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»Ich werde im Nordturm erwartet, Tarl«, sagte Vella.

»Ich glaube nicht«, sagte ich und blickte in die Wüste hinaus.

»Wenn ich nicht komme, wird man mich holen. Vielleicht findet man dich. Flieh, solange es noch geht.«

Ich sah Reiter aus der Wüste kommen.

»Ich glaube, die Männer im Nordturm haben im Augenblick andere Sorgen.«

»Was meinst du damit?«

Ich hatte dem Nordturm einen Besuch abgestattet.

»Die Kasbah wird fallen«, sagte ich.

»Die Kasbah wird nicht fallen«, gab das Mädchen zurück. »Wir haben Vorräte und Wasser für Monate. Ein Mann auf den Mauern kann es mit zehn Wüstenkämpfern aufnehmen.«

Im Wachraum des Nordturms bäumten sich zehn Wächter in ihren Fesseln auf; sie erwachten langsam aus ihrer Bewußtlosigkeit. Über dem Tor, im Turm, lagen weitere zehn Mann.

Der letzte Gongschlag verhallte. Ein neuer Tag begann.

»Flieh!« flüsterte Vella. »Flieh!«

Das Nordtor stand einen Spalt breit offen ein verhängnisvoller Umstand für die Bewohner der Kasbah.

»Schau«, sagte ich zu Vella, hielt ihr die Hand über den Mund und schob sie ans Fenster. Der Anblick entsetzte sie.

Reiter galoppierten auf die Kasbah zu. Ich sah den weißen Burnus Hassans, der die Kämpfer anführte.

Im gleichen Augenblick hatte ein Festungswächter die Reiter gesehen. Es gab Geschrei. Der Alarmgong wurde geschlagen. Unten im Hof tauchten Männer auf. Doch zu ihrem Entsetzen waren die Angreifer bereits im Innern der Kasbah. Männer sprangen von ihren Kaiila, stürmten mit gezückten Krummsäbeln schmale Treppen empor, versuchten die Mauerkronen zu erreichen. Der Feind war in der Festung. Der Feind war hinter den Verteidigern. Reiter galoppierten durch das Tor, weiter hinten liefen Kämpfer zu Fuß durch die Wüste. Das Nordtor war gefallen. Der Nordturm war in der Gewalt der Angreifer. Immer mehr Männer drangen in die Kasbah ein, stellten sich innerhalb der Mauern zum Kampf. Die Verteidiger strömten aus ihren Unterkünften. Überall gab es Schwertkämpfe, überall dröhnten Klingen auf Schilde. Fackeln spendeten zuckendes Licht. Ich hörte Männer schreien. Ich trat zurück und nahm Vella die Hand vom Mund. Das Mädchen sah mich entsetzt an.

»Jetzt kannst du schreien, Sklavin«, sagte ich. »Jetzt kannst du Alarm geben.«

»Sie werden uns alle umbringen.«

Sie hatte eine instinktive weibliche Angst vor Reitern aus der Wüste. Ich drehte sie herum und schob sie durch den Saal vor mir her. »Ich gehöre zu ihnen«, sagte ich. Sie stöhnte auf.

Ich hörte Geschrei in der Kasbah. Ich drängte sie in das Ankleidezimmer, in dem ich sie gefunden hatte.

»Du bist mich holen gekommen«, sagte sie, drückte sich an mich und sah mich an. »Ich hatte gehofft, daß du zu mir zurück kehren würdest.«

»Ja, um dich zu besitzen!« sagte ich.

»Mich besitzen?« rief sie entsetzt.

»Ja«, sagte ich. »Jeder Mann wünscht sich eine Frau, die ihm völlig Untertan ist!«

Mit schnellen Bewegungen fesselte ich ihr Hände und Füße. »Du wartest hier auf mich!« sagte ich.

Ich verließ das Zimmer und schloß die Tür hinter mir. Ich mußte kämpfen. Es tobte ein Kampf, bei dem jeder Mann gebraucht wurde. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Der Sklavin würde ich mich anschließend widmen. Und sie sollte nicht zu kurz kommen.

23

»Wo ist Ibn Saran?« fragte Haroun, der Hohe Pascha der Kavars. Der Mann, der mit gefesselten Händen vor ihm kniete, rief: »Ich weiß es nicht!«

»Er muß noch in der Festung sein!« bemerkte ein Mann.

»Die Kasbah ist erobert«, sagte ein anderer. »Sie gehört uns. Aber er ist nicht hier. Andererseits kann er nicht geflohen sein.«

»Brennt die Kasbah nieder!« rief jemand aus dem Hintergrund.

»Nein«, sagte Haroun. Dazu war die Festung viel zu wertvoll. Die Kavars wollten sie übernehmen.

Ich betrachtete die gefesselten Gefangenen in dem großen Saal. Ibn Saran war nicht darunter.

