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Harriet fragte sich, ob Carmen die Sache je klargekriegt hatte, wenn schon die Rechnung nicht beglichen war. Carmen zog es vor, Konflikte zu vermeiden. Wenn etwas faul ist, ignoriere es. Wenn es ärger wird, trink einen, rauch eine Zigarette oder paff ein Zauberkraut, aber stell dich unter keinen Umständen dem Schmerz.

Schließlich verpflichtete sich Carmen als Susans Partnerin im Doppel. Dies währte drei Jahre, bis Susan sie ohne Vorwarnung wegen Happy Straker fallenließ, ihrer nächsten Augenblicks­grille, aber einer grandiosen Partnerin im Doppel. Nie wieder schlief Susan je mit Carmen oder erwähnte die Affäre, die Carmens Erscheinen auf ihrer Türschwelle vorausgegangen war. Susan hatte moralischen Gedächtnisschwund. Warum Car­men zu Susan freundlich blieb, war Harriet ein Rätsel, denn sie spürte - wie ein tiefer Unterton jenseits menschlichen Hörver­mögens -, daß der andere Groschen erst noch fallen mußte.

Miguel bestellte zum Nachtisch flambierte Kirschen. All die Flammen am Tisch gaben dem Essen einen Anflug von Vernich­tung. Miguel und Ricky redeten über die Erweiterung des Kabelfernsehens. Die Frauen redeten untereinander.

«Ich habe keine flambierten Kirschen mehr gegessen seit gebackene Alaska, und gebackene Alaska habe ich seit meinem letzten Jahr im Smith College nicht mehr gegessen.» Jane löf­felte die tröpfelnde Flüssigkeit in sich hinein.

«Hast du dein Smithie-T-Shirt dabei?» Carmen war schon mit ihrem Nachtisch fertig. «Das mit dem Aufdruck: Smith College. Seit einem Jahrhundert sind Frauen oben.» Carmen war auf dieses T-Shirt scharf.

Miguel drehte sich zu seiner Schwester um. «Hat jemand <Frauen oben> gesagt?»

«Vergiß es, Miguel, du bist ein Chauvi. Du kapierst es nie.» Carmen wandte sich wieder Jane zu.

«Sie reden über Janes College», erklärte Ricky,

«Oh, einen Moment lang dachte ich, die Damen brächten uns in eine peinliche Lage.» Miguels Zähne wirkten in dieser Be­leuchtung fast silbern.

«Nichts gegen eine peinliche Lage, aber nicht heute abend.» Die beiden setzten ihre Diskussion fort.

«Jane, was muß ich tun, um an dieses T-Shirt zu kommen?» bohrte Carmen weiter.

«Den Mount Everest kannst du jedenfalls nicht besteigen, der ist mittlerweile zu abgelatscht. Laß mal sehen; du könntest mir ein Foto vom Monster von Loch Ness beschaffen, oder du könntest den Grand Slam gewinnen - oder du könntest mich einfach mal darum bitten.»

«Bitte, besorg mir so ein T-Shirt, und für meinen Bruder auch eins.»

«Ich werde mal an meine Alma mater schreiben und sehen, was ich tun kann.»

Harriet sah sich prüfend um. «Voll von Republikanern.»

«Woran siehst du das?» Jane überflog den Raum.

«An den verkniffenen Lippen.»

«Garstig bist du wohl gar nicht?» Jane spielte mit ihrem Dessert.

«Jane, ich esse das für dich auf.» Carmen langte hinüber und griff nach dem Teller. Jane machte einen perplexen Eindruck. «Ach komm, ich weiß, daß du für Schokolade glatt einen Mord begehst. Ober, einmal Mousse au chocolat.»

«Bin ich denn so durchschaubar?»

«Carmen, ich muß ein paar Verträge mit dir durchsprechen.»

«Was?» Überrascht wirbelte Carmen herum und sah Seth Quintard hinter ihr stehen. Entweder hatte er sich aus der Topfpalme hochgebuddelt oder war auf Mokassins hereinge­schlichen, denn niemand hatte ihn kommen gehört.

«Ja. Können wir das nicht später?»

Miguel erhob sich gewichtig. «Wenn's Ihnen nichts aus­macht, wäre ich gern dabei. Meine Schwester hat mich gebeten, ihre geschäftlichen Angelegenheiten zu prüfen.»

Rasch sagte Seth: «Sicher.»

«Ich rufe dich in einer Stunde in deinem Zimmer an», sagte Carmen.

