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»Und ihr habt zwei Männer gesehen, bei denen es schon angefangen hat«, fügte Serena mit tonloser Stimme hinzu.

»Also werden sie... alle davon befallen?« fragte Mike erschrocken. »Die ganze Insel?« Serena schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht von der Insel, Mike«, sagte sie. Wieder deutete sie auf das Buch. »Was dort beschrieben ist, ist dasselbe, was hier passiert. Seit wir auf dieses Schiff gestoßen sind, haben wir uns alle zum Schlechten verändert. In den ganzen Jahren, die wir nun zusammen sind, habe ich nicht soviel Streit und Zorn erlebt wie in den letzten Tagen. « Deshalb also waren Serena, Juan und Chris so erschrocken gewesen.

Mike fiel plötzlich der Krake ein, der ihn vor dem Wrack der TITANIC attackiert hatte: ein an sich harmloses, eher scheues Tier, das unter normalen Umständen niemals einen so großen Gegner wie einen Menschen angreifen würde und das sich doch wie toll gebärdet hatte. Und die Stimmung an Bord war von jenem Moment an, in dem sie die Spur des Sternenschiffes aufnahmen, praktisch minütlich schlechter geworden. Er hatte sich ja schon die ganze Zeit über immer wieder Gedanken deswegen gemacht. Und er hatte die beginnende Veränderung auch an sich selbst bemerkt. »Aber das würde bedeuten, daß... « »... daß es uns auch trifft, ja«, führte Serena den Satz zu Ende.

»Du meinst, wir... wir werden auch zu Stein?« flüsterte Mike.

Serena antwortete nicht.

»Vielleicht... vielleicht ist es nur... nur eine Art Nebenwirkung«, fuhr Mike stockend fort. »Es muß uns nicht auch so ergehen wie den Eingeborenen und den

Männern an Bord des Schiffes. Vielleicht ist es das, was man am Anfang spürt, wenn man ihm zu nahe kommt. Niemand sagt, daß wir so enden müssen wie die anderen. «

»0 doch«, flüsterte Serena. »Und Trautman weiß das. Er hat es die ganze Zeit über gewußt und wahrscheinlich nur nichts gesagt, um uns nicht zu ängstigen. Deshalb will er das Sternenschiff um jeden Preis zerstören. Vielleicht hört es auf, wenn es nicht mehr da ist. « »Und wenn nicht?« fragte Mike leise. »Dann sind wir verloren«, antwortete Serena. Für einen Moment drohte Mike in Panik zu geraten. Es war nicht einmal die Angst vor dem Tod. Natürlich spürte er auch sie, aber es war nicht das erste Mal, daß sie sich in einer gefährlichen Situation befanden, und trotz seiner Jugend auch nicht das erste Mal, daß er ernsthaft über die Möglichkeit nachdachte, sterben zu müssen. Und trotzdem war ihm eine Gefahr nie so furchtbar erschienen. Der steinernen Pest zu erliegen, die die Männer an Bord des Frachters dahingerafft und auch unter den Bewohnern der Insel schon die ersten Opfer gefordert hatte, war eine solch schreckliche Vorstellung, daß sich alles in ihm einfach weigerte, sie auch nur als bloße Möglichkeit zu akzeptieren.

»Weisser«, sagte er plötzlich. »Dieser Mann, der sich Weisser nennt, er weiß etwas darüber. Vielleicht kann er uns helfen. Wir müssen noch einmal zurück auf die Insel. «

»Trautman wird das nicht zulassen«, sagte Serena traurig.

