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»Wird gleich warm«, sagte Trude, machte die Wohnwagentür hinter Melanie zu und knipste einen kleinen Heizkörper an.

Die Wagenwände hatte Trudes Vater innen genauso blau gestrichen wie außen.

Sterne gab es auch, die ganze Decke war voll gemalt damit.

»Ich hab ein bisschen was vorbereitet«, sagte Trude und zog das pinkfarbene Tuch weg, das den Tisch unterm Fenster bedeckte. Teller und Tassen kamen zum Vorschein, sogar ein kleiner Kuchen mit fünf Kerzen. Die Wilden Hühner stand drauf, in Zuckerguss-Schnörkelschrift. »Jede von uns soll eine Kerze auspusten. Ich weiß ...«, Trude zupfte die Servietten zurecht, die kunstvoll gefaltet auf den Tellern standen, »... wir haben eigentlich erst was zu feiern, wenn wir die Hühner gerettet haben, aber trotzdem. Paolo hat mir beim Backen geholfen, sonst hätt ich’s nicht mehr geschafft. Wie, ahm, wie findet ihr's, hm?« Sprachlos guckten die anderen sie an.

Frieda drückte Trude so fest, dass ihr die geliehene Brille verrutschte.

»Wunderschön!«, schniefte Wilma, prustete in ihr Taschentuch und schob sich auf eine der Bänke neben dem Tisch. »Wunderwunderschön!«

Sprotte setzte sich neben sie. »Dafür sollten wir Trude zum Ehrenhuhn ernennen«, sagte sie. »Steht irgend so was in unserm Geheimbuch?«

»Nee.« Wilma schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir haben nicht mal einen Orden. Aber sie könnte Hühnerschatzwart werden. Oh, verdammt!« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Ich hab ihn nicht mitgebracht. Nächstes Mal, okay?« Der Hühnerschatz bestand inzwischen aus sehr vielen Dingen. In der alten Schatulle, die Sprotte auf Oma Slättbergs Dachboden gefunden hatte, lagen die Eintrittskarten von allen Konzerten und Kinovorstellungen, die sie gemeinsam besucht hatten, dazu die Autogramme, die Melanie bei den Konzerten mit der tatkräftigen Drängelhilfe der ändern erkämpft hatte, jede Menge Fotos von ihrer letzten Klassenfahrt, unter anderem eins von den schlafenden Pygmäen, das Wilma heimlich gemacht hatte, ihre Bandenkasse, in die sie alle regelmäßig einzahlten, und das Geheime Bandenbuch, in dem leider noch nicht allzu viel Geheimes stand. Trude wurde knallrot. »Nee, lasst mal«, sagte sie, ging zu der kleinen Küchenzeile und setzte einen Kessel mit Wasser auf. »Das mit dem Schatz macht Wilma viel besser. Ich würde doch dauernd vergessen, wo ich ihn versteckt hab.« »Guckt euch das an«, Frie da trat hinter sie und sah sich staunend um. »Eine richtige kleine Küche. Mit Geschirr und Kocher, sogar ein Kühlschrank ist da. Woher kommt denn der Strom?«

»Wir kochen mit Gas«, erklärte Trude. »Da unten im Schrank ist die Gasflasche, die ist gerade neu. Und der Strom ...« Sie zuckte die Achseln. »Mein Vater hat mir das mal erklärt, aber ich hab's vergessen. Auf jeden Fall ist welcher da. Nur das Klo, das ist draußen. In dem kleinen Holzhaus hinterm Wagen. Ist jetzt im Winter ziemlich kalt, na ja, ist ebe n nur ein Plumpsklo.«

»Da sollten wir wohl besser nicht mehr so viel Tee trinken, was?«, schniefte Wilma.

»Stimmt.« Trude kicherte. Sie stellte zwei benutzte Gläser in die Spüle und holte aus einem kleinen Hängeschrank eine Teekanne. In den Gläsern war noc h ein Rest Cola. Melanie schnupperte an ihnen. »Sieh einer an, die zwei haben Cola mit Rum getrunken.«

»Na und?« Frieda kippte die Cola weg und schob Melanie zur Seite. »Mach dich nützlich, los. Zünde die Kerzen auf dem Kuchen an.«

»Ja, ja«, Melanie nahm Trude die Streichhölzer aus der Hand. »Aber ich finde, in einer Bande sollte es keine Geheimnisse geben.«

»Ach ja?« Sprotte zog den Kopf aus dem Schrank, den sie gerade inspizierte. »Dann erzähl doch mal, von wem du den Knutschfleck hast.«

Melanie biss sich auf die Lippen und zündete ohne ein weiteres Wort die Kerzen an.

