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„Allerdings werden Sie mir hoffentlich gestatten“, fügte er hinzu, „einen guten Freund mitzunehmen.“

„Aber gewiß, Sir“, sagte der Engländer, „Sie können von mir aus alle Ihre Freunde mitnehmen.“

Corcoran pfiff, im selben Moment erschien Louison. Corcoran sehen, ihm entgegenlaufen und sich zu seinen Füßen niederlassen war Sekundensache. Die Pferde der Eskadron waren jedoch in dieser Sekunde von einer geradezu übernatürlichen Furcht befallen worden; sie versuchten ihre Reiter abzuwerfen und auf die freie Ebene zu galoppieren. Was die Reiter selbst betraf, so waren sie sicher ebenso erschreckt worden wie ihre Pferde, die militärische Ehre gab ihnen jedoch Halt, sonst hätten sie dem natürlichen Drang ihrer Reittiere nachgegeben. So blieb ihnen nichts weiter übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

„Sir“, sagte der Offizier, „solche Art Scherze sind ein bißchen stark… Wo haben Sie denn diesen Freund aufgegabelt?“

„Mich wundert Ihre Verwunderung“, erwiderte der Bretone. „Ihr Engländer glaubt euch doch in allen Sportarten auszukennen. Ihr lauft Pferden, Hunden, Füchsen, Hähnen und was weiß ich sonst noch für Bestien der Schöpfung nach. Nun, ich persönlich bevorzuge eben Tiger…, jeder nach seinem Geschmack. Oder haben Sie vor meinem Reisegefährten Angst?“

„Sir“, sagte der Engländer zornig, „ein englischer Gentleman hat vor nichts Angst; aber ich frage mich, ob die Gesellschaft eines Tigers für einen Gentleman der richtige Umgang ist.“

„Louison wird sich in diesem Augenblick sicher dieselbe Frage stellen“, meinte Corcoran seinerseits, „und überlegen, ob die Gesellschaft eines englischen Gentlemans für sie der richtige Umgang ist. Aber benehmen wir uns, wie es sich gehört. Herr Leutnant, wie heißen Sie?“

„John Robarts, Sir“, antwortete der Engländer schroff und steif.

„Sehr gut“, fuhr Corcoran fort. „Aufgepaßt, Louison, ich stelle dir hiermit den ehrenwerten John Robarts, Leutnant bei den fünfundzwanziger Husaren Ihrer Majestät der Königin, vor, hörst du, und du wirst ihm weder mit deinen Zähnen noch mit deinen Krallen zu nahe kommen, ausgenommen im Falle wirklicher Gefahr für dich…“

„Haben Sie diese unschickliche Komödie bald beendet?“ bemerkte der Engländer sarkastisch.

„Und Ihnen, Leutnant Robarts“, sagte Corcoran ungerührt, „erlaube ich mir, Miß Louison, meine beste Freundin, vorzustellen… Und nun bin ich gern bereit, Leutnant, wenn Sie meinen, daß ich es Ihrer Uniform gegenüber an dem nötigen Respekt habe mangeln lassen, Ihnen hier auf der Stelle Genugtuung zu geben.“

„Schon gut, Sir“, erwiderte Robarts, „wir reden später darüber. Genug geredet, folgen Sie uns.“

Es war kein langer Ritt.

Etwa eine Viertelstunde entfernt lag das englische Feldlager am Ufer eines kleinen Bächleins, der einige Meilen südlich in den Narbada mündete. Die Pferde, Soldaten, die Marketenderwagen und das ganze Kriegsgerät, das für eine britische Armee in Indien nötig ist, waren in pittoresker Unordnung gruppiert. John Robarts betrat in Begleitung von Corcoran und Louison das Zelt Colonel Barclays.

