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Seite an Seite stapften sie auf den Wagen zu. Trudes Vater war nur selten hier gewesen, seit er von zu Hause ausgezogen war, das Gras war ungemäht. Nach ein paar Schritten waren ihre Hosen klitschnass bis zu den Knien. »Sieh dir das an!«, murmelte Sprotte. Der Wohnwagen war nicht nur himmelblau,

Trudes Vater hatte ihn von den Rädern bis zum Dach mit Sternen, Monden und feuerschweifi-gen Kometen bemalt.

»Kitschig, was?«, sagte Frie da und grinste. »Aber schön. Komm, wir gucken mal durchs Fenster.« Sprotte hielt sie fest. »Warte!«, flüsterte sie. »Hörst du das?«

Aus dem Wagen drang Musik, ganz deutlich, irgendwas Schmalziges, und Stimmen hörte man auch. Verwirrt guckten Sprotte und Frieda sich an.

»Ob das Trudes Vater ist?«, flüsterte Sprotte. »Mit seiner neuen Freundin?«

Leise schlichen sie die letzten Meter zum Wagen. Lauschend blieben sie unter dem Fenster stehen. Jemand kicherte. Dann wurde die Musik lauter.

»Ich guck mal rein«, flüsterte Sprotte und stellte sich auf die Zehenspitzen.

»Nein!«, Frieda versuchte, sie am Ärmel vom Fenster weg-zuzerren. »Lass das, das geht uns nichts an. Was ist, wenn die ...«

»Was?«, fragte Sprotte und grinste. Dann stellte sie sich wieder auf die Zehenspitzen. So konnte sie gerade durch das dunkle Fenster schielen. Aber zu ihrer großen Enttäuschung war nichts zu erkennen, gerade mal ein Tisch, auf dem irgendwas stand, aber es war ein großes pinkfarbenes Tuch drübergedeckt. Sprotte reckte sich.

»Sprotte, komm da jetzt endlich weg!«, zischte Frieda noch mal. »Lass uns an der Straße warten.«

Aber Sprotte beachtete sie gar nicht. »Na, da wird ja was los sein, wenn Trude kommt«, flüsterte sie und presste ihr Ohr gegen das Fenster.

Wieder zupfte Frieda an ihrer Jacke. Sprotte riss so ärgerlich ihren Arm los, dass sie mit dem Ellbogen gegen die Wohnwagenwand schlug. Der dumpfe Knall ließ selbst sie zusammenschrecken. Die Musik im Wohnwagen verstummte. Erschrocken kauerten die beiden Mädchen sich unter das Fenster.

»Verdammt, das hast du jetzt davon!«, wisperte Frieda, aber da ging die Wohnwagentür auch schon auf, und jemand stieg die Treppe herunter. Sprotte wagte einen Blick über Friedas eingezogenen Kopf. Das war nicht Trudes Vater.

Nie und nimmer. Der Kerl war höchstens fünfzehn, nicht besonders groß, dünn wie ein Bambusstock und mit jeder Menge schwarzem Haar auf dem Kopf. So viele Haare hatte Trudes Vater schon lange nicht mehr. Ein Einbrecher. Ein Wohnwageneinbrecher.

Sprotte schlug das Herz bis zum Hals, aber nicht vor Angst. Vor Wut.

Mit einem Satz stand sie auf den Füßen und baute sich zu Friedas Entsetzen vor der Wohnwagentreppe auf. »Was machst du hier?«, fuhr sie den Fremden an. »Das ist unser Wohnwagen. Verschwinde, aber dalli. Und wehe, du hast

was kaputtgemacht.«

Den Fremden erschütterte Sprottes plötzliches Erscheinen nicht. Sehr schuldbewusst guckte er auch nicht. Im Gegenteil. Er schien sich bestens zu amüsieren. Er kreuzte die Arme über der Brust und grinste.

»He, komm mal her, hier regt sich je mand furchtbar auf!«, rief er in den dunklen Wohnwagen. »Lange rotblonde Haare, dünne Beine in Tigerhose, wütendes Gesicht mit Zornfalte zwischen den Brauen. Soll ich mal raten, wer das ist?«

Im Wohnwagen rumpelte es. Da war wirklich noch jemand. Vorsichtshalber machte Sprotte einen Schritt zurück. Aber nur einen kleinen. Frieda stellte sich hinter sie. »Lasst mich raten«, sagte der Fremde. Grinsend beugte er sich vor. »Sprotte - und, hm, wartet mal, Wilma oder Frieda. Nee, Wilma ist bestimmt kleiner. Also Frieda.« Sprotte und Frieda wechselten einen schnellen Blick. »Der muss irgendwas mit den Urwaldzwergen zu tun haben«, knurrte Sprotte. »Also wenn da wieder dieser liebeskranke Torte hintersteckt, dann verpfeif ich ihn höchstpersönlich bei Fred. Der ... «

»Hallo, Sprotte.« Mit verlegenem Lächeln schob Trude sich aus der Wohnwagentür.

