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«Mach nur so weiter, dann findest du unterm Weihnachts­baum überhaupt nichts.»

«Ich wünsche mir Margot Kidder, mit einem roten Bändchen geschmückt.»

Carmen fand, das wäre keine schlechte Idee für sie selbst, aber sie hielt den Mund. «Du wirst es abwarten müssen.»

«Nach Weihnachten müssen wir länger trainieren.»

«Weshalb?»

«Deine Rückhand hat null Topspin, deshalb.»

«Welche Frau hat schon eine Topspin-Rückhand?»

«Du bist stark genug, und das neue deutsche Mädchen eben­falls.»

Carmen überhörte diese Bemerkung. Weihnachten hatte Vor­rang vor der Arbeit. Sie hatte für Harriet eine Sammlung Erte- Drucke gekauft und hoffte, daß sie ihr gefielen. Für Miguel hatte sie eine goldene Rolex-Uhr erstanden. Sie war schrecklich teuer, aber sie wußte, er würde darüber begeistert sein. «Länge­res Konditionstraining.» Sie tätschelte ihm den Rücken.

«Und Krafttraining.»

«Miguel.»

«Ja. Dies ist dein Jahr. Alles muß perfekt klappen.» Er ging zum Getränkeautomaten und kaufte eine Cola für sich und ein Mineralwasser für Carmen. «Hast du was dagegen, wenn ich mir mal deine Verträge ansehe - die Werbeverträge und all das Zeug?»

«Nein. Warum sollte ich? Ich lese sie nie. Seth Quintard macht das alles. Ich unterschreibe nur auf der gestrichelten Linie.»

«Er sorgt sicher für die bestmöglichen Abschlüsse; das ist der Job eines Agenten. Aber ich bin Anwalt und würde gern mal alles ganz genau durchgehen. Vielleicht fällt mir was auf, das ihm entgangen ist.»

«Schön. Schneit es wieder?»

Er ging zum Clubhausfenster hinüber. «Ja. Jeden Moment wird der Nikolaus erscheinen.»

«Wetten, daß es heiß ist zu Hause.»

«Wir rufen morgen mal an.»

Miguel zog seinen Parka über. «Weißt du, es ist schon übel. Telefone verbinden alle auf der Welt miteinander. Technolo­gisch ist es eine Welt, aber niemand kann mit irgendwem aus­kommen. Ich bin immer noch nicht über die Tatsache hinweg, daß wir mit England Krieg geführt haben.»

Carmen zog die Nase kraus. Sie haßte Politik. Noch mehr haßte sie Krieg. Für sie lag kein Körnchen Sinn darin, obwohl sie sehr patriotisch war. Wenn es nach ihr ginge, gehörten die Falk­land-Inseln zu Argentinien, aber Krieg? Warum griffen die Chefs der streitenden Länder sich nicht einen Tennisschläger und regel­ten die Sache auf dem Platz? Oder sie könnten Golf spielen, wenn sie für Tennis zu alt waren. Dann gäbe es kein Gezanke.

Die restlichen zwei Tage, bevor sie nach Washington und zu den Tomahawk-Meisterschaften aufbrachen, trainierte Carmen dop­pelt so lange. Miguel, der in neuer Sportkluft einherstolzierte, begleitete sie morgens und manchmal nachmittags.

Fluchend über das Bügelbrett gebeugt, attackierte Harriet die nächste widerspenstige Kellerfalte. Sie hatte nichts gegen das Bügeln, aber das Bügeln hatte heute etwas gegen sie. Sie plättete die Falten eher rein als raus. Als sie wieder mal das Dämpfgerät herunterwuchtete, hörte sie ein Auto in die Auffahrt rollen. Nur eine Tür krachte ins Schloß. Eine erhitzte Carmen tanzte durch die Küchentür.

«Joe nimmt Miguel mit nach Syracuse.» Joe war einer von Carmens Trainingspartnern.

«Wie nett.» Harriet entging der Sinn der Botschaft, da das Hemd ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchte.

«Sie bleiben mindestens anderthalb Stunden weg. Vielleicht haben wir sogar zwei Stunden für uns allein.»

«Hast duallein gesagt?»

«Hab ich.» Sie knallte ihre Schläger auf den Küchentisch.

«Es geschehen noch Zeichen und Wunder.»

«Hast du etwa vor, da stehenzubleiben und das Hemd zu bügeln?»

«Nein.» Harriet riß den Stecker aus der Wand. Die beiden jagten einander die Treppe hoch ins Schlafzimmer.

Das Liebemachen kam wegen Miguels ständiger Anwesen­heit ziemlich zu kurz. Wenn Miguel endlich schlief, waren Harriet und Carmen meistens hundemüde. Und außerdem war Harriet sowieso nie die größte Nachtdurchbumserin gewesen. Ihre echten Qualitäten zeigten sich eher am Nachmittag.

