Выбрать главу

Das war’s dann.

Ich ging zum Auto zurück, setzte mich hinters Steuer und machte meine Jacke auf. Es ging mir gut. Sogar sehr gut. Der Anführer der beiden Vampire war tot, seine Freundin würden unsere Leute einfangen, der Junge lebte.

Der Chef würde zufrieden sein!

Zwei

»Pfusch!«

Ich versuchte etwas einzuwenden, doch der nächste Ausruf, der knallend wie eine Ohrfeige kam, verschloss mir den Mund.

»Schlamperei!«

»Aber…«

»Ist dir wenigstens klar, was du alles falsch gemacht hast?«

Der Chef hörte sich nicht mehr ganz so aufgebracht an, sodass ich es wagte, den Blick zu heben.»Im Großen und Ganzen…«, brachte ich vorsichtig hervor.

Ich halte mich gern im Zimmer des Chefs auf. Irgendetwas Kindliches wird in mir angesprochen, wenn ich all die komischen Sachen sehe, die in Vitrinen hinter Panzerglas stehen, an den Wänden hängen, in wüstem Durcheinander auf dem Tisch herumliegen und sich mit Disketten und Geschäftsunterlagen zu einem Ganzen fügen. Angefangen bei dem alten japanischen Fächer bis hin zu jenem verbogenen Stück Metall mit dem aufgesetzten Elch, dem Emblem eines Autoherstellers, gibt es zu jedem Stück eine Geschichte. Wenn der Chef bei Laune ist, weiß er die kuriosesten Dinge zu erzählen.

Nur dass ich ihn selten in dieser Stimmung erwische.

»Gut.«Der Chef hörte auf, durchs Zimmer zu tigern, nahm in einem Ledersessel Platz und zündete sich eine Zigarette an.»Dann fang mal an.«

Seine Stimme hatte einen sachlichen Ton angenommen, passend zu seiner äußeren Erscheinung. Für ein menschliches Auge wirkte er wie ein Vierzigjähriger und gehörte jener schmalen Mittelschicht von Geschäftsleuten an, auf die die Regierung so gern ihre Hoffnungen setzt.

»Womit?«, fragte ich, wobei ich es riskierte, mir eine weitere klug abgewogene Beurteilung meiner Person einzufangen.

»Mit der Auflistung der Fehler. Deiner Fehler.«

Das heißt also… Gut.»Mein erster Fehler, Boris Ignatjewitsch«, fing ich mit Unschuldsmiene an,»bestand darin, dass ich meine Aufgabe falsch verstanden habe.«

»Ah ja?«, hakte der Chef nach.

»Nun, ich habe gedacht, dass ich den Vampir ausfindig machen sollte, der seit kurzem in Moskau auf Jagd ging. Ihn ausfindig und… äh… unschädlich machen.«

»Nur weiter…«, spornte der Chef mich an.

»Eigentlich sollte mit der Aufgabe aber meine Eignung für die operative Arbeit und den Außendienst getestet werden. Da ich von einer falschen Einschätzung meiner Aufgabe ausging, genauer gesagt, da ich nach dem Prinzip abgrenzen und schützen handelte…«

Der Chef seufzte und nickte. Jemand, der ihn nicht so gut kannte wie ich, hätte vermutlich gedacht, er sei verlegen.

»Hast du dieses Prinzip denn verletzt?«

»Nein. Und deshalb habe ich das Ganze ja vermasselt.«

»Und wie?«

»Gleich am Anfang…«Mein Blick streifte eine ausgestopfte Schnee-Eule, die in einer Vitrine stand. Hatte sie gerade den Kopf bewegt oder nicht?»Gleich am Anfang habe ich mein Amulett bei dem missglückten Versuch, einen schwarzen Strudel zu neutralisieren, entladen…«

Boris Ignatjewitsch verzog das Gesicht. Er strich sich das Haar glatt.»Gut, fangen wir damit an. Ich habe mir die Form genau angeschaut, und wenn du nicht übertrieben hast…«

Empört schüttelte ich den Kopf.

»Ich glaube dir ja. Also, gegen einen derartigen Strudel kommt man mit einem Amulett nicht an. Kannst du dich noch an die Klassifikation erinnern?«

Mist! Warum hatte ich mir bloß nicht noch einmal die alten Unterlagen vorgenommen?

»Ich bin mir sicher, dass du sie nicht im Kopf hast. Das spielt aber keine Rolle, denn dieser Strudel fällt völlig aus dem Schema heraus. So oder so wäre es dir nicht gelungen, mit ihm fertig zu werden…«Der Chef beugte sich über den Tisch zu mir herüber und sagte in verschwörerischem Flüsterton:»Und weißt du was…«

Ich horchte auf.