8. Ziemlich turbulente Unterhaltung Corcorans und Louisons mit Colonel Barclay

Colonel Barclay, der an diesem Tag die Funktionen eines Brigadegenerals wahrnahm, war einer der ehrenwertesten Offiziere der englischen Indienarmee. Er hatte seine sämtlichen Dienstgrade streng nach der Reihenfolge errungen und wurde, sei es im Frieden, sei es im Krieg, stets mit den heikelsten Missionen betraut. Bald ein Regiment an der Grenze kommandierend, bald mit dem Titel eines Residenten ausgestattet und dabei die Schritte und Absichten der gegenüber der Kompanie tributpflichtigen Fürsten überwachend, hatte er stets das Vertrauen der ihm unterstellten Soldaten besessen und war von Grund auf mit den Schachzügen und allen Ressorts der englischen Indienpolitik vertraut. Aber da er weder Bruder, Onkel, Sohn oder Neffe irgendeines Direktors der Kompanie war, wurden ihm meist die widerwärtigen und gefährlichen Aufgaben übertragen, und so hatte er es nur bis zum Colonel gebracht. Wenn er bei seiner Aktion gegen Holkar Erfolg haben würde, so hätte man schon einen Paradegeneral in petto gehabt – wohl versippt, versteht sich –, der das Kommando über die Armee übernehmen und die Frucht eines Barclayschen Sieges ernten würde. Aus diesem Grunde war bei dem Colonel eine stete Mißstimmung und ein – sicher gerechtfertigter – Vorbehalt gegen die Favoriten der sehr ehrenwerten und allmächtigen Kompanie entstanden. Andererseits machte ihn seine mittellose Herkunft besonders habgierig und ehrgeizig. Beides hinderte ihn jedoch nicht, seinen militärischen Pflichten überaus gewissenhaft nachzukommen.

Als John Robarts das Zelt des Colonels betreten hatte, drehte sich dieser um und fragte in seiner bärbeißigen Art:

„Was Neues, Robarts?“

„Wir haben einen wichtigen Gefangenen gemacht, Colonel. Es ist ein Franzose, der, glaube ich, für Holkar spioniert.“

„Laß ihn eintreten.“

„Es ist nur“, sagte Robarts, „er ist nicht allein.“

„Ist gut. Laß auch die anderen eintreten und stell zwei Wachen an den Zelteingang.“

„Aber Colonel…“

„Tu, was ich sage, und widersprich nicht deinem Colonel!“

Wenn er partout nicht auf meine Erklärungen hören will, soll er, es ist schließlich seine Sache, dachte Robarts. Er machte Corcoran ein Zeichen.

„Eintreten!“ sagte er.

Corcoran betrat das Zelt, begleitet von Louison, die sich auf eine Handbewegung von ihm zu seinen Füßen niederließ. Sie wurde durch den Tisch verdeckt, der Corcoran von Colonel Barcley trennte. Dieser hatte ihnen den Rücken zugekehrt und tat so, als hätte er Corcoran weder gesehen noch gehört. Die Folge davon war, daß er die Anwesenheit Louisons nicht wahrgenommen hatte.

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Corcoran, dem es zu dumm wurde, daß der Colonel nicht das Wort an ihn richtete und ihn aufforderte, Platz zu nehmen, setzte sich schließlich unaufgefordert, nahm ein Buch vom Tisch und gab vor, es aufmerksam zu lesen.

Schließlich wurde auch Barclay klar, daß der Gefangene nicht zu denen gehörte, die man leicht einschüchtern konnte, deshalb gab er seine Taktik auf.

„Wer sind Sie?“ fragte er kurz angebunden.

„Franzose.“

„Ihr Name?“

„Corcoran.“

„Ihr Beruf?“

„Seemann und Gelehrter.“

„Was heißt das, Gelehrter?“

„Ich suche das Schriftstück der Gesetze Manus im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Lyon.“

„Was taten Sie, als man Sie aufgegriffen hat?“

„Ich war auf der Suche nach einem jungen Mädchen, das entführt wurde.“

„Inderin oder Engländerin?“

„Es handelt sich um Holkars Tochter.“ – Colonel Barclay betrachtete Corcoran mißtrauisch.

„Welches Interesse haben Sie als Franzose an Holkars Angelegenheiten?“ fragte er.

„Ich bin sein Gast“, erwiderte Corcoran.

„Schön, sehr schön“, sagte Barclay. „Haben Sie irgendein Papier, das Sie empfiehlt?“

Corcoran überreichte ihm den Brief von Sir William Barrowlinson.

„Es ist gut“, sagte Barclay, nachdem er ihn gelesen hatte. „Ich sehe, Sie sind ein Gentleman. Sie können Holkar über das Schicksal seiner Tochter beruhigen. Sie ist in meinem Lager. Rao hat sie vor kaum zwei Stunden hierhergebracht. Sie ist eine wichtige Geisel für uns; aber man hat ihr nichts getan, und man wird ihr auch nichts tun. Dafür garantiert die Ehre der englischen Armee. Übrigens respektiert Rao sie ebenfalls, denn er will sie heiraten, das ist der Preis für seine Hilfe.“

„Sagen wir lieber seines infamen Verrats.“

„Wie es Ihnen beliebt, ich streite mich nicht um Worte… Und nun, Mister Corcoran, wenn Sie die schöne Sita selbst sehen und ihrem Vater berichten wollen, daß sie gesund und unbeschadet ist und sich in loyalen Händen befindet, so werde ich mich dem nicht widersetzen. Ich werde sie rufen lassen.“