Выбрать главу

»Die Götter?« Titch lachte leise. »Du weißt ja nicht, was du da redest, Cron.«

»Dann erkläre es mir«, verlangte der Quorrl. Er zeigte nicht die mindeste Spur von Überraschung. Er hatte Titchs Bemerkung über die Götter durchaus gehört und als das eingestuft, was sie war: nämlich sehr viel mehr als eine bloße Redewendung, aber er wirkte nicht erschrocken oder auch nur irritiert, sondern bloß neugierig. Auf eine Art, dachte Skar, als wisse er mehr, als er bisher zugegeben hatte.

Und auch Titch schien das zu spüren, denn er zögerte merklich. Dann aber schüttelte er erneut und noch heftiger den Kopf und machte eine Geste zur Tür hin. »Verschwinden wir.«

»Nein«, sagte Skar zögernd. »Warte. Vielleicht... können wir ihm trauen.«

»Trauen?« Titch schrie fast. »Nach dem, was passiert ist?« Er warf Cron einen gleichermaßen verächtlichen wie mißtrauischen Blick zu. »Ich habe ihm nie wirklich getraut, Skar, so wenig wie er mir.«

»Warum seid ihr dann hier?« fragte Cron.

Titch fuhr herum. »Weil ich dich kenne, Cron«, sagte er. »Du haßt mich, fast so sehr wie ich dich. Aber noch mehr als mich haßt du die Herrscher in Ninga. Und du bist ein aufrechter Mann. Du würdest mir mit Freuden die Kehle durchschneiden - aber nicht, so lange du in meiner Schuld stehst. Und das tust du.«

»Vielleicht tue ich es immer noch.«

Titch lachte. »Nach dem, was heute nacht geschehen ist?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß nicht, warum Skar dir plötzlich traut - aber ich kenne dich besser.« Er wandte sich an Skar. Seine Stimme wurde fast beschwörend.

»Vielleicht ist dir nicht klar, was jetzt geschehen wird«, sagte er. »Aber sie werden den Tod dieser Krieger nicht hinnehmen. In drei Tagen, spätestens eine Woche, gibt es diesen Hof nicht mehr.«

»Ich weiß«, antwortete Skar. »Und es tut mir leid.«

»Das ist nicht nötig«, sagte Cron leise. Er deutete auf Skar. »Hätte er es nicht getan, dann hätte ich den Bestimmer erschlagen. Und die, die mit ihm gekommen sind.«

Skar wußte im ersten Moment nicht genau, was ihn mehr überraschte - das, was Crons Worte bedeuteten, oder der Umstand, daß der Quorrl wahrhaftig anzunehmen schien, er allein hätte dieses Massaker unter den Kriegern angerichtet.

Vielleicht hatte er es ja.

Er verscheuchte den Gedanken und wandte sich mit einem fragenden Blick an Cron. »Ich fürchte, ich... verstehe nicht, was du meinst«, sagte er unsicher. »Ich habe -«

Cron unterbrach ihn mit einer abgehackt wirkenden Handbewegung. »Ich weiß nicht, wer du bist, Satai«, sagte er. »Ich weiß nicht, was du bist. Aber ich weiß, was du getan hast. Und du weißt, was es bedeutet. Spiel nicht mit mir. Ich bin es müde, zu lügen.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, ließ er sich schwer gegen die geschnitzte Rückenlehne des Sessels fallen und seufzte; ein lang anhaltender, schmerzerfüllter Laut, der seine Erschöpfung deutlicher machte als alle Worte. »Ich habe gelogen, so lange ich denken kann, Satai«, flüsterte er, mit geschlossenen Augen und einer Stimme, die voller Bitterkeit und Schmerz war. »Mein ganzes Leben war eine Lüge. Ich bin eine Lüge.«

»Was soll das bedeuten?«

Cron öffnete mühsam die Augen und lachte. »Frag deinen Freund, Satai. Er kann es dir erklären. Er weiß es. Ich glaube, er weiß es schon lange. Nicht wahr, Titch?«

Titch nickte. »Schon als ich dich das erste Mal sah. Schon vorher.«

»Und trotzdem hast du geschwiegen?«

Titch wollte antworten, aber Cron machte eine Handbewegung, zu schweigen, und drehte sich wieder zu Skar um. »Die Zeit der Lügen ist vorbei, Satai. Sie werden kommen und mich töten, mich und alle anderen. Dein Freund hat recht - in ein paar Tagen wird es diesen Hof nicht mehr geben, und an Cron wird nur noch eine verbrannte Ruine erinnern; und vielleicht die Narben, die ich ihnen schlagen werde, ehe sie mich töten. Aber es spielt keine Rolle mehr. Es ist gut so, wie es gekommen ist. Vielleicht haben die Götter dich zu mir geschickt, vielleicht der Teufel. Du bist nun einmal da, und was du getan hast, ist getan worden. Vielleicht wurdest du gesandt, um das zu tun, wozu ich zu feige war.«

»Was zu tun?« fragte Titch betont.

