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«Erstens: Jeder muss Block und Kugelschreiber für Notizen bereithalten. Zweitens: Wer eine Frage stellt oder beantwortet, muss aufstehen und sich neben seinen Stuhl stellen. Drittens: Jede Frage oder Antwort beginnt mit den Worten >Mister Ross<. Ist das klar?«Alle nickten.

«Gut«, sagte Mr. ROSS.»Brian, wer war britischer Premierminister vor Churchill?«

Brad blieb sitzen und kratzte sich hinter dem Ohr.»Hm, war das nicht. «

Doch ehe er mehr sagen konnte, unterbrach ihn Ben.»Falsch, Brad. Du hast die Regeln schon wieder vergessen, die ich gerade aufgestellt habe. «Er blickte zu Robert hinüber.»Robert, zeige du Brad, wie man eine Frage richtig beantwortet.«

Sofort stand Robert straff aufgerichtet neben seinem Stuhl.»Mister ROSS!«

«Richtig!«bestätigte der Lehrer.»Danke, Robert!«»Ach, das ist doch blöd!«murrte Brad.»Aber bloß, weil du es nicht richtig gemacht hast«, sagte einer.

«Brad«, wiederholte Ben ROSS,»wer war Premierminister vor Churchill?«

Diesmal stand Brad auf.»Mister ROSS, es war, hm, Premierminister, ich glaube..«

«Du bist noch zu langsam, Brad«, erklärte der Lehrer.»Von jetzt an antwortet jeder so kurz wie möglich, und ihr spuckt die Antwort förmlich aus, sobald ihr gefragt werdet. Versuch es noch einmal, Brad!«Diesmal sprang Brad auf.»Mister ROSS, Chamberlain!«Ben nickte zustimmend.»Jawohl, so beantwortet man Fragen.

Schnell, präzise und mit Nachdruck. Andrea, in welches Land fiel Hitler im September 1939 ein?«Die Ballett-Tänzerin Andrea stand steif neben ihrem Stuhl.

«Mister ROSS, ich weiß es nicht. «Mr. ROSS lächelte.»Trotzdem ist es eine gute Antwort, weil du die richtige Form gewählt hast. Amy, weißt du es?«

Amy sprang auf.»Mister ROSS, Polen!«»Ausgezeichnet«, sagte Ben.»Brian, wie hieß Hitlers politische Partei?«Brian stand schnell auf.»Mister ROSS, die Nazis.«

Mister ROSS nickte.»Das war gut, Brian. Sehr schnell. Weiß aber auch jemand den offiziellen Namen der Partei? Laurie?«

Laurie Saunders stellte sich neben ihren Stuhl.»Die Nationalsozialistische..«

«Nein!«unterbrach sie der Lehrer scharf und schlug mit einem Lineal auf sein Pult.

«Noch einmal, aber korrekt, bitte ich mir aus!«

Laurie setzte sich, und ihr Gesicht verriet ihre Verwirrung. Was hatte sie denn falsch gemacht? David beugte sich zu ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie stand wieder auf.»Mister ROSS, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.«»Richtig«, bestätigte Ben. Er stellte noch viele Fragen, und immer sprangen seine Schüler auf und bewiesen, dass sie nicht nur die richtigen Antworten kannten, sondern auch die Form beherrschten, in der sie zu geben waren. Es herrschte eine völlig andere Atmosphäre als sonst in der Klasse, doch weder Ben noch seine Schüler dachten darüber nach. Sie waren viel zu sehr in dieses neue Spiel versunken.

Geschwindigkeit und Genauigkeit der Fragen und Antworten wirkten irgendwie erheiternd. Ben schwitzte schon bald, während er eine Frage der anderen nachjagte und die Schüler aufsprangen und wie aus der Pistole geschossen antworteten.

«Peter, von wem stammte der Vorschlag zum Leih-Pacht-System im Zweiten Weltkrieg?«»Mister ROSS, von Roosevelt.«»Richtig. Eric, wer starb in den Todeslagern?«»Mister ROSS, die Juden!«»Noch jemand, Brad?«

«Mister ROSS, Zigeuner, Homosexuelle, Geisteskranke.«»Amy, warum wurden sie ermordet?«

«Mister ROSS, weil sie nicht zur Herrenrasse gehörten.«»Richtig. David, wer befehligte die Todeslager?«»Mister ROSS, die SS!«»Ausgezeichnet!«

Kapitel 6

Was am nächsten Tag geschah, empfand Ben als völlig ungewöhnlich. Diesmal kamen seine Schüler nicht nach dem Läuten allmählich in die Klasse geschlendert, sondern er selbst kam zu spät. Er hatte seine Notizen für den Unterricht und ein Buch über Japan im Wagen vergessen und musste vor Stundenbeginn noch einmal zum Parkplatz laufen. Als er dann in die Klasse stürzte, erwartete er, eine Art Irrenhaus vorzufinden, doch er erlebte eine Überraschung.

