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Es ist mir nicht schwergefallen, das Vertrauen der Maharani Sita zu gewinnen. Die Fotografie, die in diesem zurückgebliebenen Land gänzlich unbekannt ist, hat mir als Legitimation gegenüber Sita gedient, die dem Vergnügen nicht widerstehen konnte, sich und ihr Kind abgebildet zu sehen. Inzwischen wurde die Aufnahme in zwanzigtausend Exemplaren reproduziert. In jedem Fall ist das für das Signalement wichtig. Aus diesem Grund habe ich auch versucht, das Porträt des Maharadschas in meine Sammlung einzureihen, doch er hat sich bisher strikt geweigert, mir zu posieren, und ich habe Angst, falls ich zu sehr in ihn dringe, seinen Verdacht zu wecken.

Dafür hat er, nachdem ich ihm den Brief von Sir William Barrowlinson überreichte, keine Mühen gescheut, mir seine Waffen, sein Geld, seine Pferde zur Verfügung zu stellen, und mich bevollmächtigt, nach Belieben in seinem Staat kommen und gehen zu können. Dank meiner perfekten Beherrschung der Hindisprache ist es mir gelungen, die verschiedensten und auch verläßlichsten Informationen zu erhalten, und ich beeile mich, mit derselben Post Eurer Lordschaft einen Plan über seine Streitkräfte zu Lande und zu Wasser zu schicken. Ich sage zu Wasser, denn trotz des Abscheus der Hindus gegen die Marine hat der Kapitän seine Brigg kriegsmäßig ausrüsten lassen, sei es, daß er das Schicksal, das ihm Eure Lordschaft zugedacht hat, durchschaut und das Schiff für seine Flucht bereithält, sei es, daß er Möglichkeiten sieht, seinen Mitkämpfern dadurch Hilfe zu leisten. Eure Lordschaft werden durch Eure Klugheit eher in der Lage sein, die wahren Gründe für das Verhalten dieses Abenteurers einzuschätzen.

Ich erlaube mir, Eure Lordschaft darauf hinzuweisen, daß Corcorans Armee, deren Zahl auf beiliegender Tabelle vermerkt ist, nicht – wie es den allgemeinen Gepflogenheiten im Orient entspricht – eine Armee nur auf dem Papier ist. Es gibt außerdem in dieser Armee keine Müßiggänger. Ich hatte mehr als einmal Gelegenheit, mich persönlich davon zu überzeugen, mit welcher Exaktheit der Kapitän die Effektivität und taktische Schlagkraft seiner Truppen überprüft, und ich darf hinzufügen, daß es wünschenswert wäre, wenn die Sepoys und Sikhs, die im Dienste der Königin Victoria stehen, die Disziplin und Solidität dieser Marathen hätten.

Eine Sache hat den Maharadscha sehr populär gemacht: Das ist seine unbedingte Integrität vor dem Gesetz. Er achtet streng darauf, jedem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In dieser Hinsicht ist er genauso unnachgiebig, wenn das Gesetz übertreten wird. So hat er einige hundert Räuber aufknüpfen lassen, die unter der Herrschaft seines Vorgängers ungestraft das Land ausplündern und verwüsten durften. Mehrere von ihnen haben versucht, ihn mit gewaltigen Summen zu bestechen, um ihr Leben zu retten; aber er hat niemanden begnadigt, sondern ihr zum Teil recht erhebliches Vermögen an die Armen verteilt. Eure Lordschaft wird sicher mit mir einer Meinung sein, daß diese Großzügigkeit, die so wenig kostete, ihm beim Volk eine ungeheure Popularität verschafft hat.

Das bringt mich geradewegs zum Hauptpunkt meines Berichts. Ich wage zu hoffen, daß Eure Lordschaft mir Verständnis entgegenbringen wird, daß ich meine Befugnisse geringfügig überschritten habe.

