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29.

Die Schmerzen waren unvorstellbar. In seinem Kopf loderte eine Sonne, und das Blut in seinen Adern hatte sich in flüssige Lava verwandelt. Ihm wurde wechselweise übel, heiß und kalt und schwindlig, und ein paarmal griff schwarze Bewußtlosigkeit nach seinen Gedanken und drohte ihn zu überwältigen. Aber Del war so sehr Satai wie Skar, und wie er hatte er gelernt, den Schmerz zu besiegen oder sich wenigstens mit ihm zu arrangieren, wenn er ihn schon nicht ignorieren konnte.

Es dauerte Minuten, aber er verlor nicht das Bewußtsein, und nach einer Weile hatte er seinen Körper wieder so weit unter Kontrolle, daß er daran gehen konnte, die schlimmsten Wunden zu versorgen, so daß er wenigstens nicht verbluten würde. Er wußte, daß er überleben würde. Sein Auge war zerstört, und die fürchterliche Narbe, die er zurückbehalten würde, würde ihn für den Rest seines Lebens daran erinnern, daß auch er nicht unbesiegbar war. Del war sich selbst gegenüber ehrlich genug, zuzugeben, daß er Skar nicht besiegt hatte. Es war Glück gewesen; eine Mischung aus Zufall und den romantischen Anwandlungen eines alten Narren. Skar hätte ihn töten können, hätte er es wirklich gewollt.

Zu seinem eigenen Erstaunen erfüllte ihn der Anblick des toten Satai nicht mit Triumph, sondern mit einem vagen Gefühl von Trauer. Er hatte ihn gehaßt, von dem Moment an, in dem er wie ein Gespenst aus einer längst vergessen geglaubten Vergangenheit aus dem Nichts wieder aufgetaucht war, und alles, was Skar seither getan hatte, hatte diesen Haß geschürt, denn er hatte sehr schnell begriffen, daß sein alter Lehrmeister vielleicht der einzige war, der ihre Pläne noch vereiteln konnte. Er hatte ihn gehaßt, und er haßte ihn noch, für das, was er getan hatte - und trotzdem empfand er keine Zufriedenheit bei dem Gedanken, ihn am Ende doch noch besiegt zu haben.

Sie waren einmal Freunde gewesen ...

Aber es ist zwanzig Jahre her! dachte er verwirrt. Und er hatte alles zerstört, worauf er sein Leben lang hingearbeitet hatte. Und trotzdem ...

Del verscheuchte diesen Gedanken, hob sein Schwert auf und wandte sich um, um den Raum zu verlassen. Sein Blick streifte noch einmal den toten Satai und blieb auf etwas Schmalem, Silbernem haften, das an seiner rechten Hand glänzte.

Zögernd wandte er sich um, ging in die Hocke und hob Skars Hand an.

Es war ein Ring.

Nicht irgendein Ring. Del erkannte den schmucklosen Silberring mit dem Schlangenmotiv sofort, obwohl er ihn noch nie zuvor im Leben gesehen hatte.

Es war der Ring der Margoi. Der Ring, der seinem Besitzer Macht über das Volk der Errish und all ihrer Verbündeten gab. Das Volk der Errish existierte nicht mehr, auch wenn die Rakete, die Elay hatte treffen sollen, ihr Ziel verfehlt hatte und die Stadt der Ehrwürdigen Frauen nur für wenige Jahre verseucht war, statt in einem nuklearen Feuerball zu verglühen - aber dieser Ring war trotzdem ein Schatz. Es gab noch Errish, hier und da, und vor allem: sie hatten Verbündete. Und er würde Verbündete brauchen, dringender als alles, denn Skar hatte recht gehabt mit dem, was er ihm prophezeite. Die Quorrl würden Cosh vom Antlitz dieses Planeten tilgen.

Er bog Skars Finger auseinander, streifte den Ring ab und versuchte ihn sich selbst anzustecken. Er paßte nicht. Selbst für seinen kleinen Finger war er zu schmal, also schob er ihn in eine Tasche seines Gürtels, wollte aufstehen und zögerte noch einmal. Vielleicht würde er sich später dafür selbst in Gedanken einen närrischen Trottel schimpfen, aber plötzlich ertrug er es nicht mehr, in Skars gebrochene Augen zu blicken. Er streckte die Hand aus, um sie zu schließen.

Er sah die Bewegung in den erstarrten Augen des Toten, aber seine Reaktion kam zu spät.

