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Schmettie ging zum Angriff über. Ihr Aufschlag kam stark angeschnitten zu Carmen, die schwach retournierte. Schmettie lief ans Netz und schlug den Ball zurück. Während das Match für die Zuschauer spannender wurde, ging Harriets Interesse in Besorgnis über. Zwar war sie äußerlich ruhig, doch jedesmal, wenn der Ball mit einem Surren auf Carmens Schläger traf, spürte Harriet die Vibrationen im eigenen Arm. Schmettie führte ein mörderisches Duell.

Auch Howard Dominick, der von der Kontrollkabine aus zusah, machte sich Sorgen. Er wollte ein gutes Match, da Car­men aber als Nummer eins gesetzt war, sollte sie lieber zusehen, daß sie in dieses verdammte Finale kam. Carmen war ein Kas­senschlager. Wenn sie teilnahm, gab's für den Veranstalter kaum ein Verlustgeschäft, und um so mehr Fans wurden mit einem Hagel von Tomahawk-Produkten attacktiert. Wenn ihnen das kein Licht aufsteckte, sorgte das mit Spruchbändern gepfla­sterte Stadion schon dafür.

Carmen unterschnitt ihre Rückhand-Returns. Sie wollte das Tempo drosseln. Ihre Rückhand war stark, freilich nicht über­wältigend. Ab und zu streute sie einen Angriffsball ein, doch ihre volle Konzentration lag jetzt darin, Schmetties Angriff zu brechen. Zwar konnte Schmettie im allgemeinen dieses Spielni­veau nicht mehr als einen Satz lang durchstehen, aber Carmen wollte keinen Satzgleichstand.

Bei sechs beide verkündete Miranda Mexata, die beste Schiedsrichterin im Tennis, dem Publikum, daß jetzt ein Tie- Break erfolge, der den Ausgang des Satzes entschied. Bis 1971 mußten die Tennissätze mit einem Vorsprung von zwei Spielen gewonnen werden. Wenn du nicht den Aufschlag der Gegnerin durchbrechen konntest und sie deinen auch nicht, hättet ihr womöglich bis zum jüngsten Tag auf dem Platz sein können. 1963 brauchte Billie Jean King 36 Spiele, um Christine Truman beim Wightman Cup Competition zu schlagen: 6:4, 19:17. 1968 schlug der Australier John Brown nach 70 Spielen Bill Brown aus Omaha. Der erste Satz endete 36:34. Zweifellos war Nach­sicht angesagt. Vielleicht konnten die Spieler das aushalten, nicht aber die Zuschauer. Es ging das Gerücht, während des Spiels Brown gegen Brown sei tatsächlich einigen der Hintern abgestorben. Nach vielen Diskussionen zwischen der Alten Garde und den jungen Profis wurde der Tie-Break eingeführt.

Der Tie-Break kam zur Anwendung: Plötzlicher Tod. Car­men hatte den ersten Aufschlag. Sie bekam einen Aufschlag, Schmettie zwei Aufschläge, Carmen ebenfalls zwei und so wei­ter nach dem Zwei-Aufschläge-Prinzip, nur wechselten die Gegnerinnen nach sechs Punkten die Seiten. Selbst beim Hallen­tennis ist der Seitenwechsel fair und wird beibehalten. Sonne und Wind sind offensichtliche und hinreichende Gründe für den Seitenwechsel beim Freiluftspiel, doch ist in der Halle das Flut­licht oft an einer Stelle des Platzes besser als an einer anderen. Der Tie-Break war die simple Lösung eines verzwickten Pro­blems. Wer zuerst sieben Punkte erreichte, hatte den Satz ge­wonnen. Wer zwei von drei Sätzen gewann, hatte das Match für sich entschieden. Falls die Gegnerinnen so gleich gut waren, daß sie selbst im Tie-Break einen Gleichstand von sechs beide er­reichten, wurde so lange gespielt, bis eine Spielerin zwei Punkte Vorsprung hatte.

Ein Tie-Break brachte Spannung in den Sport und entzückte die Fans. Jetzt waren sie begeistert, denn Schmettie schlug sich mit 5:4 nach vorn. Sie nahm Carmen den Aufschlag ab.

Miguel steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie aber nicht an. Oben in der Pressekabine hielten Jane und Ricky den Atem an. Zuviel Kommentar beim Tie- Break kommt beim Fernsehpublikum nicht an. Harriet sah stur geradeaus.

Carmen, ein Vollprofi, wurde kämpferischer, je mehr es hart auf hart ging. Sie konzentrierte ihre ganze Energie auf jeden einzelnen Schlag und riß die nächsten drei Punkte an sich, noch ehe Schmettie und die Menge sich's versahen. Sie hatte das Match entschieden.

Später im Umkleideraum, während sie nach Interviews und einer Massage ihr Knie kühlte, sagte sie zu Harriet: «Drei Sätze mit Schmettie kamen für mich überhaupt nicht in Frage.»

