Da kommt der Arzt, um sich des Erfolgs seines Trankes zu versichern. Seine Unterhaltung mit dem Kaufmann bietet ausreichend Gelegenheit für Doppeldeutigkeiten und Mißverständnisse. Der Arzt den es erstaunt, daß sein Trank noch nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hat, versichert dem Kaufmann, der auf dem großen Topf sitzt, daß es nun nicht mehr lange dauern kann, bis der Trank wirkt, und verabschiedet sich. Der Kaufmann ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daß das nicht sein Tag ist, und schleicht mit dem Topf nach Hause. Chino grinst und zuckt mit den Schultern. Dann wirft er sich auf die schöne Kurtisane. Schließlich ist ja für die Zeit bezahlt worden.

Einen Augenblick später traten die Schauspieler wieder auf die Bühne und verbeugten sich. Ihnen zur Seite standen auch die Darsteller der früheren Farcen, gewöhnlich in Gruppen zu vier oder fünf Mann. Einige Tarskstücke landeten auf der Bühne. Der Chino und der Lecchio sammelten sie ein. Bina und Brigella gingen mit Kupferschüsseln durch das Publikum. Sie waren beide sehr hübsch; wie die anderen Schauspielerinnen einer kleinen Theatertruppe arbeiten diese Mädchen gewöhnlich noch als Zeltmädchen. So spart die Truppe Kosten ein. Ich legte Brigella ein Tarskstück in die Schüssel. »Vielen Dank, Herr«, sagte sie.

Der Dicke hatte sich seines Kaufmannskostüm entledigt und verkündete dem Publikum nun mit wabbelndem Bauch, daß noch in dieser Ahn eine neue Runde Farcen gespielt würden. Sein Blick verfinsterte sich einen Augenblick lang; ich sah in die betreffende Richtung und entdeckte den möglichen Grund für seine Sorge. Im Publikum stand ein Beamter des Herrn der Lustbarkeiten mit zwei Männern der Ratswache an der Seite.

Ich zog das Mädchen auf die Füße. »O ja«, hauchte sie und drückte sich an mich. »Bring mich zum Lustgestell.«

»Noch nicht«, erwiderte ich und kaufte von einem umhergehenden Händler einen kleinen Kuchen. »Iß das, aber laß dir Zeit.«

»Ja, Herr.«

Ich ging in Richtung Bühne, die Sklavin im Schlepptau.

Etwa einen oder zwei Meter vor dem Bühnenanfang blieb ich vor einer Kaissa-Bude stehen.

Eine hochgewachsene Gestalt ging vorbei. Sie hätte ebensogut von einer der langen, schmalen, überdachten Schauspielbühnen Ars heruntersteigen können, auf denen das klassische Drama inszeniert wird. Sie trug Cothornoi, stelzenähnliche hohe Stiefel, ein langes Gewand, dessen Schultern so gepolstert waren, daß sie eine enorme Schulterbreite andeuteten, eine bemalte große Leinenmaske mit übertriebenen Gesichtszügen, die den ganzen Kopf verhüllte, und den Onkos, einen eindrucksvollen hohen Kopfschmuck. Solche Kostüme werden häufig von den Hauptcharakteren klassischer Dramen getragen. Die übertriebene Größe soll ihrer Wichtigkeit angemessen sein. Die Kostüme sind so gemacht, daß sie auf jeden Fall größer als das Leben selbst aussehen. Ich wußte nicht, ob der Mann ein Schauspieler war oder nur jemand, der dieses Kostüm im Karneval trug. Als er weiterging, fiel mir auf, daß die Maske am Hinterkopf einen anderen Ausdruck zeigte. Das findet man bei wenigen Masken; es ermöglicht, den Ausdruck zu wechseln, ohne eigens einen Maskenwechsel vornehmen zu müssen.

Ein Flaschenzugmacher, den ich aus dem Arsenal kannte und der der Kaissa-Champion des Arsenals war, stand von dem Kaissa-Brett der Bude auf. »Ein wunderbares Spiel«, sagte er und rieb sich verwundert den Kopf. »Ich wurde gedemütigt. Ich wurde am Boden zerstört. Ich weiß nicht einmal, wie er es gemacht hat. Er hat es in vierzehn Zügen geschafft! Er hat in vierzehn Zügen drei Steine gefangengenommen und hätte im nächsten Zug den Heimstein gehabt! Vielleicht waren es verbotene Züge. Vielleicht habe ich nicht alles gesehen, was er getan hat!«

»Versuch es noch einmal«, ermunterte ihn der Dicke, der mit der Bühne zu tun hatte und dem anscheinend auch die Kaissa-Bude gehörte. »Vielleicht wird sich dein Glück ändern!«

Aber der Flaschenzugmacher verschwand in der Menge.

»Warum hast du das getan?« fragte der Dicke den Mann hinter dem Spielbrett.

»Er dachte, er könnte Kaissa spielen«, sagte der Spieler.