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Die Zwerge stimmten ein munteres Marschlied an, und unter Trommelschlag schritten sie in die Dunkelheit.

Tirian und seine Freunde starrten ihnen nach. Dann sagte der König: »Kommt!«, und auch sie setzten ihren Weg fort.

Sie waren eine schweigsame Gesellschaft. Grauohr fühlte sich noch in Ungnade, außerdem verstand er nicht genau, was eigentlich geschehen war. Jutta hatte sich sehr über die Zwerge geärgert. Sie war aber auch beeindruckt von Eugens Sieg über den kalormenischen Soldaten und empfand nun eine gewisse Hochachtung für ihn. Was Eugen betrifft, so schlug sein Herz noch immer aufgeregt.

Tirian und Kleinod schritten traurig hinterher. Der König hatte seinen Arm auf die Schulter des Einhorns gelegt, und Kleinod beschnüffelte hin und wieder mit seiner weichen Nase die Wange des Königs. Es wäre ihnen schwergefallen, etwas Tröstliches mit Worten auszudrücken. Als der Affe einen falschen Aslan auf den Thron setzte, hatte Tirian nicht im Traum daran gedacht, daß die Leute nun nicht mehr an den richtigen Aslan glauben wollten. Er hatte gemeint, die Zwerge ständen auf seiner Seite, wenn er ihnen zeigte, wie sie betrogen worden waren. In der folgenden Nacht hätte er sie sowieso auf den Stallberg geführt und Grauohr dann allen zusammen gezeigt. Vielleicht noch ein Handgemenge mit den Kalormenen, dann wäre das ganze Trauerspiel für immer vorbei gewesen. Aber nun konnte Tirian nicht mehr damit rechnen. Ob sich die anderen Narnianen nicht ebenso verhielten wie die Zwerge?

»Ich glaube, jemand folgt uns«, meldete Grauohr plötzlich. Sie hielten an und lauschten. Grauohr hatte richtig gehört, hinter ihnen klang das Trapptrapp kleiner Füße.

»Wer kommt da?« rief der König.

»Nur ich, Majestät«, sprach eine Stimme. »Ich, der Zwerg Pogge. Ich kam noch glücklich von den anderen weg. Ich bin auf deiner Seite, Majestät, und auf der Aslans. Wenn du mir ein kleines Schwert in die Hand gibst, will ich mich gern für die richtige Seite einsetzen.«

Alle hießen Pogge herzlich willkommen, lobten ihn und klopften ihm auf den Rücken. Natürlich konnte ein einziger Zwerg nichts an der ganzen Sache ändern, aber es war schon erfreulich, noch eine Hilfe mehr zu haben. Die ganze Gesellschaft wurde heiter. Aber Jutta und Eugen blieben es nicht lange, denn sie gähnten allmählich aus vollem Hals und waren zu müde, um noch an etwas anderes als ans Bett zu denken.

In der kältesten Stunde der Nacht, kurz vor der Morgendämmerung, kamen sie zu ihrem Turm zurück. Hätte dort eine Mahlzeit für sie bereitgestanden, so hätten sie sich froh ans Essen gemacht, aber sie scheuten Mühe und Zeit, noch etwas zuzubereiten. So tranken sie aus dem Bach, besprühten ihre Gesichter mit Wasser und taumelten in ihre Betten. Nur Grauohr und Kleinod nicht; sie meinten, sie hätten es draußen bequemer. Mit einem Einhorn und einem dicken, ausgewachsenen Esel wäre der kleine Raum ohnehin überfüllt gewesen.

Die Narnianischen Zwerge, obwohl kaum vier Fuß hoch (nach unserer Berechnung sind das etwa 1,20 Meter) sind die zähesten und stärksten Wesen ihrer Art. Kein Wunder, daß Pogge trotz eines schweren Tages und einer langen Nacht völlig erfrischt vor den anderen erwachte. Er griff sofort nach Juttas Bogen, ging hinaus und schoß ein paar Wildtauben. Dann setzte er sich hin, rupfte sie auf der Türschwelle und plauderte mit Grauohr und Kleinod. Grauohr sah an diesem Morgen weit besser aus und fühlte sich auch so. Kleinod, eines der edelsten und taktvollsten Tiere, war sehr freundlich zu Grauohr. Sie sprachen über Dinge, die sie gemeinsam angingen und die beide verstanden, wie etwa Gras und Zucker und die Sorge um die Hufe.

Jutta und Eugen kamen um halb elf aus dem Turm heraus, sie gähnten und rieben sich die Augen. Der Zwerg zeigte ihnen die Stelle, wo sie eine Menge von dem ›Narnianischen Kraut‹ sammeln konnten, das fast wie unser Waldsauerampfer aussieht, aber ein gut Teil besser schmeckt, wenn es gekocht wird. Freilich braucht man dazu ein bißchen Butter und Pfeffer, aber das hatten sie nicht. Doch mit ein paar anderen Zutaten bereiteten sie einen großartigen Eintopf.