Auf ihrem Weg zur Bar steckte Lavinia die Nase durch die Tür des Umkleideraums. «Gute Arbeit, Carmen.» Lavinia Sibley Archer konnte einenganzen Wodkasee aussaufen, ohne die Fasson zu verlieren. Ihr Wimbledon-Sieg verblaßte neben dieser Demonstration körperlicher Leistungsfähigkeit zumal in ihrem Alter. Harriet meinte, das sei nichts Besonderes. Lavinia hätte schon vor ihrer Geburt in Alkohol geschwommen.

Als Harriet und Miguel durch die Flure düsten, prallten sie an einer Kurve fast mit Susan Reilly zusammen, die ein ebensolches Tempo draufhatte. Susan trug ihre Sporttasche über der Schul­ter. Harnet fixierte Susan, Susan fixierte Harriet. Jede ging der anderen aus dem Weg.

«Buenos noches, Susan.» Miguel kannte sie seit Jahren.

Nachdem Billie Jean King und das erste Team der Profis zusammen mit Lavinia die Turnierrunde ins Leben gerufen hatten, kam Susan daher und sahnte ab. Sie war einsachtzig groß, was ihr am Netz unglaubliche Reichweite verschaffte, und sie war überraschend schnell für eine so große Frau. Ihre Gegen­wart auf dem Tennisplatz wirkte elektrisierend. Sie besaß das Charisma der Führungsperson und Disziplin, allerdings man­gelte es ihr an Organisationstalent. Zum Glück hatte sie eine Menge Leute um sich, die ihre Sache in die Hand nahmen. Mit 30 war Susan noch immer eine gewaltige Gegnerin.

Auf Susans Fersen folgte Happy Straker, ihre gegenwärtige Partnerin im Doppel und frühere Partnerin im Bett. Happy strahlte Miguel ein Lächeln rüber. «Hab dich seit Wimbledon nicht gesehen. Du siehst prima aus.»

Lisa, Susans siebenjährige Tochter, holte ihre Mutter ein, des­gleichen Craig Reilly, Susans Mann. Craig war Arzt und beglei­tete seine Frau selten auf ihrer Tour. Was kein Unglück war.

«Immer noch großartig», sagte Miguel, als Susans Begleitzug sich den Korridor hinunterbewegte. Susan war eine der Größ­ten. Sie war auch groß im Lügen, doch weshalb die Illusion rauben? Harriet bezeichnete sie einmal als atemberaubend un­ehrlich, was den Nagel auf den Kopf traf.

«Warum spielt ihr beide kein Doppel mehr?» fragte Miguel.

Carmen zuckte die Achseln. «Susan liebt Partnerwechsel. Hält sie frisch.»

Miguel warf seiner Schwester einen Blick zu. Carmen und Susan hatten jedes Turnier im Doppel gewonnen, das es zu gewinnen gab. Wechseln um des Wechsels willen hörte sich merkwürdig an.

Carmen erwiderte seinen Blick. «So ist sie eben. Zickig.»

«Vielleicht ist die Partnerschaft im Doppel so was wie eine Ehe, nur braucht's zur Auflösung keinen Priester.» Miguel traf einen Nerv, ohne es mitzukriegen.

Er wußte ja nicht, daß Susan Reilly die erste Frau war, die mit seiner Schwester geschlafen hatte. Carmen war damals sechs­zehn und sehr leicht zu beeindrucken gewesen. Mit 24 war sie noch immer reichlich leicht zu beeindrucken, aber mit sechzehn war sie so emotional, daß es an Hilflosigkeit grenzte. Susan zog sie herab in ihr Bett: ein ehrgeiziges argentinisches Mädchen auf dem Weg nach oben, falls sie je ihr Temperament würde zügeln können. Susan sagte Carmen, sie liebe Craig, aber sie hätten eine Übereinkunft getroffen. Er gehe seiner Wege und sie ihrer. Sie versäumte es, Carmen zu erzählen, daß sie auch noch einer kostspieligen schönen Dame hoch droben auf Nob Hill zu Diensten war. Was auch immer sie sonst noch sagte, es reichte, ein Mädchen in ihren ersten Liebesqualen - von einer ersten lesbischen Affäre ganz zu schweigen - davon zu überzeugen, daß sie mit Susan leben mußte. Carmen hatte gar das Gefühl, sie könne ohne Susan nicht leben. Also packte sie ihre Sachen und kam in die Vereinigten Staaten.

Carmen hatte dies nicht mit Susan besprochen. Sie nahm an, Mrs. Reilly wäre hingerissen, sie zu sehen und mit ihr zu leben. Sie würde Argentinien periodische Besuche abstatten, um ihre Staatsbürgerschaft aufrechtzuerhalten und den bürokratischen Erfordernissen der USA Genüge zu tun, die für ausländische Einwohner bekanntlich streng sind. Als sie unangemeldet vor Susans Haus stand, blickte Susan glatt an ihr vorbei, sagte, sie ticke nicht richtig, und warf die Tür zu. Sie ignorierte Carmens Anrufe und Bitten. Carmen, gestrandet, lebte bei einer Tennis­spielerin und ihrer Familie in Palo Alto, bis sie sich wieder in den Griff bekam.