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Er verscheuchte das lästige Flüstern mit einer Handbewegung, als wische er unsichtbare Spinnweben aus der Luft vor seinem Gesicht. Es war zu spät. Er hätte gar nicht mehr umkehren können; selbst, wenn er es gewollt hätte. Er wußte nicht, ob er es diesen Männern und Frauen wirklich schuldig war, ihre Leben zu retten. Aber er war es sich selbst schuldig.

Skar senkte den Blick und ging schnell, aber ohne sichtbare Hast weiter, als ihm schmerzhaft zu Bewußtsein kam, daß er schon viel zu lange reglos hier stand; sicherlich zehn Sekunden und somit eine Ewigkeit für jeden Quorrl, der ihn beobachten und sich fragen sollte, wer der nächtliche Besucher wohl war; und vor allem, was er hier tat. Er ging weiter, sich immer im Schatten des zweistöckigen Gebäudes haltend und so lautlos, daß nicht einmal er selbst seine eigenen Schritte hörte.

Trotzdem wäre er um ein Haar entdeckt worden.

Es waren seine Instinkte, die ihn retteten, nicht seine Vorsicht. Irgend etwas warnte ihn, Geräusche oder Bewegungen, die er unbewußt wahrnahm, Bruchteile von Sekunden, ehe sein Denken sie verarbeiten und darauf reagieren konnte, und Skar huschte mit einem blitzschnellen Schritt zur Seite und kauerte sich in den Schatten der Treppe, die zum Eingang von Crons Haus hinaufführte, mit angehaltenem Atem und den Mantel so weit über das Gesicht und die Hände gezogen, daß kein Fleckchen verräterischer heller Haut sichtbar war.

Beinahe im gleichen Augenblick wurde die Tür über ihm so wuchtig aufgestoßen, daß sie krachend gegen die Wand flog, und die Gestalten zweier Quorrl traten aus dem Haus und gingen die Treppe hinab. Einer von ihnen war Cron, der andere der Mann, den Titch den Bestimmer genannt hatte, auch wenn Skar immer noch nicht wußte, was sich hinter dieser Bezeichnung verbarg. Er kannte sein Gesicht nicht - trotz allem sah auch für Skar noch immer ein Quorrl wie der andere aus, vor allem in der Dunkelheit - aber er erkannte den buntbestickten schweren Mantel wieder, den der Reptilienmann trug, und vor allem die herrische Gestik und den scharfen, keinen Widerspruch duldenden Klang seiner Stimme.

Skar konnte nicht verstehen, was die beiden Quorrl redeten, denn sie bedienten sich eines Idioms, dessen kein Mensch auf Enwor mächtig war, schon, weil er nicht über die entsprechenden Stimmwerkzeuge verfügt hätte. Aber auch ohne daß er die Worte verstand, begriff er fast unmittelbar, daß Cron und der Bestimmer nicht mitten in der Nacht hier herausgekommen waren, um zu plaudern. Sie stritten. Und es war mehr als eine kleine Meinungsverschiedenheit. Es war ein erbitterter Streit, der so laut ausgetragen wurde, daß Skar jeden Moment damit rechnete, eine oder mehrere der schlafenden Gestalten auf dem Hof sich aufsetzen und in ihre Richtung blicken zu sehen; was unausweichlich zu seiner Entdeckung geführt hätte. Er befand sich zwar im toten Winkel unter der Treppe, so daß Cron und der Bestimmer ihn nicht sehen konnten, aber durch die offenstehende Tür fiel helles Licht, das die Schatten vertrieb, in denen er Schutz gesucht hatte. Vom Hof aus war er so deutlich zu sehen, als stünde er im hellen Sonnenschein.

Nach Sekunden, die für Skar zu Ewigkeiten wurden, bewegten sich die beiden Quorrl weiter, ohne mit ihrem Streit innezuhalten. Cron gestikulierte heftig, und seine Stimme wurde schriller, fast hysterisch; eine Regung, die Skar bei diesem Koloß von Quorrl nicht für möglich gehalten hatte, während der Bestimmer äußerlich ruhig blieb. Nur seine Stimme war laut und befehlend, und die kleinen Bewegungen seiner Hände und seines Kopfes und der Rhythmus seiner Schritte verrieten Skar, daß er innerlich vor Wut kochte.

Skar folgte den beiden Quorrl, als sie sich von ihm entfernten; schon, weil es Selbstmord gewesen wäre, im hellen Licht, das aus der Tür fiel, sitzen zu bleiben, aber nicht nur deswegen. Er erinnerte sich gut an die Ehrfurcht, die er in Titchs Stimme gehört hatte, und das Flackern von Angst in den Blicken der anderen Quorrl, als sie den Bestimmer sahen. Wenn es etwas gab, bei dem Cron und dieser mächtige Quorrl so unterschiedlicher Meinung waren, daß Cron ihm offenen Widerstand entgegenbrachte, mochte das von Nutzen sein. Ganz davon abgesehen, daß die Richtung, in der die beiden Quorrl gingen, ohnehin die einzige war, in die er sich bewegen konnte, wollte er nicht gesehen werden.