Als Trude den Tee aufgegossen hatte, pusteten sie sie alle zusammen aus, und Frieda schnitt den Kuchen an. Trude nahm auch ein Stück, ein extra großes sogar. Erstaunt guckte Melanie sie an. »Du isst wieder Kuchen? Seit wann das denn? Was ist mit deiner Diät?« Trude zuckte die Schultern und schob sich genüsslich die Gabel in den Mund. »Ach, keine Lust mehr«, sagte sie mit vollem Mund. »Paolo sagt, Diäten helfen sowieso nichts. Wisst ihr, was er mir erzählt hat? Dass ich in manchen Ländern eine echte Schönheit war. In Arabien zum Beispiel.« Sie kicherte. »Stellt euch vor, Melanie würden da alle hässlich finden, wegen der vorstehenden Knochen.« »Wegen der was?«, fragte Melanie entgeistert. »Der Kerl spinnt doch total!«

Frieda grinste. »Reg dich ab, Melli, wir sind ja nicht in Arabien«, sagte sie. »Wie ist das eigentlich in Amerika, Sprotte?« Aber Sprotte hörte nicht zu. Sie stand auf und warf sich auf die große Schaumstoffmatratze am anderen Ende des Wohnwagens. »Ob wir wohl mal hier übernachten können?«, fragte sie. »Wir alle zusammen? Wär doch toll, oder?« Wilma warf zweifelnd einen Blick aus dem Fenster. »Ist ein bisschen einsam, oder?«

»Quatsch, wir wären doch zu fünft«, sagte Sprotte. »Was soll denn da passieren?«

»Na ja, jetzt haben wir erst mal andere Sorgen«, Frieda goss allen noch Tee ein. »Heut ist schon Donnerstag, wir müssen dringend was für die Hühner bauen. Irgendeinen Auslauf, in den sie vom Schuppen aus reinkönnen.« »Stimmt«, seufzte Sprotte und setzte sich wieder zu den anderen an den Tisch. »Aber wo kriegen wir den Draht für den Zaun her? Sollen wir zusammenlegen und welchen im Baumarkt kaufen?«

»Lasst uns doch erst mal auf dem Schrottplatz gucken!«, näselte Wilma und wärmte sich die Finger an ihrer heißen Teetasse. »Da liegen doch meistens Maschendrahtreste rum.« »Gute Idee.« Sprotte guckte nach draußen. Es kam Nebel auf. Weiß hing er über dem feuchten Gras. »Lasst uns das heute noch erledigen. Ich würd zwar lieber hier bleiben, aber viel Zeit haben wir ja nicht mehr.« Da guckte Trude mit verlegener Miene auf ihre Uhr. »Ahm, ich - wusste nicht, dass wir das heute machen«, sagte sie. »Ich hab mich zum Kino verabredet, das fängt um fünf an. Aber ...«, sie guckte Sprotte unsicher an. »Du willst ins Kino?« Melanie guckte Trude an, als wären ihr Hörner gewachsen. »Du hattest doch keine Lust mehr auf Kino, weil du nie widerstehen kannst, wenn sie mit dem Eis rumkommen. Sag bloß, du gehst mit deinem ... « »Klar kann Trude ins Kino gehen!«, unterbrach Frieda sie. »Den Draht können wir auch ohne sie besorgen, und das Gehege müssen wir sowieso an einem anderen Tag bauen. Es wird stockdunkel sein, bis wir vom Schrottplatz zurück sind.«

»Stimmt!« Sprotte zuckte die Achseln.

»Oh, danke«, stammelte Trude. »Aber das Geschirr lasst stehen, das wasch ich später ab, okay? Und morgen nehm ich mir ganz bestimmt nichts vor. Ehrenwort.« Als sie alle wieder auf die Fahrräder stiegen, fuhr Trude davon, als wären Außerirdische hinter ihr her. Kopfschüttelnd guckte Melanie ihr nach.

»Wahrscheinlich wollte Trude nur nicht mit Melli ins Kino«, flüsterte Sprotte Wilma zu, während sie die schmale Straße entlangfuhren. »Weil die nämlich bloß ins Kino geht, damit die Jungs sie mit Popcorn bewerfen und ihr erzählen, wie toll ihre Haare aussehen.«

Wilma musste so kichern, dass sie Schlangenlinien fuhr. »Wetten, das war irgendeine Gemeinheit, Sprotti?«, rief Melanie von hinten.

»Nichts als die Wahrheit, Melli«, rief Sprotte über die Schulter zurück. »Heiligstes Hühnerehrenw ort. Nichts als die Wahrheit.«

9

Die Mädchen waren schon lange nicht mehr auf dem Schrottplatz gewesen. Obwohl die Pygmäen ihr Baumhaus ganz in der Nähe hatten.

»Wie lang ist das her, dass wir ihnen die Leiter angesägt haben?«, fragte Wilma unterwegs.

»Sechs Wochen bestimmt«, antwortete Frieda. Die angesägte Leiter war die Rache gewesen für ein Stück Pansen in Sprottes Schultasche - und der letzte Streich, den sie einander gespielt hatten. Irgendwie hatte es plötzlich keinen Spaß mehr gemacht-, sich dauernd Albernheiten auszudenken. Den Pygmäen schien es ähnlich zu gehen, von Tortes Privatrache abgesehen.