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»Ich sehe, dass du die Kochkunst meiner Frau zu schätzen weißt«, sagte Targan spöttisch. »Ich werde ihr ausrichten, wie sehr es dir gemundet hat.«

»Ich war... eigentlich gar nicht mehr hungrig«, sagte Arri hastig. »Aber die Suppe war sehr gut. Wirklich.«

Targans Blick ließ keinen Zweifel daran aufkommen, was er von dieser Behauptung hielt, doch sie las auch weiter nur gutmütigen Spott in seinen Augen, keinen wirklichen Ärger. Dennoch hatte sie plötzlich das Gefühl, vor Scham im Boden versinken zu müssen.

»Warum zeigst du Arianrhod nicht das Haus, Runa?«, fragte Lea plötzlich. »Ich bin sicher, sie hält es vor Neugier schon gar nicht mehr aus, alles zu sehen und kennen zu lernen.«

Das war so ungefähr das Allerletzte, wonach Arri in Wahrheit der Sinn stand, aber ihre Mutter ließ den fast entsetzen Blick unbeachtet, den sie ihr zuwarf, und winkte Targans Tochter im Gegenteil mit einer Handbewegung heran. »Und lasst euch ruhig Zeit«, sagte sie. »Dein Vater und ich haben eine Menge zu besprechen, und ich glaube nicht, dass Arri die ganze Zeit zuhören und sich langweilen will.«

Arri presste wütend die Lippen aufeinander, als sie hörte, wie ihre Mutter - und sie war sicher, ganz bewusst - in so herablassendem Ton sprach. Sie sagte nichts dazu, doch in Leas Augen blitzte es kurz und spöttisch auf. Nein, es war kein Zufall gewesen. Was hatte sie ihr eigentlich getan?

»Eine gute Idee«, lobte Targan. Wieder winkte er in Runas Richtung, ungeduldiger diesmal, denn das Mädchen hatte bisher keinerlei Anstalten gemacht, seiner Aufforderung nachzukommen, und es setzte sich auch jetzt mit sichtbarem Widerwillen in Bewegung. Targan runzelte flüchtig die Stirn, tat aber ansonsten so, als hätte er diesen kleinen Tribut an Runas Trotz nicht bemerkt, und auch Lea lächelte ihre eigene Tochter an und machte darüber hinaus ein Gesicht, als hätte sie ihr gerade eine ganz besonders große Freude bereitet. Arri versuchte, sie mit Blicken aufzuspießen, was ihre Mutter aber eher noch weiter zu amüsieren schien, woraufhin sich Arri noch einmal und mit einem Gefühl wachsender Frustration in Gedanken dieselbe Frage stellte: Was hatte sie ihrer Mutter eigentlich getan?

»Eigentlich bin ich müde«, sagte sie. »Ich würde lieber noch ein wenig hier sitzen bleiben und...«

»... dich zu Tode langweilen?« Lea schüttelte entschieden den Kopf. »Glaub mir, es gibt nichts Öderes auf der Welt, als dabei zuzusehen, wie jemand mit diesem zähen alten Burschen hier schachert.« Sie blinzelte Targan zu. »Targan behauptet zwar, jedermanns Freund zu sein, doch beim Handeln hört die Freundschaft für ihn auf.«

»Man muss sehen, wo man bleibt«, erwiderte Targan mit einem breiten Grinsen. »Ich habe eine große Familie und eine Menge Mäuler zu stopfen.«

»Ja«, pflichtete ihm Lea bei. »Und jedes Mal, wenn ich dich besuchen komme, scheinen es ein paar mehr geworden zu sein.« Sie grinste plötzlich genau so breit und anzüglich wie der große Mann, wurde aber gleich darauf wieder ernst und wandte sich mit gespieltem Verständnis an Arri. »Aber wahrscheinlich hast du Recht. Der Weg hierher war ziemlich anstrengend, und du musst müde sein. Geh nur. Runa wird dich auf dein Zimmer bringen und dafür sorgen, dass dich niemand stört.«

21

Runa und ihr vierbeiniger Begleiter hatten sie zurück in die Dachkammer gebracht, die Lea beschönigend als Zimmer bezeichnet hatte, für Arri aber nichts anderes als ein Gefängnis war. Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt, auf dem Weg nach oben, aber Arri hatte das schadenfrohe Grinsen auf Runas Gesicht regelrecht gespürt, obwohl sie hinter ihr ging. Wortlos hatte sie sie nach oben geführt und sich selbstverständlich auch nicht entblödet, einen anderen Weg zu nehmen als zuvor, sodass Arri in der nahezu vollkommenen Dunkelheit ununterbrochen irgendwo anstieß und sich zwar diesmal nicht den Kopf, wohl aber beide Schienbeine und das rechte Knie prellte und sich eine heftig brennende Schramme auf dem linken Handrücken zuzog. Sie verbiss sich jeden Schmerzenslaut und gab Runa auch nicht die Genugtuung, sich zu beschweren, aber sie verbrachte einen gut Teil der Zeit, die sie für den Weg nach oben brauchten, damit, sich alle möglichen hässlichen Dinge auszumalen, die sie ihr antun könnte.