Sie näherten sich den Ställen, betraten sie aber nicht, sondern blieben vor der nur angelehnten Tür stehen. Crons Gestikulieren und Deuten wurde stärker, eindeutig zorniger, und als Skar sich den beiden weiter näherte - schon fast zu weit, als gut war, aber seine Neugier war plötzlich stärker als seine Vorsicht - sah er, daß der Quorrl auf die beiden großen, geschnitzten Truhen deutete, die die Begleiter des Bestimmers mitgebracht hatten. Der Bestimmer antwortete, jetzt im gleichen, wütenden Tonfall wie Cron, fast schreiend, und machte eine drohende Bewegung, als Cron die Hand nach einer der Kisten ausstreckte. Skar fragte sich, was sie enthalten mochten. Was immer sich hinter der geheimnisvollen Bezeichnung Bestimmer verbergen mochte - ein Steuereintreiber oder das quorrlsche Äquivalent dazu war er ganz bestimmt nicht. Aber er hatte das sichere Gefühl, daß das, was er sah, wichtig war; ungemein wichtig. Und vielleicht nicht nur für Titch und Kiina und ihn.

Trotzdem zwang er sich, wieder daran zu denken, warum er überhaupt hierhergekommen war. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Der Schlag, mit dem er Titch niedergestreckt hatte, war hart gewesen, aber der Quorrl hatte auch einen harten Schädel. Es würde nicht mehr lange dauern, und er würde aufwachen. Und Titch wäre nicht Titch, käme er nicht sofort hierher, um ihn aufzuhalten.

Behutsam kroch er ein Stück weit in den Schatten des Hauses zurück, richtete sich auf und ging weiter, nachdem er einen letzten, sichernden Blick in die Runde geworfen hatte. Er war dem Kerker jetzt nahe, aber sein Herz begann trotzdem ein wenig schneller zu schlagen, als er gezwungen war, aus dem Schatten des Wohngebäudes herauszutreten und den Hof zu überqueren; eine Strecke von vielleicht zwanzig Schritten, die für ihn aber zur Ewigkeit wurde, denn er hatte jetzt überhaupt keine Deckung mehr. Und das Mondlicht war viel zu hell. Selbst der betrunkendste Krieger mußte erkennen, daß sich unter dem schwarzen Mantel kein Quorrl, sondern eine viel kleinere und schlankere Gestalt verbarg.

Obwohl die Nacht so kühl war, daß er seinen eigenen Atem als blassen Dunst vor seinem Gesicht erkennen konnte, war er in Schweiß gebadet, als er die Tür erreichte. Er hatte sich weit genug in der Gewalt, dem Impuls zu widerstehen, sich noch einmal umzudrehen und sichernd auf den Hof zu schauen; aber er warf einen raschen Blick zurück, als er das Gebäude betreten hatte und die Tür hinter sich zuschob. Was er sah, hätte ihn beunruhigen müssen, aber das Gegenteil war der Fall. Alles war ruhig. Cron und der andere Quorrl stritten noch immer, aber keine der schuppigen Riesengestalten hatte sich gerührt, alles war unverändert und still. Aber es war auf eine ungute Art stilclass="underline" eine Ruhe, in der kein Frieden war, sondern die unsichtbar dräuenden Schatten einer unsichtbaren Bedrohung.

Skar verscheuchte auch diesen Gedanken, schob die Tür vollends ins Schloß und drehte sich wieder um. Fast in der gleichen Bewegung schlug er Mantel und Kapuze zurück und zog das Schwert. Das fast unhörbare Sirren, mit dem die rasiermesserscharfe Klinge aus der Scheide glitt, und das vertraute Gewicht der Waffe verfehlten ihre Wirkung ebenso wie die Stille draußen auf dem Hof.

Er sah sich um - das Gebäude war so leer und ruhig, daß er es schon bei seinem ersten, flüchtigen Blick während des Eintretens gesehen hatte - aber auch die Stille war hier... falsch. Eine einzelne, kleine Öllampe brannte, aber ihre Scheiben waren so verschmutzt, daß sie das Licht nur in schmalen, unregelmäßigen Streifen durchließ, die wie gelbe Messer in die schwarze Masse schnitten, mit der die Nacht den großen Raum ausfüllte. Dazwischen nisteten Schatten. Und in diesen Schatten war - Nichts! dachte Skar zornig. Hör auf, dich selbst verrückt zu machen!