«Kommst du wohl ins Bett?» Harriet fror unter der Decke.

«Ich sollte erst mal duschen.»

«Reine Zeitverschwendung.»

«Ich bin vom Training durchgeschwitzt.»

«Ich werd's ertragen.» Harriet bekam den Bund ihrer Trai­ningshose zu fassen, und Carmen plumpste aufs Bett.

«Warte eine Minute. Laß mich aus dieser gottverdammten Hose steigen.»

«Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht...»

«Was treibst du da?»

«Die Sekunden zählen.» Harriet zog jetzt eine nackte Carmen unter die Decke. «Wärm mich. Betrachte es als Akt der Näch­stenliebe.»

Carmen küßte Harriets Hals, ihre Stirn und ihre Lippen. Da gab's was, das sie noch besser konnte als Tennis. Im Küssen war sie Weltmeisterin. Der Mund von Ganimedes, Mundschenk des Zeus, konnte nicht schöner gewesen sein, so perfekt war die Form ihrer Lippen. Sie konnte stundenlang küssen. Heute war allerdings keine Zeit für solchen Luxus. Ihr Körper glitt über Harriets kleine Gestalt und arbeitete sich nach unten vor.

«Verdeckte Operation», flüsterte Carmen.

Harriet lächelte und grub ihre Finger in Carmens seidiges schwarzes Haar.

Carmen küßte und leckte Harriets Möse. Plötzlich erstarrte sie. «Autsch!»

«Was ist los?» Harriet lüpfte die Decke und blickte in zwei glühende Augen am Ende des Bettes. «Baby Jesus, mach, daß du da rauskommst.»

Baby, Harriets achtzehnjährige Katze, vergrub sich unter der Decke, legte sich so flach auf die Seite, daß sie unter der Bett­decke nicht zu sehen war. Diese Störung ihres Schlummers kam ihr ungelegen. Wie der Biß in Carmens Ferse bewies.

«Komm, Beejee Weejee», lockte Carmen.

Dieses Süßholzraspeln stieß auf angewidertes Zähneflet­schen. Schlimm genug, daß Carmen ihren Fuß in Babys Gesicht hieb. Daß man ihr mit diesem Beejee Weejee-Geseire kam, verschlechterte die Laune der Alten noch mehr.

«Hörst du wohl auf deine Mutter», kommandierte Harriet. «Raus aus dem Bett.»

Verdächtige Stille folgte.

«Scheiße!» Carmen jaulte. «Sie hat mich in den anderen Fuß gebissen.»

«Das reicht.» Harriet warf die Decke zurück, packte das Tier und setzte es liebevoll in den fellbespannten Schlafkorb, der mit Katzenspielzeug, Kratzbaum und ausgestopftem Vogel ausge­stattet war. Baby saß kaum eine Minute lang in diesem Prunk und verließ dann erhaben das Schlafzimmer.

«Diese Katze bring ich eines Tages noch um.» Carmen rieb sich die Ferse.

«Sie hat ein künstlerisches Temperament.»

«Schaust du dir mal meinen Fuß an?»

Harriet entdeckte die kleinen Kerben von zwei Fangzähnen. Kein Blut war zu sehen, freilich hatte sich Baby auch nicht übermäßig angestrengt. «Hier, ich küsse drauf, und dann ist alles gut.»

«Ist schon besser. Könntest du etwas höher weitermachen?»

Harriet lachte und arbeitete sich an Carmens muskulösem Bein hoch.

Lavinia Sibley Archer, deren Brüste sich wie ein Schiffsdeck hoben und senkten, bahnte sich ihren Weg durch die Eröff­nungscocktailparty des Sponsors. Lavinia hatte Ende der vier­ziger Jahre Wimbledon gewonnen sowie im darauffolgenden Jahr das US Open. Nach ihrer illustren Karriere ließ sie sich mit einem totlangweiligen Mann häuslich nieder und fungierte als Hausfrau und Schrecken ihres Sportclubs. Wendell, ihr Ehe­mann, starb Mitte der Sechziger zu seinem eigenen Besten. Das genaue Datum war ihr entfallen, aber jedenfalls war er tot, daran bestand kein Zweifel.

Zu jener Zeit fand das Tennis der Damen, das um Profistatus und Anerkennung kämpfte, seine junge Löwin in Billie Jean King und schließlich auch seine Geschäftsbärin in Lavinia. Lavinia tat eine Menge für den Sport. Vor allem setzte sie sich mutig dem Horror aus, sich den Lebensunterhalt zu erarbeiten. Mit Hilfe verschiedener Titel in verschiedenen Jahren kam Lavinias Macht im Tennis der des Generalstabs gleich. Sie war zwar nicht Gott, aber verdammt nahe dran. An Lavinia Sibley Archer kam man nicht vorbei.