Athletes Unlimited überwucherte die Sportwelt wie wilder Wein. Die Firma, einst nur kleiner Sprößling, drohte, vom ganzen Wald Besitz zu ergreifen. Football, Tennis, Baseball, Basketball, Fußball, Leichtathletik - Athletes Unlimited reprä­sentierte die Besten in jeder Sportart. Ihre einzige Konkurrenz war eine kleine Firma, geleitet von einem ehemaligen Basket­ballstar, der Macht nicht delegieren konnte. Eine echte Konkur­renz war das nicht. Seth leitete den Tennisbereich. In seiner Fähigkeit, Geschäfte aufzureißen, erwies er sich als ungeheuer produktiv. Er hatte in seiner Brieftasche für Carmen einen Vertrag für Sockenwerbung in Japan und ein Angebot als Profilehrerin im finstersten New Mexico. Für eine Woche im Jahr bekäme sie 140 000 Dollar und obendrein ein Eigentums­apartment.

In all diese Verträge waren noch Bonbons eingebaut. Ge­wänne sie Wimbledon, bekäme sie ein Sümmchen extra. Ge­wänne sie den Grand Slam, trüge ihr das sowohl Unsterblichkeit als auch einen Riesenbonus ein. Dank ihres phänomenalen sportlichen Talents und ihres guten Platzgefühls konnte man sie als Anwärterin auf den Grand Slam nicht außer acht lassen, obwohl die Chancen für jede Spielerin schlecht standen, egal wie bemerkenswert sie war.

Seth verließ den Tisch und baute sich über Rainey Rogers, einer weiteren Klientin auf. Raineys Mutter fungierte als Flak­zerstörer. Er bat um ihre Aufmerksamkeit für das Geschäft, das er Rainey zu offerieren hatte. Wäre Rainey - und ihre Mama natürlich - bereit, an einem Mittelklasseturnier in West­deutschland teilzunehmen, so würde der Veranstalter mit dem schönsten BMW rüberkommen - unter der Hand, versteht sich -, den sie je gesehen hätte. Frau Mama widmete sich zäh und unerbittlich dem Erfolg ihres Sprößlings, und sie war aus­gefuchst.

«Ich war noch nie in Deutschland, Mutter.» Rainey und ihre Mama waren aufeinander eingespielt. Sie wußten nun beide, daß Seth dem Veranstalter berichten würde, es gäbe ernsthaftes Interesse.

Carmen beobachtete Rainey, als Seth mit Mrs. Rogers sprach. Ohne ihre Mutter war Rainey ganz in Ordnung, aber wenn sie mit ihrer Mutter aufkreuzte, war Vorsicht geboten. Raineys grimmige Entschlossenheit zermürbte jede Gegnerin. Raineys und Carmens Gewinn- und Verlustpunkte hielten sich ungefähr die Waage. Der Versuch, Rainey gern zu haben, war Carmen nie in den Sinn gekommen, denn sie näherte sich ihrer Konkurrenz nie emotional. Susan hatte sie das gelehrt.

«Was hältst du von Seth und seiner Firma?» fragte Miguel Ricky.

«Ach, ich weiß nicht recht, Miguel.» Ricky machte eine Pause. «Das Geld, das ins Tennis fließt, hat in vieler Hinsicht sein Gutes, aber ich habe so einige Vorbehalte. Wohl deshalb, weil ich mit Tennis als ländlichem Clubsport aufgewachsen bin. So halte ich zwar die Verbreitung für gesund, werde allerdings manchmal etwas nervös bei all der Propaganda.»

«Ich bin auch so aufgewachsen. Vater Perez, mein Jugendtrai­ner, sagte immer, Sport sei ein Test von Mann gegen Mann. Vater Perez meinte auch, die Spiele sollten der Ehre Gottes gewidmet sein. Das ist ja alles schön und gut, Rick, aber eine solche Anschauung muß man sich leisten können.»

«Sicher. Das war schon immer das Problem mit dem Tennis.»

«Dein Tennisschläger-Vertrag läuft am 1. Januar aus.» Seths Papiere stapelten sich säuberlich auf dem Kaffeetisch. Miguel saß seiner Schwester schräg gegenüber und hörte zu, wobei er Seth ansah.

«Das ist noch ein Jahr hin.»

«Wir sollten jetzt anfangen, darüber nachzudenken. Ich schätze, sie werden mit 200 000 Dollar für einen Drei-Jahres­Vertrag rüberkommen plus kräftiger Prämien, wenn du eins der Grand Slam-Turniere gewinnst; falls du den Grand Slam ge­winnst, beliefe sich das auf 750 000 Dollar.»