»Mir auch nicht, Anton.«

Dieses Geständnis kam unerwartet, und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Zwar sprach niemand laut die Ansicht aus, der Chef bringe absolut alles fertig, dennoch hegten alle Mitarbeiter des Büros diese Überzeugung.

»Anton, einen Strudel von solcher Kraft… kann nur der Urheber vernichten.«

»Dann müssen wir ihn finden…«, bemerkte ich unsicher.»Nicht auszudenken, wenn der Frau…«

»Um sie geht es gar nicht. Zumindest nicht um sie allein.«

»Wieso denn nicht?«, platzte ich heraus und schob rasch hinterher:»Müssen wir einem Dunklen Magier das Handwerk legen?«

Der Chef seufzte.»Womöglich hat er eine Lizenz. Womöglich hat er das Recht, sie mit dem Fluch zu belegen… Doch es geht noch nicht einmal um den Magier. Ein schwarzer Strudel von derartiger Kraft… Erinnerst du dich noch an den Flugzeugabsturz im letzten Winter?«

Ich erschauerte. Nachlässigkeit brauchten wir uns nicht vorzuwerfen, das Unglück ließ sich wohl eher auf eine Gesetzeslücke zurückführen: Der Pilot, der mit dem Fluch belegt worden war, hatte die Kontrolle über das Flugzeug verloren, das dann über der Stadt abgestürzt war. Hunderte von unschuldigen Menschenleben…

»Solche Strudel können nicht gezielt eingesetzt werden. Die Frau ist dem Tode geweiht, aber ihr wird kein Dachziegel auf den Kopf fallen. Eher stürzt das ganze Haus ein, bricht eine Epidemie aus, wird zufälligerweise eine Atombombe über Moskau abgeworfen. Darin besteht das Unglück, Anton.«

Der Chef drehte sich plötzlich um und warf einen vernichtenden Blick auf die Eule. Rasch legte sie die Flügel an, während das Funkeln in den Glasaugen erlosch.

»Boris Ignatjewitsch…«, sagte ich entsetzt.»Das ist meine Schuld…«

»Sicher ist es das. Dich rettet nur noch eins, Anton.«Der Chef räusperte sich.»Indem du Mitleid gezeigt hast, hast du genau das Richtige getan. Das Amulett konnte den Wirbel nicht vollständig zerschlagen, hat aber den Ausbruch des Infernos noch einmal hinausgezögert. Damit haben wir einen Tag gewonnen… vielleicht sogar zwei. Ich war schon immer der Ansicht, dass unüberlegtes, doch gut gemeintes Handeln mehr Nutzen bringt als überlegtes, aber grausames. Hättest du das Amulett nicht eingesetzt, läge bereits halb Moskau in Schutt und Asche.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Dieses arme Mädchen suchen. Es beschützen… so weit es in unseren Kräften steht. Wir können den Wirbel noch ein-, zweimal destabilisieren. In dieser Zeit müssen wir den Magier finden, der für den Fluch verantwortlich ist, und ihn zwingen, den Wirbel aufzulösen.«

Ich nickte.

»An der Suche werden sich alle beteiligen«, sagte der Chef wie nebenbei.»Ich habe unsere Leute aus dem Urlaub zurückgerufen. Gegen Morgen treffen Ilja und Semjon aus Ceylon ein, gegen Mittag die übrigen. Das Wetter in Europa ist schlecht, ich habe die Kollegen aus dem Europabüro um Hilfe gebeten, aber noch sind sie dabei, die Wolken auseinander zu treiben…«

»Gegen Morgen?«Ich sah auf die Uhr.»Das ist noch einen Tag hin.«

»Nein, heute Morgen«, erwiderte der Chef, ohne sich um die mittägliche Sonne zu scheren, die durchs Fenster schien.»Du wirst dich auch auf die Suche machen. Vielleicht gelingt es dir noch einmal… Wollen wir jetzt deine anderen Fehler durchgehen?«

»Lohnt denn diese Zeitverschwendung?«, fragte ich schüchtern.

»Keine Angst, wir verschwenden keine Zeit.«Der Chef erhob sich, ging zu der Vitrine, entnahm ihr die ausgestopfte Eule und pflanzte sie auf den Tisch. Aus der Nähe betrachtet, konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass sie tatsächlich ausgestopft war, dass in ihr nicht mehr Leben steckte als in einem Pelzkragen…»Kommen wir zu den Vampiren und ihrem Opfer.«