Im Klassenzimmer standen fünf säuberliche Tischreihen von je sieben Tischen, und an jedem Platz saß ein Schüler in der steifen Haltung, die Ben gestern «vorgeschrieben «hatte. Es herrschte Stille, und Ben ließ den Blick ein wenig ratlos durch die Klasse wandern. Sollte das ein Spaß sein? Hier und da sah er ein Gesicht, in dem sich das Lächeln nur mühsam versteckte, doch die meisten Gesichter verrieten Aufmerksamkeit, die Blicke waren starr geradeaus gerichtet, alle schienen sich zu konzentrieren. Einige Schüler sahen ihn unsicher an, als warteten sie ab, ob er das Experiment weiterführen würde oder nicht. Sollte er? Es war eine so neue Erfahrung, und sie wich so sehr von der Norm ab, dass er sich unsicher fühlte. Was konnten die Schüler aus diesem Versuch lernen? Was konnte er selber lernen? Ben spürte die Versuchung des Unbekannten und beschloss, dass es der Mühe wert sei, seinen Versuch fortzusetzen.»Also«, sagte er und legte seine Notizen beiseite,»was geht hier vor?«

Die Schüler blickten ihn unsicher an. Ben schaute zur entfernten Seite des Raumes.

«Robert?«Robert Billings sprang auf. Sein Hemd steckte säuberlich im Gürtel, sein Haar war gekämmt.»Mister ROSS, Disziplin!«

«Ja, Disziplin«, stimmte Mr. ROSS zu.»Aber das ist nur ein Teil von allem. Es gehört noch mehr dazu. «Er wandte sich zur Wandtafel, und unter die gestrigen Worte

MACHT DURCH DISZIPLIN schrieb er:

GEMEINSCHAFT

Dann wandte er sich wieder der Klasse zu.»Gemeinschaft ist das Band zwischen Menschen, die für ein gemeinsames Ziel arbeiten und kämpfen. Das ist schon so, wenn man gemeinsam mit seinen Nachbarn eine Scheune baut.«

Ein paar Schüler lachten. Aber David war klar, was der Lehrer meinte. Genau darüber hatte er gestern nach dem Unterricht nachgedacht. Es war so etwas wie der Mannschaftsgeist, den das Footballteam brauchte.»Es ist das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein, das wichtiger ist als man selbst«, erklärte Mr. ROSS.»Man gehört zu einer Bewegung, einer Gruppe, einer Überzeugung. Man ist einer Sache ganz ergeben.. «»So eine Gemeinschaft ist gar nicht schlecht«, murmelte einer, doch seine Nachbarn brachten ihn schnell zum Schweigen.

«Es ist genau wie mit der Disziplin: Um die Gemeinschaft ganz zu begreifen, muss man sie erfahren und daran teilhaben. Von diesem Augenblick an lauten unsere beiden Grundsätze:

MACHT DURCH DISZIPLIN und

MACHT DURCH GEMEINSCHAFT

Und jetzt wiederholen alle diese beiden Grundsätze!«Alle Schüler im Raum stellten sich neben ihre Plätze und sagten:»Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinschaft!«

Einige wenige Schüler, darunter Laurie und Brad, beteiligten sich nicht daran, sondern saßen verlegen auf ihren Stühlen, während Mr. ROSS die Grundsätze nochmals wiederholen ließ. Endlich stand Laurie auf, dann auch Brad. Jetzt stand die gesamte Klasse.»Und nun brauchen wir ein Symbol für unsere neue Gemeinschaft«, erklärte Ben ROSS. Er wandte sich wieder der Tafel zu, und nach kurzem Nachdenken zeichnete er einen Kreis mit einer Wellenlinie darin.»Das soll unser Symbol sein. Eine Welle bedeutet Veränderung. In ihr vereinen sich Bewegung, Richtung und Wucht. Von jetzt an trägt unsere Gemeinschaft, unsere Bewegung den Namen >Die Welle<. «Er schwieg einen Augenblick und betrachtete die Schüler, die unbewegt dastanden und alles hinnahmen, was er ihnen sagte.»Und das wird unser Gruß sein«, fuhr er dann fort, wölbte die rechte Hand wie eine Welle, führte sie an die linke Schulter, nach oben geöffnet.»Alle grüßen!«befahl er. Alle führten den Gruß aus, wie er es gezeigt hatte, nur dass manche die rechte anstatt der linken Schulter berührten.»Noch einmal!«befahl ROSS, während er den Gruß selbst wiederholte und immer noch einmal ausführte, bis es alle richtig machten.»Gut«, sagte er dann.