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ZWEITER TEIL 

1.

Wie das sagenumwobene Gurukaramta entdeckt wurde

Sechs Monate nach den Kämpfen, die im ersten Teil dieser wahrheitsgetreuen Geschichte beschrieben wurden, genoß Kapitän Corcoran, inzwischen Maharadscha des Marathenreiches, die wohlverdienten Früchte seiner Weisheit und seiner Siege. Nichts mag sein Glück trefflicher wiedergeben als jener Brief, den er damals an den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Lyon schrieb und in dem er jenem schilderte, wie er im Ghatsgebirge sowie in den Tälern des Narbada und Godavari nach dem sagenumwobenen Gurukaramta gesucht hatte.

Maharadscha Corcoran I.

An den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Lyon

„Bhagavapur, den 11. Oktober 1858

Das Jahr zwei unserer Regierung und der vierhundertdreiunddreißigtausendsiebenhundertundneunzehnte Tag seit der achten Inkarnation Wischnus

Monsieur,

ich bitte Ihre erlesene Akademie vielmals die Verspätung zu entschuldigen, mit der ich sie über das Resultat der Nachforschungen, die mir aufzutragen sie die Ehre hatte, informieren will. Das Gurukaramta wurde endlich wiedergefunden, und ich habe das Vergnügen, Ihnen heute eine Kopie dieses Schriftstückes zu schicken, dessen Ursprung nach Meinung der gelehrtesten Brahmanen aus dem Jahr zweitausendfünfhundert vor Christo datiert. Ich nehme meinerseits an – ohne der Öffentlichkeit meine Meinung aufdrängen zu wollen –, daß es achthundert Jahre vor der Sintflut entstanden sein muß und von Noah in Verwahrung genommen wurde, als er sich in aller Eile mit seiner Frau, seinen Kindern und einem Paar aller damals auf der Erde lebenden Tiere auf seine Arche begab.

Verschiedene Umstände haben die Entdeckung und Übersendung des Gurukaramta um einige Monate verzögert. Einer der wesentlichsten Gründe hierfür, der auch für Sie nicht ohne Interesse sein dürfte, denn er wird mir trotz aller Verpflichtungen sicher erlauben, der Wissenschaft auch weiterhin meine Aufmerksamkeit zu widmen, ist folgender: Es hat dem Allmächtigen gefallen, aus mir den Hirten eines Volkes zu machen. Um das klarzustellen: Nichts lag mir ferner als der Gedanke, was immer es sei, regieren zu müssen, ausgenommen meine Mannschaft und meine Brigg; aber Gott ließ mir nur die Wahl zwischen zwei Extremen: entweder über die Marathen zu herrschen oder mich von den Engländern erschießen zu lassen. Die Akademie wird sicher Verständnis dafür haben, daß ich nicht zögern konnte, mich für ersteres zu entscheiden, und ich bin gewiß, daß sie meinen Schritt billigen wird.

Ich wage zu hoffen, daß die Akademie ebenfalls erfreut sein wird zu erfahren, daß sich meine Gefährtin Louison, deren Intelligenz, deren Mut, deren Krallen und Zähne mich mehr als einmal aus mißlichen Situationen befreit haben, bester Gesundheit erfreut und fröhlich in meinem Palast lebt. Sie werden im Bhagavapurer Anzeiger (von denen die letzten Nummern seit meinem Regierungsantritt beizulegen ich die Ehre habe) die Geschichte ihrer Heldentaten und unvergleichlichen Kühnheiten lesen, die sie am Tag ihres bisher letzen Kampfes gezeigt hat. Horatius konnte es nicht besser machen, als er die Etrusker daran hinderte, die Tiberbrücke zu stürmen.

Ich wäre glücklich, Herr Präsident, wenn Sie die Insignien des Tigerordens annehmen würden, den ich gestiftet habe, um Louison zu ehren. Diese Insignien bestehen aus einem diamantenbesetzten Kreuz an einem blauen Band, die ich Ihnen mit gleicher Post zusende. Die Diamanten haben keinen großen Wert – höchstens siebenhunderttausend Franc –, aber ich weiß, daß Ihnen die Wertschätzung meiner lieben Louison über den Preis der Steine gehen wird. Ein Philosoph wie Sie darf nicht wie ein Bankier behandelt werden.