Die kleine Öllampe, die sie zurückgelassen hatten, brannte noch immer, doch es war spürbar kälter geworden. Arri warf dem Mädchen zum Abschied einen giftigen Blick zu, bei dem sie sich allerdings selbst ziemlich albern vorkam. Runa reagierte auch gar nicht darauf, sondern ging wortlos hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Arri wartete einen Moment lang auf das Geräusch ihrer Schritte auf der Stiege. Es kam nicht, aber sie verzichtete auch darauf, sofort zur Tür zu gehen und sie wieder zu öffnen. Sie war ziemlich sicher, dass Runa draußen stand und nur darauf wartete, dass sie ganz genau das tat, und auch diese Genugtuung gönnte sie ihr nicht.

Stattdessen ging sie zu ihrer Matratze, setzte sich und wickelte sich so eng in ihren Umhang, wie sie konnte. Es half nicht viel. Es war mittlerweile so kalt hier drinnen, dass sie ihren eigenen Atem als grauen Dampf im blassen Licht der Lampe sehen konnte; aber sie hatte auch nicht vor, allzu lange so sitzen zu bleiben.

Um genau zu sein, wartete sie gerade so lange, wie sie es an Runas Stelle getan hätte, wäre sie draußen vor der Tür gewesen - und noch eine Winzigkeit länger -, dann stand sie auf, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und presste mit angehaltenem Atem das Ohr gegen das dünne Holz, um zu lauschen. Nichts. Arri gab noch ein halbes Dutzend Herzschläge zu, dann öffnete sie lautlos die Tür, trat in die vollkommene Dunkelheit hinaus und wäre um ein Haar kopfüber die Stufen hinuntergefallen, als sie über den Wolf stolperte, der unmittelbar hinter der Tür lag. Im letzten Augenblick gelang es ihr, die Arme auszustrecken und Halt an den rauen Wänden rechts und links zu finden, dann stolperte sie hastig einen Schritt zurück und ging dann tatsächlich ungeschickt zu Boden, denn der Wolf zeigte sich von ihrem Fußtritt wenig begeistert und schnappte knurrend nach ihr.

Mühsam rappelte Arri sich wieder hoch, machte abermals einen Schritt in Richtung Flur und blieb wieder stehen, als das Tier drohend die Zähne fletschte. Allerdings rührte es sich nicht von der Stufe weg, auf der es der Länge nach lag. Wenigstens war das dumme Vieh nicht hier, dachte Arri grimmig, um sie aufzufressen, sondern sollte offensichtlich nur dafür sorgen, dass sie das Zimmer nicht verließ.

Einen Moment lang spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, es einfach darauf ankommen zu lassen und auszuprobieren, wie ernst das Tier seine Aufgabe nahm, aber ein einziger weiterer Blick auf seine gefletschten Zähne ließ sie diesen Gedanken genauso schnell wieder verwerfen, wie er ihr gekommen war. Dieses Ungetüm würde seine Aufgabe ernst nehmen.

Übellaunig und in Wahrheit viel wütender auf sich selbst als auf Runa oder gar den Wolf, ging sie zu ihrem Lager zurück und wickelte sich abermals in ihren Umhang. Aus dem großen Abenteuer, als das sie diese Reise bisher trotz allem empfunden hatte, begann allmählich ein mindestens ebenso großer Albtraum zu werden.

Dennoch fühlte sie sich fast sofort schläfrig, kaum dass sie sich auf ihrem Lager ausgestreckt und den Umhang eng um sich gewickelt hatte. Ihre Mutter mochte wohl Recht haben, auch wenn sie das niemals offen zugegeben hätte: Die Reise war anstrengend gewesen, und sie war sehr müde. Jetzt, wo sie an ihrem Ziel angelangt waren, glaubte sie jeden Stein und jedes Kaninchenloch noch einmal zu spüren, über das die großen, hölzernen Räder des Wagens gerumpelt waren. Wahrscheinlich wäre es tatsächlich das Vernünftigste, dass sie versuchte zu schlafen, um morgen wenigstens einigermaßen ausgeruht zu sein, wenn sie sich auf den Rückweg machten.