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„Wenn ich Gott Wischnu wäre“, entgegnete der Bretone lachend, „müßtest du mir bedingungslos gehorchen. Laß also meine Proklamation anschlagen und einen großen Saal für die Repräsentanten des Marathenvolkes herrichten, denn ich will in drei Wochen die erste Nationalversammlung der Marathen eröffnen.“

Louison, die dieses Gespräch mit angehört hatte, lächelte still vor sich hin. Sie rechnete damit, ihren Platz zur Rechten des Thrones, neben Corcoran Sahib und der schönen Sita, zu erhalten. Vielleicht träumte sie auch von neuen und schrecklichen Gefahren, denen ihr Freund entgegenschritt.

21.

Von der Freundschaft, die Corcoran dem Zemindar Lakman erweist, und von den Pflichten der Freundschaft

Doch die Schwierigkeiten waren nicht etwa zu Ende. Die meisten Zemindars ertrugen nur widerwillig ihren neuen Herrn. Mehrere unter ihnen hatten darauf gehofft, Sitas Hand zu erhalten und Holkars Erbe zu werden. Alle hätten gewünscht, unabhängig zu sein, jeder in seiner Provinz, und die Tyrannei und Selbstherrlichkeit wie in den guten alten Zeiten des vorhergehenden Fürsten fortzusetzen. Dennoch wagte niemand, offen gegen Corcoran zu intrigieren. Man fürchtete und man respektierte ihn. Viele Menschen aus dem Volk hielten ihn, wie Sugriva schon bemerkt hatte, für die elfte Inkarnation Wischnus; und Louison, deren scharfe Krallen zu so vielen Heldentaten beigetragen hatten, galt als die furchtbare Kali, Göttin des Krieges, deren Blick niemand ertragen kann. Wenn man ihr in den Straßen von Bhagavapur begegnete, hob man die Hände zum Gruß und erwies ihr beinahe göttliche Ehren.

Ein einziger Mann hielt den Moment für gekommen, sich des Thrones zu bemächtigen und Corcoran zu ermorden.

Er war einer der reichsten und einflußreichsten Zemindars, Brahmane von edler Geburt, namens Lakman, der glaubte, seinen Stammbaum von Ramas Bruder herleiten zu können und somit legitime Rechte auf das Reich Holkars zu haben. Zu Lebzeiten des letzteren hatte er mehrfach versucht, sich unabhängig zu machen, und zusammen mit Barclay gegen Holkar intrigiert; nach der Niederlage der Engländer jedoch war er der erste, der Corcoran Sahib huldigte und sich ihm zu Füßen warf.

Im Grunde wartete er nur auf eine günstige Gelegenheit, seine Interessen zu wahren und das Volk gegen Corcoran aufzuwiegeln. In seinem Haus versammelte er alle Unzufriedenen; er beklagte sich, daß man das heilige Gesetz Brahmas verletzt habe, indem man Holkars Krone einem Abenteurer aus Europa zugeschanzt habe; er forderte die Rückkehr zu den alten Sitten und Gebräuchen; er bezichtigte Corcoran, Stiefel aus Rindsleder zu tragen (was übrigens stimmte und in den Augen der Marathen ein schreckliches Vergehen war, das sich aber wiederum – so erklärten Corcorans Anhänger – eben nur ein gottgleiches Wesen leisten könne); schließlich bestückte er seinen Palast mit neuen Kanonen und ließ von allen Seiten Kugeln und Pulver herbeischaffen.

Sugriva war über diese Aktivitäten unterrichtet und wollte ihm den Kopf abschlagen lassen, bevor er Zeit finden würde, gefährlich zu werden, doch Corcoran widersetzte sich diesem Ansinnen.

„Maharadscha“, sagte der treue Brahmane, „Ihr glorreicher Vorgänger Holkar hätte nicht so lange gewartet. Beim geringsten Verdacht hätte er dem Verräter hundert Peitschenhiebe auf die Fußsohlen verabreichen lassen.“

„Mein Freund“, erwiderte der Bretone, „Holkar hatte seine Methoden, die, wie du ja selbst gesehen hast, nicht verhindert haben, daß er verraten wurde. Ich habe die meinigen. Es ist an Brahma, Verbrechen zu ahnden, denn nur er ist seiner Sache ganz sicher und riskiert nicht, einen Unschuldigen zu verurteilen. Doch die Menschen sollten kein Verbrechen sühnen, nachdem es begangen worden ist. Sie sollten es schon vorher verhindern. Ohne diese Vorsorge setzt man sich der Gefahr der Mißachtung des einzelnen aus.“

„Zumindest sollte man Lakman überwachen.“

„Wer? Ich! Ich soll also eine Polizei schaffen, die größten Spitzbuben aller Länder – denn Polizisten sind nichts anderes als Räuber, die ihr Laster als Tugend verkaufen – in meine Dienste nehmen und mich um tausend kleine Dinge kümmern. Ich werde stets auf der Lauer liegen und an nichts anderes mehr denken können. Ich werde mein Leben mit Verdächtigungen und Vorurteilen vergiften!“