Der Erste Offizier meiner Brigg Sturmsohn, den ich zum Admiral der Marathenflotte gemacht habe, ist ermächtigt, Ihnen all unsere Abenteuer zu berichten. Er ist kein Gelehrter, und ich glaube nicht, daß er außer lesen und schreiben, und der Handhabung von Sextanten und Kompaß noch etwas kennt, doch beim Manövrieren in schwerer See hat er nicht seinesgleichen, und wenn ein Mitglied der Akademie mir die Ehre geben will, meinen Staat zu besuchen, so hat Kai Kermadeuc Order, ihn an Bord zu nehmen und wie einen Fürsten zu behandeln. Wollen Sie, verehrter Herr Präsident, stellvertretend für alle ehrenwerten Mitglieder der Akademie, den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung entgegennehmen.

Corcoran I.

Herrscher der Marathenkonföderation“

Dieser Brief wurde dem Akademiepräsidenten während einer Sitzung überbracht, und er beeilte sich, die Anwesenden davon in Kenntnis zu setzen und Kai Kermadeuc, den Kommandanten der Sturmsohn, rufen zu lassen.

Der Admiral der Marathenflotte näherte sich schwankend wie ein Zweig im Wind. Er war ein alter Seebär, wettergebräunt und mit lederner Haut, der dreimal Kap Horn und neunmal das Kap der Guten Hoffnung umsegelt hatte und der einen Abscheu vor dem Land hatte wie Katzen vor dem kalten Wasser.

Als er seine Mütze verlegen mit den Fäusten walkte und ein Gesicht machte wie ein Schüler, der seine Lektion schlecht gelernt hat, glaubte der Präsident der Akademie ihm zu Hilfe kommen zu müssen.

„Beruhigen Sie sich, guter Mann“, sagte er freundlich, „und erklären Sie uns bitte den Auftrag, den Ihnen Seine Majestät der Maharadscha der Marathen, für die Akademie mitgegeben hat.“

„Na ja“, sagte Kermadeuc mit donnernder Stimme, die die Fensterscheiben erzittern ließ, „also, da wollen wir mal. Mein Käptn ist genau der Mann, von dem Sie reden, und er hat sich also, na ja, mit seiner Brigg Sturmsohn, ein herrliches Schiff übrigens, das bei ruhiger See gut und gerne seine achtzehn Knoten macht, bei stürmischer See…, aber na ja, also, er kam nach drei Wochen – gute Zeit übrigens bei der Flaute zwischen Madagaskar und Goa, na ja, also er kam in dieses Land von Fürst Holkar, ziemlich alt, der Mann, aber reich, steinreich, edelsteinreich, na ja, und der hatte Ärger mit den Engländern, weil er ihnen keine Rupien mehr und auch nicht seine Tochter geben wollte. Na ja, unser Käptn guckt sich das Mädchen an – ein Mädchen, sag ich Ihnen, schön wie die heilige Jungfrau, also, er guckt sich das Mädchen an und sagt: ‘Ich bin Franzose.’ Na ja, ab da lief die Sache. Er holte seine Reitpeitsche raus und drischt auf die Engländer ein, mein Gott, drischt der auf die Engländer ein – tüchtige Seeleute übrigens, aber zu Land…, na ja; und Louison, was seine Tigerin ist, die beißt denen reihenweise die Hälse ab wie Wildgänsen. Als das der Alte sieht, stirbt er, seine Tochter, seine Rupien, sein Königreich, na ja, und die ganzen kaffeebraunen Leute da, also das hinterläßt er alles unserm Käptn, na ja, und nun ist er auf einmal von heute auf morgen Kaiser, ja, genauso einer wie unser Zwirbelbart…, na ja, was kann einem schon Besseres passieren?“

Alle Anwesenden waren sich darin einig, daß Corcoran in der Tat es nicht hätte besser treffen können; und der ständige Sekretär, neugierig wie eh und je, fragte den Seemann, auf welche Weise denn nun Kapitän Corcoran zu dem sagenumwobenen Gurukaramta gekommen sei.

„Na ja“, ergriff Kermadeuc wieder das Wort, „das war eigentlich ganz einfach. Als der Käptn Kaiser geworden war und reich und ganz nett verheiratet, na ja, da begann er sich zu langweilen. Ich sag zu ihm: ‘Käptn, Sie sind nicht glücklich. Liegt das an Madame Sita?’

Sie müssen wissen, meine Herren, die Hochzeit bekommt nicht jedem, na ja, was soll ich Ihnen sagen, also, wenn Madame Kermadeuc mit sich und der Welt uneins ist, soll es ja geben, also da reiß ich die Tür auf und mach mich davon, aber wie ich mich davonmache! Ohne meinen Hut mitzunehmen!