»Na also!«, sagte der Fremde und griff nach Trudes Hand. »Das sind zwei von den Hühnern. Wusste ich's doch. Aber du hast nicht erzählt, dass ihr hintereinander herspioniert.« »Tun wir auch nicht. Wir waren hier verabredet«, sagte Trude. »Um drei. Ist es schon drei? Ich ...«, verlegen zupfte sie an ihren Ohrläppchen. Sie waren knallrot, noch röter als ihr Gesicht.

»Es ist drei!«, stellte Sprotte fest. Misstrauisch musterte sie den Jungen, der jetzt auch noch seinen Arm um Trudes Hüften schlang.

»Ähm, ja, genau, es ist drei«, sagte Frieda und brachte ein freundliches Lächeln zustande. »Ist das dein Cousin, Trude?«

Trude nickte und legte verlegen eine Hand auf Paolos Schulter. »Ja, das ist Paolo«, murmelte sie. »Wir, ähm, wir ...«, sie warf einen Blick zurück in den Wohnwagen. »Wir haben Ohrlöcher gestochen. Wir mussten das hier machen, weil...«, sie kicherte verlegen, »na ja, meine Mutter hat's mir verboten, wegen Allergie und so, aber Paolo hat auch einen, und er kann das wirklich gut. Das Ohrlöcherstechen, mein ich. Hat überhaupt nicht wehgetan.« Sie schob Paolos Hand sacht von ihrer Hüfte und kam die Treppe runter. »Wie gefällt euch der Wagen?«, fragte sie mit unsicherer Stimme. »Bisschen kitschig, was?«

»Nein, wir finden ihn ganz toll!«, sagte Frieda. »Er hat uns richtig umgehauen, ehrlich.«

Sprotte sagte nichts. Sie guckte immer wieder zu Trudes Cousin. Der grinste

sie noch mal unverschämt an und verschwand dann wieder im Wagen.

»Wenn es dunkel ist, sieht er besonders toll aus«, sagte Trude hastig. »Seht ihr die Glühlampen da unterm Dach? Die kann man anmachen. Und in dem Schuppen dahinten ...«, sie zeigte zum Waldrand, »... da könnten wir doch gut Oma Slättbergs Hühner unterbringen, oder?«

»Bestimmt.« Sprotte warf einen Blick zu dem kleinen Schuppen. Dann guckte sie wieder Trude an. Ihre Ohrläppchen waren wirklich knallrot. »Ist dein Cousin jetzt immer hier, wenn wir uns treffen?«, zischte Sprotte. »Wenn ja, dann können wir uns auch weiter mit Titus rumschlagen. Den kennen wir wenigstens.«

»Nein, natürlich nicht.« Trude schüttelte energisch den Kopf. »Er ist sowieso nur diese Woche bei uns zu Besuch.« Von der Straße kam ein Hühnerpfiff, kurz, dann lang. Gleich zweimal. Das Gatter klapperte, und Melanie lief durch das nasse Gras auf sie zu. Wilma stapfte niesend hinterher. »Wow, ist er das?«, rief Melanie. Schwer atmend blieb sie vor dem Wohnwagen stehen. »Sterne, Monde, Kometen ... Na ja, die Jungs würden das vermutlich kitschig finden, aber ...«, sie stieß Sprotte an, »ich find's super, Wahnsinn. Dafür müssen wir Trude glatt einen Orden verleihen, was?« Sie fuhr Trude durch das kurze Haar. »He, was hast du mit deinen Ohren gemacht? Die ...« Abrupt brach sie ab.

Trudes Cousin kam die Treppe runtergesprungen. »Mach's gut, Bella«, sagte er, gab Trude einen KUSS mitten auf den Mund, grinste den ändern Hühnern zu und rannte durch das hohe Gras zur Straße. Unter den tief herabhängenden Zweigen der Weißdornhecke zerrte er ein Fahrrad hervor, hob es über das Gatter, kletterte hinterher - und fuhr davon.

Wilma starrte Trude an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Melanie kaute hektisch auf ihrem Kaugummi herum. Frieda grinste.

»Ihr guckt, als hättet ihr noch nie einen Jungen gesehen«, sagte sie. »Komm«, sie zog Trude mit sich. »Zeig uns unser neues Bandenquartier. Jeden Winkel will ich sehen.« »Was hat der Kerl hier gemacht?«, raunte Melanie Sprotte ins Ohr, als die beiden im Wagen verschwunden waren. »Waren die etwa zusammen da drin, als ihr kamt?« »O Melli«, seufzte Sprotte und folgte der schniefenden Wilma in den Wohnwagen.

Melanie blieb noch draußen. Sie warf einen Blick zurück zur Straße, dann musterte sie den Wohnwagen. »Wir könnten ganz groß >Die Wilden Hühner< auf die Tür schreiben!«, rief sie den ändern nach. »In Gold. Wie findet ihr das?«

Wilma steckte den Kopf aus der Wohnwagentür. »Komm endlich rein, Melli«, sagte sie. »Und guck dir das beste Bandenquartier an, das die Weltje gesehen hat!«