Mike deutete auf das Buch. »Weiß Trautman, daß du es hast?«

»Nein. « Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht gewagt, es ihm zu sagen. Er ist so... zornig geworden. Er macht mir angst. Alle hier machen mir angst. «

»Mir auch«, bestätigte Mike. »Aber wir müssen es ihm sagen. Vielleicht gibt es ja doch eine andere Möglichkeit. «

»Nein«, antwortete Serena leise. »Ich habe es nachgerechnet, weißt du? Es hat angefangen, nachdem wir das Wrack der TITANIC verlassen haben, und es wird jeden Tag schlimmer. Wenn uns ebensoviel Zeit bleibt wie den Männern an Bord des Frachters, dann ist unsere Frist morgen mittag abgelaufen. « »Woher willst du das wissen?« fragte Mike. Sein Herz klopfte immer noch vor Angst, und er hatte Mühe, Serena nicht anzuschreien. Plötzlich mußte er sich mit aller Macht beherrschen, um nicht ihr die Schuld an alledem zu geben. »Sie sind ihm viel näher gekommen als wir. Es gibt keinen Beweis, daß es uns überhaupt so ergeht wie ihnen oder genauso schnell. « »Doch«, antwortete Serena leise und sehr ernst. »Es gibt einen Beweis. Ich habe ihn heute morgen erst entdeckt. Bis jetzt weiß niemand davon. Und es ist besser, wenn auch du schweigst. «

Sie wies auf ihr Bett, und als Mike sie nur fragend anblickte, trat sie mit ein paar raschen Schritten darauf zu und schlug die Decke zurück. Etwas Schwarzes, Pelziges kam zum Vorschein, das reglos auf dem Kissen lag und Mike aus einem gelben Auge anblickte. »Astaroth!« Mike eilte zu ihm. »Was ist... ?« Er brach ab, als er sah, daß das eine Bein des Katers in einem unnatürlichen Winkel vom Körper abstand.

»Bist du verletzt? Was ist geschehen?«

Wie lautet eines eurer dämlichen Sprichwörter? erklang Astaroths lautlose Stimme in Mikes Kopf. Es bleibt kein Stein auf dem anderen. So wird es wohl bald auch an Bord der NAUTILUS sein.

Seine Stimme hatte grimmig geklungen, aber Mike konnte die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in Astaroths Auge genau erkennen. Seine Hand zitterte, als er sie langsam nach dem Kater ausstreckte. Astaroths Bein war zu Stein erstarrt.

Im Turm der NAUTILUS herrschte atemlose Stille. Trautman stand hinter einem der beiden mannshohen Bullaugen und hatte den Feldstecher angesetzt, um die Insel zu beobachten, die sich nur als schwarzer Schattenriß gegen den noch grauen Morgenhimmel abzeichnete. Es begann schon hell zu werden, und trotz der schlechten Sicht konnten Mike und die anderen die beiden gewaltigen deutschen Kriegsschiffe deutlich ausmachen, die wie schwimmende Berge aus Eisen vor der Insel lagen.

Obwohl sie seit gut zehn Minuten hier standen und darauf warteten, daß es richtig Tag wurde, hatte Mike den Anblick immer noch nicht wirklich verdaut. Es war noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden her, da hatten Singh und er auf der Insel dort drüben gestanden und genau in die Richtung, in der sich die NAUTILUS nun befand, aufs Meer hinausgeblickt, und sie hatten keine Spur des gewaltigen Schlachtschiffes und seines kaum weniger großen Begleiters gesehen -und das war schlichtweg unmöglich. Und als wäre dies noch nicht genug, war der schwarze Frachter mit seiner unheimlichen Besatzung dafür nun nicht mehr zu sehen. Irgend etwas stimmte hier nicht.

»Noch ein Strich Backbord«, sagte Trautman. Die Worte galten Ben, der hinter dem großen Steuerrad stand und die Aufgabe übernommen hatte, die NAUTILUS auf Trautmans Anweisungen hin genau in Schußposition zu bringen. Er gehorchte dem Befehl, und Mike konnte spüren, wie der eiserne Boden unter ihren Füßen sacht zu zittern begann, als sich das Schiff um wenige Grade nach rechts bewegte. Sein Herz klopfte schneller. Er hätte in diesem Moment selbst nicht in Worte fassen können, was er wirklich empfand, aber es war ein Gefühl, das an Verzweiflung grenzte. Er hatte vorhin nochmals versucht, Trautman von seiner Entscheidung abzubringen, aber es war umsonst gewesen.