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Verrina. Das ist der Ort.

Bourgognino. Der schrecklichste, den du auffinden konntest. Vater, wenn Das, was du hier vornehmen wirst, dem Orte gleich sieht, Vater, so werden meine Haarspitzen aufwaerts springen.

Verrina. Doch bluehet das, gegen die Nacht meiner Seele. Folge mir dahin, wo die Verwesung Leichname morsch frisst, und der Tod seine schaudernde Tafel haelt-dahin, wo das Gewinsel verlorner Seelen Teufel belustigt, und des Jammers undankbare Thraenen im durchloecherten Sieb der Ewigkeit ausrinnen-dahin, mein Sohn, wo die Welt ihre Losung aendert, und die Gottheit ihr allguetiges Wappen bricht-dort will ich zu dir durch Verzerrungen sprechen, und mit Zaehneklappern wirst du hoeren.

Bourgognino. Hoeren? Was? ich beschwoere dich.

Verrina. Juengling! ich fuerchte-Juengling, dein Blut ist rosenroth-dein Fleisch ist milde geschmeidig; dergleichen Naturelle fuehlen menschlich weich; an dieser empfindenden Flamme schmilzt meine grausame Weisheit. Haette der Frost des Alters oder der bleierne Gram den froehlichen Sprung deiner Geister gestellt-haette schwarzes, klumpigtes Blut der leidenden Natur den Weg zum Herzen gesperrt, dann waerst du geschickt, die Sprache meines Grams zu verstehen und meinen Entschluss anzustaunen.

Bourgognino. Ich werde ihn hoeren und mein machen.

Verrina. Nicht darum, mein Sohn-Verrina wird damit dein Herz verschonen. O Scipio, schwere Lasten liegen auf dieser Brust-ein Gedanke, grauenvoll, wie die lichtscheue Nacht-ungeheuer genug, eine Mannsbrust zu sprengen-Siehst du? Allein will ich ihn vollfuehren-allein tragen kann ich ihn nicht. Wenn ich stolz waere, Scipio, ich koennte sagen, es ist eine Qual, der einzige grosse Mann zu sein-Groesse ist dem Schoepfer zur Last gefallen, und er hat Geister zu Vertrauten gemacht-Hoere, Scipio-Bourgognino. Meine Seele verschlingt die deinige.

Verrina. Hoere, aber erwiedre nichts. Nichts, junger Mensch! Hoerst du? Kein Wort sollst du drauf sagen-Fiesco muss sterben!

Bourgognino (mit Bestuerzung). Sterben? Fiesco?

Verrina. Sterben!-Ich danke dir, Gott! es ist heraus-Fiesco sterben, Sohn, sterben durch mich!-Nun geh-es gibt Thaten, die sich keinem Menschen-Urtheil mehr unterwerfen-nur den Himmel zum Schiedsmann erkennen-Das ist eine davon. Geh. Ich will weder deinen Tadel, noch deinen Beifall. Ich weiss, was sie mich kostet, und damit gut. Doch hoere-du koenntest dich wohl gar wahnsinnig daran denken-Hoere-sahest du ihn gestern in unsrer Bestuerzung sich spiegeln?-Der Mann, dessen Laecheln Italien irre fuehrte, wird er seines Gleichen in Genua dulden?-Geh. Den Tyrannen wird Fiesco stuerzen, das ist gewiss! Fiesco wird Genuas gefaehrlichster Tyrann werden, das ist gewisser! (Er geht schnell ab. Bourgognino blickt ihm staunend und sprachlos nach, dann folgt er ihm langsam.)

Zweiter Auftritt

Saal bei Fiesco.

In der Mitte des Hintergrunds eine grosse Glasthuere, die den Prospect ueber das Meer und Genua oeffnet. Morgendaemmerung.-Fiesco vom Fenster.

Was ist das?-der Mond ist unter-Der Morgen kommt feurig aus der See-Wilde Phantasieen haben meinen Schlaf aufgeschwelgt-mein ganzes Wesen krampfig um eine Empfindung gewaelzt-Ich muss mich im Offenen dehnen. (Er macht die Glasthuere auf. Stadt und Meer von Morgenroth ueberflammt. Fiesco mit starken Schritten im Zimmer.) Dass ich der groesste Mann bin im ganzen Genua? und die kleineren Seelen sollten sich nicht unter die grosse versammeln?-Aber ich verletze die Tugend? (steht still.) Tugend?-Der erhabene Kopf hat andre Versuchungen, als der gemeine-Sollt' er Tugend mit ihm zu theilen haben?-Der Harnisch, der des Pygmaeen schmaechtigen Koerper zwingt, sollte der einem Riesenleib anpassen muessen?

Die Sonne geht auf ueber Genua.