„Aber Liebster“, bemerkte Sita, die ebenfalls zugegen war, „bedenke doch, daß dich Lakman jederzeit ermorden kann. Hör auf den Rat deiner Wächter, wenn schon nicht deinetwegen, dann doch wenigstens mir zuliebe, die ich dich lieber habe als die Natur oder den Himmel.“

Indem sie so sprach, füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie warf sich Corcoran in die Arme. Er drückte sie zärtlich an seine Brust, betrachtete sie einen Augenblick und sagte dann behutsam:

„Du willst es, meine Sita, süßes und liebes Geschöpf, dem ich nichts abschlagen kann, du willst es also? Ihr wollt es beide! Na schön, ich bin einverstanden und werde diesen furchtbaren Lakman einer Überraschung aussetzen, daß er für immer den Gedanken verfluchen wird, mir jemals meine Krone streitig gemacht zu haben… Hierher, Louison!“

Die Tigerin näherte sich sanft und legte ihren Kopf auf Corcorans Knie, um sich von ihm kraulen zu lassen. Ihre Augen versuchten aufmerksam, in dem Blick ihres Freundes dessen Gedanken zu lesen.

„Louison, meine Liebe“, sagte er, „hör gut zu, was ich dir zu sagen habe. Ich brauche deine ganze Intelligenz.“

Die Tigerin wedelte mit dem Schwanz und verdoppelte ihre Aufmerksamkeit.

„Es gibt in Bhagavapur einen Mann, den ich verdächtige, gegen mich zu intrigieren“, fuhr der Bretone fort. „Sollte wahr sein, was ich glaube, sollte er also irgendeinen Verrat gegen mich vorbereiten, so beauftrage ich dich, mich zu benachrichtigen.“

Louison drehte rasch ihre rosafarbene Nase, die mit starken Schnurrbarthaaren bewachsen war, in alle vier Himmelsrichtungen, als ob sie den Verräter wittern und ihn sofort zur Ordnung rufen wollte.

„Damit du dich nicht irrst, werde ich ihn rufen lassen… Sugriva, geh ihn suchen und bring ihn hierher, notfalls mit Gewalt.“

Sugriva schickte sich sofort an, den Auftrag auszuführen, und erschien bald wieder in Begleitung des verdächtigen Brahmanen. Dieser war ein Mann mittlerer Größe; seine tief in den Höhlen liegenden Augen blitzten vor unterdrücktem Haß; seine hervorspringenden Backenknochen und seine wie bei Tataren abstehenden Ohren verrieten Arglist und einen zerstörerischen Charakter.

Er schien von Corcorans Aufforderung, an dessen Hof zu erscheinen, nicht überrascht, und schon bei den ersten Worten schwor er, diesen immer als seinen wahren Herrn und Fürsten anerkannt zu haben. Er beantwortete die anklagenden Worte Sugrivas mit einem Bekenntnis der Treue, die allerdings den Bretonen nicht überzeugten. Sein Argwohn wurde zusehends stärker, als Sugriva, der vorher heimlich einige Papiere des Brahmanen von Freunden hatte sicherstellen lassen, plötzlich diese Beweise einer Konspiration vorlegte, deren Führer Lakman war und die in aller Stille ausgeheckt worden war. Es handelte sich darum, Corcoran bei den bevorstehenden religiösen Feierlichkeiten für die Göttin Kali zu ermorden.

Der Brahmane war sprachlos. Alle seine Pläne waren entdeckt worden. Wehrlos befand er sich in den Händen seines Feindes, und er erwartete nichts anderes als den Tod; aber er kannte die Großzügigkeit des Bretonen noch nicht.

„Ich könnte dich aufknüpfen lassen“, sagte Corcoran, „aber ich verachte dich und lasse dich am Leben. Wie schuldig du auch sein mögest, du wirst nicht die Zeit und nicht die Macht haben, das Verbrechen auszuführen; das ist Strafe genug für dich. Ich werde dir nichts antun. Ich nehme dir weder deinen Palast noch dein Geld, auch nicht deine Kanonen und Sklaven. Ich werde dich nicht ins Gefängnis werfen; du kannst gehen, wohin es dir beliebt, du kannst konspirieren, schreien, mich verfluchen, schmähen, beschimpfen – das steht dir frei, du sprichst damit nur aus, was du insgeheim über mich denkst, und das weiß ich jetzt. Doch wenn du die Waffen gegen mich erhebst, wenn du versuchst, mich zu ermorden, bist du ein toter Mann. Ich werde dir heute einen Aufpasser zur Seite geben, der dich niemals verlassen und mich über all deine Pläne unterrichten wird. Er ist diskret, er ist stumm. Vor allem ist er unbestechlich, denn er hat nur frugale Bedürfnisse, und ausgenommen Zucker mag er nichts, was andere Menschen verführen könnte. Ihn zu erschrecken ist nutzlos. Sein Mut und seine Ergebenheit sind über jeden Zweifel erhaben… Kurz gesagt: Es ist Louison.“