Titch warf sich auf ihn, riß ihn wie ein Kind in die Höhe und brach ihm mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung auch noch das unverletzte linke Handgelenk. Del brüllte vor Schmerz auf, dann wurden seine Schreie zu einem erstickten Keuchen, als der Quorrl ihn abermals in die Höhe und herumriß und ihn mit aller Kraft gegen die Wand schleuderte.

Del spürte, wie mehrere seiner Rippen unter dem Aufprall brachen. Er fiel zu Boden, krümmte sich und versuchte die Hände zu heben, als der Quorrl ihm mit einem Wutschrei nachsetzte, ein tobender Gigant, der die Fäuste geballt hatte und ihn mit einem einzigen Schlag zermalmen mußte.

»Halt!«

Titch erstarrte. Sein Gesicht loderte vor Haß, und seine Augen schienen zu brennen, aber er rührte sich nicht mehr von der Stelle, sondern stand einfach da, unglaublich groß, unglaublich mächtig, unglaublich drohend.

Eine zweite, sehr viel schmalere, kleinere Gestalt in einem zerfetzten schwarzen Mantel trat neben ihn. Ihre rechte Hand hielt ein Schwert, die linke den schlanken, silberfarbenen Zylinder mit der Scannerwaffe.

»Töte ihn nicht, Titch«, sagte Kiina. »Noch nicht.«

Del versuchte sich stöhnend aufzurichten, aber seine gebrochenen Handgelenke gaben unter dem Gewicht seines Körpers nach. Wimmernd wälzte er sich auf den Rücken, suchte mit den Füßen nach Halt und stemmte sich in einem fast unglaublichen Kraftakt in die Höhe, bis er gegen die Wand gelehnt dasaß.

Kiina starrte ihn an, und als Del in ihre Augen sah, vergaß er für einen Moment sogar die fürchterlichen Schmerzen und seine Angst. Kiinas Gesicht war leer, aber in ihren Augen war etwas auf entsetzliche Weise Vertrautes, das ihn innerlich zu Eis erfrieren ließ.

Und plötzlich begriff er, daß alles umsonst gewesen war. »Nein, Titch«, sagte Kiina noch einmal. »Töte ihn nicht. Er gehört mir.«

Del schürzte trotzig die Lippen, als Kiina Schwert und Scanner einsteckte und statt dessen einen Dolch zog. Er verlor fast den Verstand vor Angst, während sie sich vorbeugte und gleichzeitig Titch einen Wink gab, ihn festzuhalten, aber er schrie nicht einmal auf, als Titch bewußt viel heftiger als nötig Zugriff und ihm auch noch das Schlüsselbein brach. Zumindest diese letzte Genugtuung würde er ihnen nicht gönnen. Trotzdem hatte er sich nicht gut genug in der Gewalt, der schmalen Klinge in Kiinas Händen nicht aus einem weit aufgerissenen Auge zu folgen. Aber Kiinas Messer berührte nur seinen Gürtel und schnitt die kleine Tasche auf, in der er den Ring der Margoi verstaut hatte. Mit fast bedächtigen Bewegungen schob sie ihn auf ihre Hand, ballte die Faust und stand wieder auf. Dann ging sie zu Skar hinüber, kniete neben ihm nieder und berührte zärtlich seine Stirn mit der Hand. Ihr Gesicht war noch immer starr. Del entdeckte nicht die mindeste Spur von Trauer oder gar Zorn auf ihren Zügen. Und als sie nach einer Ewigkeit aufsah und wieder ihn anblickte, da lächelte sie sogar.

Und wieder - und wieder mit dem gleichen, grenzenlosen Schrecken wie beim ersten Mal - gewährte Del etwas Vertrautes in ihrem Blick. Etwas, das er kannte. Seit langer, langer Zeit kannte.

»Weißt du, Del«, sagte sie, »er hatte recht - ihr habt verloren. Ihr werdet immer verlieren, solange es Männer wie ihn gibt.«

»Ich habe ihn besiegt, oder?« antwortete Del trotzig.

»Besiegt?« Kiina schüttelte den Kopf. Das Lächeln in ihrem Blick erlosch. »O nein, Del. Das hast du nicht. Niemand konnte ihn besiegen. Du hast ihn getötet, aber selbst das nur, weil er es wollte.«

»Was für ein Unsinn«, sagte Del. »Sieh mich an. Er hat gekämpft wie nie zuvor, aber ich war besser.«

»Er hat jemanden gesucht, der ihn tötet«, sagte Kiina, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. »Und du warst der einzige, dem er es gestattet hätte.«

»Dann war er ein Narr!« sagte Del. »Wir werden gewinnen, du dummes Kind. Ihr könnt mich umbringen, aber nicht uns alle. Wir werden siegen. Es gibt keinen Wächter mehr.«