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»Verdammt!«, fluchte ihre Mutter. »Warum kann ich das nicht? Jetzt ist

dieser blöde Pfannkuchen doch schon wieder hin.«

»Macht nichts, ich mag deine kaputten Pfannkuchen«, sagte Sprotte und ließ den Finger weiterwandern. Kuschelhase, Schmusebär, attraktiv, aber schüchtern, Taxifahrerin ... da war sie.

»Was liest du denn da?«, fragte ihre Mutter und lugte neugierig über Sprottes Schulter. Sprotte fuhr zusammen und versuchte, Wilmas Anzeige mit der Hand zu verdecken, aber Mam schob ihre Finger weg.

»Lass mal sehen«, sagte sie. »Was steht denn da so Interessantes? Attraktive Taxifahrerin, mittelalt, sucht Mann zum Kuscheln. Nicht sehr originell, aber ... «

Ganz still wurde sie plötzlich. Sprotte hielt den Atem an und schob noch mal, in einem letzten kläglichen Versuch, die Finger über die Anzeige. Aber da packte ihre Mutter sie auch schon bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Da steht unsere Telefonnummer«, sagte sie. Knallrot war ihr Gesicht. »Hör mal, spinnst du? Willst du mir jetzt die Männer aussuchen?« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Hättest du mich nicht wenigstens fagen können, wenn du schon auf so verrückte Ideen kommst?« »Ich war das doch gar nicht!«, rief Sprotte. »Auf so was Bescheuertes würd ich doch nie kommen!« Ihre Mutter guckte sie verblüfft an. Sie wusste genau, dass Sprotte nicht lügen konnte. Wenn sie es doch mal versuchte, sah man es ihr meist an der Nasenspitze an. »Und wer war's dann?«

»Kann ich meinen Pfannkuchen haben?«, fragte Sprotte kleinlaut.

»Oh, verdammt, der ist jetzt bestimmt kalt.« Mam schaufelte die Pfannkuchenruine auf einen Teller und schob ihn Sprotte hin.

Sprotte bestreute den Pfannkuchen mit reichlich Zucker und begann zu essen. »Wilma hat sich das ausgedacht«, erzählte sie mit vollem Mund. »Weil sie nicht wollte, dass wir auswandern, verstehst du?«

»So was Verrücktes hab ich wirklich noch nie gehört«, sagte ihre Mutter, kniff die Lippen zusammen und wagte einen Pfannkuchen-Hochwerf-Versuch. Der Pfannkuchen landete ziemlich zerknittert wieder in der Pfanne. Mit einem Seufzer drehte Sprottes Mutter das Gas aus und setzte sich mit der Pfanne zu Sprotte an den Tisch. Schweigend spießte sie mit der Gabel einen Pfannkuchenfetzen auf, pustete und schob ihn sich in den Mund.

»Ich denk, du willst keinen neuen Vater«, sagte sie. »Stimmt«, antwortete Sprotte. »Auswandern will ich aber auch nicht.«

Schweigend aß ihre Mutter weiter. Plötzlich stöhnte sie auf. »O Gott, jetzt wird hier bestimmt bald ein einsames Herz nach dem ändern anrufen! Da steht unsere Telefonnummer! Hat Wilma noch nie davon gehört, dass man so eine

Anzeige mit Chiffre aufgibt?« »Mit was?«

»Ach, vergiss es.« Sprottes Mutter seufzte noch einmal. Dann musste sie plötzlich kichern. »Du meine Güte, was da wohl für Typen anrufen? Vielleicht ruft ja auch gar keiner an. Mittelalt hört sich ja wie lange gelagerter Käse an.« »Na ja, jung hätte ja nicht mehr gepasst, oder?« »Wahrscheinlich nicht. >Etwas abgenutzt hätte es wahrscheinlich getroffen. Aber warum steht da nichts von dir drin? Hat nette Tochter, die Männer eher störend findet. Irgend so was.«

»Melanie meinte, Kinder wirken irge ndwie ...«, Sprotte schob ihren leeren Teller weg, »... abschreckend.« »Aha.« Ihre Mutter grinste. »Ich sehe, ihr habt die Angelegenheit gründlich besprochen. Hast du deinen Hühnerfreundinnen etwa auch von meinem schlechten Männergeschmack erzählt?«

Sprotte zog mit dem Finger verlegen das Tellermuster nach. »O nein!« Ihre Mutter guckte sie ungläubig an. »Sprotte! Das mit dem zerschmissenen Geschirr, wissen sie das auch?« Sprotte kniff die Lippen zusammen und nickte. Ihre Mutter vergrub den Kopf in den Armen. »Ihr kriegt alle Taxiverbot!«, hörte Sprotte sie murmeln. »Alle. Ich will keins von euch Hühnern mehr sehen.«

»Du erzählst über mich doch auch dauernd Sachen, die keinen was angehen!«, rief Sprotte. »Wem?«, fragte ihre Mutter und hob den Kopf. »Na, deine n Busenfreundinnen«, antwortete Sprotte. »Oder etwa nicht?« »Schon gut.« Ihre Mutter strich sich das Haar aus dem Gesieht. »Aber für die Anzeige kitzle ich dich durch. Mindestens eine Stunde lang.«

»O nein, bitte nicht«, Sprotte musste kichern. »Na gut«, sagte ihre Mutter und kniff ihr in die Nase. »Du wirst noch einmal begnadigt, aber dann will ich dein heiligstes Hühnerehrenwort, dass du deinen Freundinnen kein Wort mehr über mein Liebesleben erzählst. Versprochen?« Sprotte nickte. »Versprochen. Obwohl...« »Kein Obwohl«, sagte ihre Mutter und stand auf. »Willst du noch einen von meinen sensationellen Pfannkuchen?« »Klar«, antwortete Sprotte. Und ihre Mutter machte sich an die nächste Ruine.