Draußen, im Schatten der Kasbahmauern, knieten zahlreiche andere Gefangene; dort befand sich Ibn Saran ebenfalls nicht.

Ibn Saran war nicht der einzige, den wir vermißten. Unter den Gefangenen und Gefallenen fehlte Abdul, Wasserverkäufer und Agent des großen Abdul, auch Ibn Saran genannt; außerdem fehlte der verräterische Hamid, der Suleiman verwundet hatte.

Mit wehendem Burnus drehte sich Haroun um und sprang zornig auf die Plattform des Salz-Ubar.

»Nehmen wir einmal an, Pascha«, sagte ich zu ihm, »daß Ibn Saran diese Kasbah betreten hat.«

»Das hat er getan!« rief ein Mann.

»Nehmen wir außerdem an, daß unsere Suche sehr gründlich war und niemand durch unsere Reihen schlüpfen konnte.«

»Das könnte ja alles richtig sein«, sagte Haroun. »Aber wie können deine Vermutungen stimmen, wenn Ibn Saran dennoch nicht gestorben oder in unsere Hände gefallen ist?«

»Ganz in der Nähe steht eine zweite Kasbah die Festung seiner Verbündeten Tarna«, sagte ich.

»Die wäre durch die Wüste aber nicht zu erreichen gewesen«, sagte ein Mann.

»Ja! Ja!« rief Haroun. »Begleitet mich!«

Gefolgt von zahlreichen Männern, die sich mit Lampen versehen hatten, stieg er in die Verliese und Kellerräume unter der Kasbah hinab. Eine Stunde später fanden wir hinter einem scheinbar festen Regal in einem unschuldig wirkenden Vorratsraum tief unter der Erde eine Falltür und dahinter einen Durchgang.

Wir verschafften uns Zugang und stießen auf einen unbeleuchteten Tunnel. Dieser Tunnel stellte eine unterirdische Verbindung zur benachbarten kleinen Kasbah her, die von Tarna, der Banditenführerin, beherrscht wurde.

»Ibn Saran«, sagte ein Mann, »hält sich zweifellos in Tarnas Kasbah auf.«

»Aber diese Kasbah haben wir nicht erobert«, klagte ein Mann.

»Ibn Saran ist uns also entwischt. Er wird aus Tarnas Kasbah fliehen.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Haroun lächelnd. »Die Kasbah Tarnas wird nämlich belagert.«

»Unmöglich«, sagte Suleiman Pascha. »Dort halten sich keine Aretai auf.«

Andere Stammesführer stimmten ihm zu; auch sie hatten keine Männer dorthin abkommandiert. »Wenn nicht die Kavars und nicht die Aretai und auch kein anderer Stamm die Festung belagern wer ist es dann?« wollte Suleiman wissen.

»Tausend Lanzen bedrohen die Kasbah«, erwiderte Haroun. »Tausend Kaiilareiter.«

»Und woher hast du diese tausend Lanzenreiter?«

Haroun lächelte. »Darüber sollten wir bei Bazi-Tee sprechen, wenn der Tag vorüber ist. Im Augenblick gibt es wichtigere Dinge.«

Suleiman grinste. »Führe uns an, Kavar-Sleen!« sagte er. »Du hast die Kühnheit Hassans des Banditen, mit dem dich eine große Ähnlichkeit verbindet.«

»Das hat man mir schon öfter gesagt«, erwiderte Haroun. »Hassan muß ein mutiger und sympathischer Bursche sein!«

»Das könnte man bei Bazi-Tee besprechen, wenn der Tag zu Ende ist«, sagte Suleiman und musterte Haroun aus zusammengekniffenen Augen.

»Gewiß«, sagte Haroun. Daraufhin machte er kehrt und schritt in den Tunnel. Hunderte von Männern, zu denen auch ich zählte, folgten ihm; viele trugen Lampen.

Auf der Spitze des höchsten Turms von Tarnas Kasbah stießen wir auf Ibn Saran - Hassan führte den Angriff, ich befand mich dicht hinter ihm.

»Kameraden!« sagte Ibn Saran und hob seinen Krummsäbel.

»Er gehört mir«, sagte Hassan.

»Vorsicht!« sagte ich.

Sofort begannen die beiden Männer zu kämpfen. Selten hatte ich einen schöneren Schwertkampf gesehen.

Kurz darauf traten die beiden Männer zurück. »Du kämpfst gut«, sagte Ibn Saran. Er schien zu schwanken. »Ich kann dich jederzeit besiegen.«

»Das ist lange her«, gab Hassan zurück.

»Ja«, sagte Ibn Saran, »das ist lange her.« Grüßend hob er den Krummsäbel in meine Richtung.

»Man erringt einen Sieg«, sagte ich. »Und verliert einen Feind.«

Ibn Saran nickte mir zu. Dann wurde sein Gesicht bleich, er machte kehrt und taumelte zur Balustrade des Turms.