»Ihn zu erschlagen!« antwortete Cron mit unerwarteter Heftigkeit. »Diesen verdammten Tyrannen in Ninga seinen Kopf zu schicken, als die Antwort, die ihnen gebührt.«

Skar sah überrascht zu Titch, aber auch dem Quorrl schien der Sinn dieser Worte nicht ganz klar. Er deutete ein Achselzucken an und machte eine fast hilflose Handbewegung, ehe er sich wieder an Cron wandte: »Du meinst den -«

»Den Bestimmer!« antwortete Cron heftig. Er spie das Wort aus wie eine Beschimpfung. »Dieser verdammte Tyrann, der sich als Gott dünkt. Mein Leben lang habe ich unter ihm gelitten, wie alle anderen. Aber ich war zu feige, mich zu wehren. Ihr glaubt, ihr hättet mein Leben zerstört? Das habt ihr nicht. Ihr habt nur getan, wozu ich nicht den Mut hatte. Wenn ich sterbe, dann ist es die gerechte Strafe der Götter für meine Feigheit.«

»Sie sind nicht gerecht«, sagte Skar. Titch fuhr abermals zusammen, und diesmal war in seinem Blick viel mehr Zorn als Warnung, aber Cron schien die Bemerkung überhört zu haben. »Krieger!« stieß er hervor. »Weißt du, was er von mir verlangt hat? Er wollte Krieger! Die Brut eines Jahres, damit sie ihr verdammtes Heer auffrischen können. Wir brauchen Männer und Frauen, die auf den Feldern arbeiten. Die Häuser bauen und Krankheiten heilen und das Vieh hüten, und sie wollen Krieger. Immer nur Krieger!«

Skar verstand nicht ein Wort. Sein Blick irrte verstört zwischen Cron und Titchs Gesicht hin und her, und was er auf den Zügen des Quorrl-Kriegers las, steigerte seine Verwirrung noch mehr. Titch wirkte erschrocken, ja, fast entsetzt, und plötzlich erinnerte sich Skar wieder einer Bemerkung, die Titch irgendwann einmal gemacht hatte, ohne daß er ihren wahren Sinn - oder zumindest ihre Tragweite - wirklich begriffen hatte: Wir werden als Krieger gezeugt, Skar.

»Krieger!« sagte Cron noch einmal. »Unser Volk blutet aus. Unsere Kinder hungern, weil nicht genug Männer und Frauen da sind, um die Felder zu bestellen, und aus den eisigen Bergen des Nordens rücken die Ungeheuer näher, weil es keine Jäger mehr gibt, sie im Zaum zu halten. Krankheiten breiten sich aus, weil unsere Heiler sterben, aber es gibt keine neuen. Und sie wollen Krieger von mir!«

»Aber der Bestimmer -«, begann Titch, um sofort wieder von Cron unterbrochen zu werden.

»Der Bestimmer!« brüllte der Quorrl. »Ich habe gefleht, gebettelt, gedroht. Ich habe ihm den Hof gezeigt. Die Greise, die die Arbeit von Männern verrichten müssen. Die Felder, die veröden, und die Ernten, die das Ungeziefer auffrißt, weil keiner mehr da ist, sie einzubringen! Er hat nur gelacht.«

Skar erinnerte sich des heftigen Streites zwischen Cron und dem in dem buntbestickten Mantel. Jetzt wußte er wenigstens, worum es dabei gegangen war. Nur verstand er es nicht. Jedes Wort, das Cron sprach, steigerte seine Verwirrung eher noch. Mit einer hilflosen Geste wandte er sich an Titch. »Wovon redet er?«

»Später«, sagte Cron rasch. »Er kann dir alles erklären. Der Weg, der vor euch liegt, ist weit genug, und ihr werdet froh sein, etwas zum Reden zu haben. Jetzt ist keine Zeit.«

»Welcher Weg?« fragte Titch.

Cron lachte leise. »In die Höhlen von Caran.«

Was immer sich hinter diesem Namen verbarg - es reichte aus, Titch unter seinem Schuppenpanzer erbleichen zu lassen. »Du -«

»Ich«, unterbrach ihn Cron mit erhobener Stimme und Hand, »bin vielleicht ein Feigling, Titch, aber ich bin nicht halb so dumm, wie du glaubst.« Er lachte hart. »Ich habe die Lügengeschichte, die du mir aufgetischt hast, keine Sekunde lang geglaubt. Ich bin selbst ein zu guter Lügner, um die Unwahrheit nicht zu erkennen, wenn ich sie höre. Vor allem, wenn sie von einem kommt, der das Lügen so wenig gewohnt ist wie du, Titch.« Er beugte sich leicht im Sessel vor und deutete mit der Hand auf Skar. »Ihr wollt nach Ninga, du und dieser Satai und das Menschenjunge, das euch begleitet. Ich weiß nicht, was ihr dort wollt, und ich denke, es ist vielleicht sogar besser, wenn ich es nicht weiß. Aber ich weiß, daß ihr ganz bestimmt nicht dorthin wollt, weil du deine Familie suchst, Titch. Und diese beiden sind nicht bei dir, weil du irgendein närrisches Gelübde abgelegt hast.«