20

Nach dem Essen fuhr Sprottes Mutter zur Volkshochschule, um sic h für einen Englischkurs anzumelden. Sprotte machte ihre Hausaufgaben, hörte Musik, machte den Fernseher an und wieder aus, starrte durchs Fenster auf die Straße - und wusste nicht, was sie mit dem Nachmittag anfangen sollte. Ein Wilde-Hühner-Treffen war nicht vorgesehen. Wo auch, solange in ihrem Bandenquartier ein Pygmäe wohnte? Außerdem hatten die ändern sowieso keine Zeit: Wilma bekam Nachhilfe in Deutsch, weil ihre Mutter fand, dass die Drei im letzten Aufsatz Besorgnis erregend gewesen war. Melanie musste zu Hause helfen. Trude sagte nur >Waaas?<, wenn sie angesprochen wurde, und spielte melancholisch mit dem Ohrring, den Paolo ihr zum Abschied geschenkt hatte. Und Frieda hatte nach dem Theater mit Willis Vater verkündet, dass sie sich für den Rest des Tages ins Bett legen würde. Aber Sprotte wollte zu gern die Hühner besuchen. Schließlich waren es jetzt ja ihre, nachdem Oma Slättberg auf sie verzichtet hatte. Andererseits hatte sie keine Lust, den Nachmittag nur in Willis Gesellschaft zu verbringen. Also versuchte sie es doch noch mal bei Frieda. »Ja, gut, ich komm mit«, muffelte Frieda ins Telefon. »Das Ins-Bett-Legen kann ich sowieso vergessen. Titus hat sich schon wieder ums Babysitten gedrückt. Ist dir klar, was das bedeutet? Ich muss Luki mitbringe n.«

»Macht nichts«, sagte Sprotte. »Hauptsache, du kommst mit.«

»Ich hol dich sogar ab«, sagte Frieda und hängte ein. Sie kam mit dem großen Fahrrad ihrer Mutter, weil Lukis Fahrradsitz hintendrauf war.

»Mit dir red is nich«, sagte Luki, als Sprotte aus der Haustür kam. Während der ganzen Fahrt zum Wohnwagen streckte er ihr entweder die Zunge raus oder guckte grimmig in ihre Richtung.

»Was ist denn mit dem los?«, fragte Sprotte entnervt, als sie endlich beim Wohnwagen ankamen. »Wird dein kleiner Bruder jetzt schon so blöd wie dein

großer?« Sie stellten die Räder vor dem Schild ab, das Wilma neben dem Gatter aufgestellt hatte. Fünf Hühner hatte sie draufgemalt und darunter geschrieben: Privat. Betreten für Füchse und Urwaldzwerge strengstens verboten.

»Ach, Luki meint das nicht so«, murmelte Frieda und hob ihren kleinen Bruder mühsam aus seinem Kindersitz. »Zur-zeit streckt er allen die Zunge raus. Du kannst schon froh sein, dass er dich nicht angespuckt hat. Nee, Luki ist harmlos, aber Titus ... « Sie nahm sie Luki den Fahrradhelm ab. »Der wusste genau, dass Mama heute zum Zahnarzt muss und er mit Babysitten dran ist, und trotzdem haut er einfach ab!«

Luki zerrte an ihrer Jacke. »Wo sind die Hühner, Frisa?«, fragte er. »Können die swimmen? Is kann swimmen, oder?« Frieda seufzte. »Nee, kannst du nicht, Luki. Komm, die Hühner sind dahinten.«

Sachte schob sie ihn auf das Gatter zu. Hinter der Hecke stand ein Fahrrad. Schwarz, mit einem Spiegel vorne dran. »Ach, sieh mal einer an«, sagte Sprotte spöttisch. »Kaum hockt ein Junge bei uns im Hauptquartier, ist Melli zur Stelle. Ich denk, die muss heute beim Auspacken helfen?« »Wahrscheinlich haben ihre Eltern sie weggeschickt. Bei so was ist sie bestimmt keine große Hilfe.« Frieda schob das Gatter auf. »Außerdem ist Melli nicht wegen irgendeinem Jungen hier, sondern wegen Willi.« »Was soll das denn heißen?«, fragte Sprotte. Frieda schloss das Gatter wieder. »Das heißt, die beiden sind schon lange zusammen«, sagte sie. Entgeistert sah Sprotte sie an. »Quatsch!« Frieda zuckte nur die Achseln.