Diese majestaetische Stadt! (Mit offenen Armen dagegen eilend.) Mein! -und drueber emporzuflammen, gleich dem koeniglichen Tag-drueber zu brueten mit Monarchenkraft-all die kochenden Begierden-all die nimmersatten Wuensche in diesem grundlosen Ocean unterzutauchen?- Gewiss! Wenn auch des Betruegers Witz den Betrug nicht adelt, so adelt doch der Preis den Betrueger. Es ist schimpflich, eine Boerse zu leeren-es ist frech, eine Million zu veruntreuen, aber es ist namenlos gross, eine Krone zu stehlen. Die Schande nimmt ab mit der wachsenden Suende. (Pause, dann mit Ausdruck.) Gehorchen!- Herrschen!-ungeheure schwindlichte Kluft-Legt Alles hinein, was der Mensch Kostbares hat-eure gewonnenen Schlachten, Eroberer- Kuenstler, eure unsterblichen Werke-eure Wollueste, Epikure-eure Meere und Inseln, ihr Weltumschiffer! Gehorchen und Herrschen!- Sein und Nichtsein! Wer ueber den schwindlichten Graben vom letzten Seraph zum Unendlichen setzt, wird auch diesen Sprung ausmessen. (Mit erhabenem Spiel.) Zu stehen in jener schrecklich erhabenen Hoehe-niederzuschmollen in der Menschlichkeit reissenden Strudel, wo das Rad der blinden Betruegerin Schicksale schelmisch waelzt- den ersten Mund am Becher der Freude-tief unten den geharnischten Riesen Gesetz am Gaengelbande zu lenken-schlagen zu sehen unvergoltene Wunden, wenn sein kurzarmiger Grimm an das Gelaender der Majestaet ohnmaechtig poltert-die unbaendigen Leidenschaften des Volks, gleich so viel strampfenden Rossen, mit dem weichen Spiele des Zuegels zu zwingen-den emporstrebenden Stolz der Vasallen mit einem-einem Athemzug in den Staub zu legen, wenn der schoepferische Fuerstenstab auch die Traeume des fuerstlichen Fiebers ins Leben schwingt.-Ha! welche Vorstellung, die den staunenden Geist ueber seine Linien wirbelt!-Ein Augenblick Fuerst hat das Mark des ganzen Daseins verschlungen. Nicht der Tummelplatz des Lebens-sein Gehalt bestimmt seinen Werth. Zerstuecke den Donner in seine einfachen Silben, und du wirst Kinder damit in den Schlummer singen; schmelze sie zusammen in einen ploetzlichen Schall, und der monarchische Laut wird den ewigen Himmel bewegen-Ich bin entschlossen! (Heroisch auf und nieder.)

Dritter Auftritt

Voriger. Leonore tritt herein mit merklicher Angst.

Leonore. Vergeben Sie, Graf. Ich fuerchte, Ihre Morgenruhe zu stoeren.

Fiesco (tritt hoechst betreten zurueck.) Gewiss, gnaedige Frau, Sie ueberraschen mich seltsam.

Leonore. Das begegnet nur den Liebenden nie.

Fiesco. Schoene Graefin, Sie verrathen Ihre Schoenheit an den feindlichen Morgenhauch.

Leonore. Auch wuesst' ich nicht, warum ich den wenigen Rest fuer den Gram schonen sollte.

Fiesco. Gram, meine Liebe? Stand ich bisher im Wahn, Staaten nicht umwuehlen wollen, hiesse Gemuethsruhe?

Leonore. Moeglich-Doch fuehl' ich, dass meine Weiberbrust unter dieser Gemuethsruhe bricht. Ich komme, mein Herr, Sie mit einer nichtsbedeutenden Bitte zu belaestigen, wenn Sie Zeit fuer mich wegwerfen moechten. Seit sieben Monaten hatt' ich den seltsamen Traum, Graefin von Lavagna zu sein. Er ist verflogen. Der Kopf schmerzt mir davon. Ich werden den ganzen Genuss meiner unschuldigen Kindheit zurueckrufen muessen, meine Geister von diesem lebhaften Phantome zu heilen. Erlauben Sie darum, dass ich in die Arme meiner guten Mutter zurueckkehre?

Fiesco (aeusserst bestuerzt). Graefin?

Leonore. Es ist ein schwaches, verzaerteltes Ding, mein Herz, mit dem Sie Mitleiden haben muessen. Auch die geringsten Andenken des Traums koennten meiner kranken Einbildung Schaden thun. Ich stelle desswegen die letzten ueberbliebenen Pfaender ihrem rechtmaessigen Besitzer zurueck. (Sie legt einige Galanterieen auf ein Tischchen.) Auch diesen Dolch, der mein Herz durchfuhr-(seinen Liebesbrief) auch diesen-und (indem sie sich laut weinend hinausstuerzen will) behalte nichts, als die Wunde!