Die Vernichtung der wichtigsten Räuber hat dem Banditentum ein Ende gemacht, und die meisten dieser armen Teufel, die dieses abscheuliche Gewerbe ausübten, gehen inzwischen einem ehrenwerten Beruf nach. Andere haben das Land verlassen und erproben ihr Talent in Bengalen, wo ich das Vergnügen hatte, sie zu fangen und einige hängen zu lassen. Unter diesen (ich meine die, die ich in Bengalen aufgegriffen habe, nicht die, die ich hängen ließ) befand sich einer von der schlimmsten Sorte, ein gewisser Punth-Rombhoo-Baber, kurz Baber genannt, was in Hindi ‘der Tiger’ heißt. Baber also hat sich seit seiner Jugend durch die brillantesten Heldentaten hervorgetan. Ich würde nicht behaupten wollen, daß er Vater und Mutter umgebracht habe, aber abgesehen davon hat er wohl alle Arten von Verbrechen begangen. Mit fünfzehn hatte er bereits einen berüchtigten Ruf. Seine Geschicklichkeit, sich den Händen der Polizei und der Justiz zu entziehen, grenzt fast ans Wunderbare. Um nur ein Beispiel zu nennen. Er sollte gepfählt werden, doch als man ihn aufspießen wollte, brach der Pfahl, und Baber machte sich die allgemeine Verwirrung zunutze, den Ganges zu durchschwimmen und in Gwalior unterzutauchen. Ein andermal wurde er gehängt, allerdings so schlecht, daß er – ohne daß der Strick gerissen wäre – weiteratmen konnte. Zwei Stunden danach schnitt man ihn ab, um ihn zu sezieren, und Doktor Francis Arnolt, Chirurg im 48. Sepoylinienregiment, wollte ihm mit dem Skalpell die Brust öffnen, als Baber die Frechheit besaß, vom Seziertisch aufzustehen, dem verwunderten Doktor das Skalpell aus den Händen zu reißen, zur Tür des Krankenhauses zu springen und sich durch mindestens vier- oder fünfhundert Menschen hindurchzuschlängeln, ohne daß es jemandem in den Sinn gekommen wäre, Hand an ihn zu legen. Er floh nach Benares, wo ich ihn traf, als mir Eure Lordschaft befahl, mich nach Bhagavapur zu begeben.

Dieses Zusammentreffen war eine göttliche Fügung. Obwohl ich ohne Übertreibung sagen darf, daß ich alle Schliche meines Berufes bestens kenne, so ist eine solche Hilfskraft wie Baber von unschätzbarem Wert. Es ist ein außergewöhnliches Glück, daß sich dieser Verbrecher über Kapitän Corcoran beschweren zu müssen glaubt, der ihn aus dem Land der Marathen gejagt hat. ‘Ohne ihn’, so sagte er mir, ‘würde ich ruhig in diesem Land leben; ich würde in aller Ruhe ein durch fleißige Arbeit erworbenes Vermögen genießen und mit meinen Kindern und meiner Frau wie ein Patriarch unter meinen Feigenbäumen und Weinstöcken sitzen.’

Ein noch merkwürdigeres Motiv, worüber Eure Lordschaft sicher laut auflachen wird, hat ihn zum unnachgiebigen Feind des Maharadschas gemacht.

Baber glaubt, daß er der größte Dieb seiner Zeit und in der Ausübung seines Gewerbes unschlagbar ist. Wenn er auch im Laufe seines Lebens einige Mißerfolge erlitten hat, so sind diese Fehlschläge, so sagte er mir, nicht die Folge mangelnder Intelligenz, sondern der Sensibilität seines Herzens. Zweimal haben ihn Frauen verraten und verkauft, doch heute, wo er von seiner blinden Leidenschaft für das trügerische Geschlecht frei ist, wo er reif an Erfahrung und Jahren ist, schmeichelt er sich, niemanden fürchten zu müssen; und die Aussicht, von der englischen Regierung begnadigt zu werden und obendrein noch dreihunderttausend Rupien (ich hoffte, nicht zu sehr Hasard zu spielen, als ich ihm diese Summe seitens Eurer Lordschaft versprach) zu erhalten, vor allem jedoch die verlockende Aussicht, Kapitän Corcoran, den alle Marathen für unbesiegbar halten, lebend oder tot zu ergreifen und somit seine glorreiche Karriere durch einen großartigen Handstreich zu krönen; das alles also bewegte Baber, in das Unternehmen einzuwilligen.

Was die Mittel der Ausführung anbetrifft, so kenne ich ihn. Man kann sich auf ihn verlassen. In seiner Jugend war er einer der berüchtigtsten Bandenchefs der Thugs; lange Zeit hat er Banden von fünf- bis sechshundert Männern kommandiert. Von seinen alten Kumpanen hat er inzwischen etwa dreißig um sich geschart, die mindestens zweimal zum Tode verurteilt wurden. Dreißig, das dürfte genug sein, denn ich will Eurer Lordschaft nicht verhehlen, daß Babers Ziel nicht darin besteht, Corcoran gefangenzunehmen (ein beinahe unmögliches, Unternehmen), also ihn der englischen Regierung vom Hals zu schaffen. Eine für uns akzeptable Lösung, so glaube ich.

Ich muß Eure Lordschaft nicht noch extra darauf hinweisen, daß sein Name auf keinen Fall in dieses Unternehmen hineingezogen wird, damit Eure Lordschaft jede Kenntnis und Beteiligung eines solchen Unternehmens ableugnen kann. Allerdings habe ich Baber meine Vollmachten, die mir Eure Lordschaft bei der Abreise nach Bhagavapur ausgehändigt haben, gezeigt, denn dieser ehrenwerte Herr wollte seiner Begnadigung und der dreihunderttausend Rupien, die ich ihm versprochen habe, absolut sicher sein. Aber Eure Lordschaft mögen beruhigt sein, ich habe diese Papiere Baber nur gezeigt, nicht ausgehändigt.