Tirian war mit einer Axt etwas weiter in den Wald hineingegangen und hatte einige Zweige zum Feuermachen mitgebracht. Das Essen kochte endlos, wie es schien, besonders da es immer besser duftete, je weiter es dem Ende zuging. Derweil suchte der König noch eine vollständige Ausstattung für Pogge: Panzerhemd, Helm, Schild, Schwert, Brustriemen und Dolch. Dann prüfte er das Schwert Eugens und stellte fest, daß er es nach dem Tode des Kalormenen schmutzig in die Scheide zurückgesteckt hatte. Eugen wurde dafür getadelt und mußte das Schwert säubern und blankputzen.

Geschäftig lief Jutta hin und her. Sie rührte im Topf und blickte neidisch auf den Esel und das Einhorn, die zufrieden grasten. Viel lieber hätte sie auf die lästige Kocherei verzichtet und einfach auch Gras gefuttert.

Aber als das Essen schließlich fertig war, fand jeder, es hätte sich doch gelohnt, darauf zuwarten. Nachdem jeder so viel gegessen hatte, wie er nur konnte, setzten sich die drei Menschen und der Zwerg auf die Türschwelle. Die Vierfüßler legten sich hin und blickten in die Runde. Der Zwerg zündete sich geruhsam eine Pfeife an (mit Erlaubnis von Jutta und Tirian), und der König sagte: »Nun, Freund Pogge, du weißt sicher mehr vom Feind als wir. Erzähl uns doch, was für eine Lügengeschichte sie aus meiner Flucht gemacht haben.«

»Eine ganz tolle Geschichte, Majestät, haben sich die Feinde da ausgedacht«, erklärte Pogge. »Der Kater Rotschopf hat sie erzählt und höchstwahrscheinlich auch etwas ausgeschmückt. Dieser Rotschopf, Majestät, der pfiffigste und schlauste aller Kater, sagte, er sei an dem Baum vorbeigekommen, wo jene Schufte Euer Majestät gefesselt hatten. Und er sagte, ihr hättet ganz furchtbar gebrüllt und geflucht und Aslan verwünscht in einer Sprache, die ich nicht wiederholen möchte. Dabei verhielt sich Rotschopf ruhig und gesittet; du kennst ja die feine Art, die solche Katzen an den Tag legen, wenn es ihnen so gefällt. Dann, erzählte Rotschopf, sei Aslan plötzlich in einem Blitz erschienen und hätte Euer Majestät mit einem Biß verschlungen. Bei diesem Bericht haben alle Tiere gezittert, und einige fielen in Ohnmacht. Das nutzte der Affe natürlich aus. Er rief: ›Da seht ihr, was Aslan mit denen tut, die ihn nicht achten. Laßt euch das allen eine Warnung sein.‹ Und die armen Geschöpfe jammerten und sagten zu allem: ›Ja, ja!‹ Die Flucht hat Euer Majestät also keine treuen Freunde gewonnen, die uns helfen wollen. Alle sind nur noch ängstlicher geworden und dem Affen gehorsam.«

»Was für eine üble Verdrehungskunst!« sagte Tirian. »Dieser Rotschopf ist also ein besonderer Freund im Rate des Affen.«

»Es ist noch die Frage, ob der Affe nicht etwa zu den Räten des Katers gehört«, entgegnete der Zwerg. »Der Affe hat sich dem Trunk ergeben. Ich glaube, die Verschwörung gegen dich wird mehr von Rotschopf geführt oder von Rischda – das ist ein kalormenischer Hauptmann. Ich denke, daß die Stimmung, die Rotschopf unter den Zwergen verbreitet hat, schuld ist an dem bösen Empfang, den sie dir machten. Ich will dir auch sagen, warum. Eines jener fürchterlichen Mitternachtstreffen war gerade in der vorletzten Nacht zu Ende gegangen, und ich war schon auf dem Heimweg. Da merkte ich, daß ich meine Pfeife zurückgelassen hatte. Ein wirklich gutes Stück, das ich ungern entbehre, und so ging ich zurück, um sie zu holen. Aber ehe ich an den Platz kam, an dem ich gesessen hatte (es war dort ziemlich finster), hörte ich das Miauen einer Katze und die Stimme eines Kalormenen ›hier‹ antworten mit der Mahnung ›sprich leise‹. Ich stand gleich still wie angewurzelt. Die beiden waren Rotschopf und Rischda Tarkhan, wie sie ihn nennen.

›Edler Tarkhan‹, sprach der Kater mit seiner seidigen Stimme. ›lch wollte nur genau wissen, was wir heute beide wegen Aslan meinten. Aslan ist also nicht mehr als Tasch?‹