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Die erste Handlung des Maharadschas war, sich in die Arme seines Freundes zu stürzen.

„Was für ein glücklicher Zufall!“ rief er.

„Zufall“, erwiderte der Neuangekommene und stieg aus der inzwischen gelandeten und verankerten Gondel. „Ganz und gar nicht, mein Lieber, wir machen unseren Hochzeitsbesuch in der Familie. Darf ich vorstellen, meine Frau.“ Und dabei wies er mit der Hand auf die junge Dame, die ihn begleitete.

„Bei der Göttin Lakshmi, der Sie wie aus dem Gesicht geschnitten sind“, sagte Corcoran und verbeugte sich artig, „wenn es kein Sakrileg ist, zu behaupten, Sie seien so schön wie Sita, aber das sind Sie wirklich, liebe Cousine…“

„Na, na“, meinte Quaterquem, „genug der Komplimente… Wo kann ich mein Gefährt lassen? Denn mir scheint, verehrter Maharadscha, daß du keine Remise besitzt, die groß genug wäre, um es unterzustellen.“

„Dein Luftschiff?“ sagte Corcoran. „Oh, ich denke, wir werden es im Waffenarsenal unterbringen. Scindiah kann den Eingang bewachen.“

„Vor allem mußt du wissen, mein lieber Freund und Cousin“, sagte Quaterquem, „daß ich gewichtige Gründe habe, um den inneren Mechanismus des Luftschiffes vor allen geheimzuhalten. Also, gib mir bitte nur blinde, stumme und taube Wächter.“

„Beim Barte meines Großvaters!“ rief Corcoran. „Scindiah ist der Wächter, der genau richtig dafür ist. Komm her, Scindiah.“ Der Elefant, der friedlich durch den Park getrottet war, näherte sich neugierig, betrachtete aufmerksam den Flugapparat, schien in dieser enormen Masse irgendeinen Sinn zu suchen, reckte nach kurzem Überlegen seinen Rüssel steil zum Himmel und starrte Corcoran durchdringend an.

„Scindiah, bester Freund“, sagte dieser, „du hörst und verstehst mich, nicht wahr? Dieser Gentleman, der hier vor dir steht, ist Monsieur Yves Quaterquem, mein Cousin und bester Freund. Du schuldest ihm Respekt, Gehorsam und Aufmerksamkeit. Das hast du begriffen, schön… Ja, also gut, er wird dir die Hand geben, und du reichst ihm zum Zeichen der Freundschaft den Rüssel.“

Scindiah tat es, ohne sich lange zu zieren.

„Und diese Dame“, fuhr Corcoran fort, „ist meine Cousine und zusammen mit Sita die schönste Frau des Universums.“

Scindiah kniete vor der Dame nieder, faßte behutsam mit seinem Rüssel ihre Hand und setzte sie sich als Zeichen der größten Ergebenheit auf seine Schulter.

„Und nun, da die Vorstellung beendet ist, erhebe dich, lieber Freund, nimm die Leine des Luftschiffs mit deinem Rüssel und zieh es in das Arsenal.“

Was in wenigen Minuten getan war, denn die Kraft des Elefanten entsprach seiner Intelligenz. Dann wurde er als Schildwache vor dem Eingang aufgestellt, mit dem Befehl, keinen in das Arsenal hineinzulassen.

„Und jetzt“, sagte Corcoran zu seinen Gästen, „werde ich euch Sita vorstellen, denn ich bin ebenfalls verheiratet, mein lieber Quaterquem, und meine Frau hat ein ganz niedliches Königreich mit in die Ehe gebracht, wie du siehst.“

8.

Der Malström

Sita empfing ihre Gäste mit der größten Liebenswürdigkeit. Corcoran stellte sie ihr vor und erklärte die verwandtschaftlichen Beziehungen, die ihn mit Quaterquem verbanden.

„Aber jetzt ist es an dir, uns zu erzählen, wie du durch die Lüfte hierhergelangt bist“, sagte er zu ihm.

„Meine Geschichte ist etwas lang“, erwiderte Quaterquem, „deshalb werde ich sie abkürzen. Das letztemal habe ich dich in Paris gesehen, ich glaube in der Rue des Saints-pères, es muß vier Jahre her sein. Damals war ich schon auf der Suche, eine Möglichkeit zu finden, wie man Luftschiffe steuern kann. Ich war ein armer Teufel, lebte von nichts, aß Trockenbrot, trank Wasser aus den öffentlichen Brunnen, trug Schuhe mit durchgelaufenen Sohlen und kleidete mich mit einem Mantel, dessen Ellenbogen das nackte Elend sehen ließen. Doch ich gab nicht auf, suchte, überlegte, und schließlich gelang es mir, mein Problem zu lösen.“

„O heiliger Gott!“ rief Corcoran begeistert aus, „die Welt gehört dir! Noch nie hat jemand so Wichtiges für die Menschheit getan.“

„Beeile dich nicht, mir Beifall zu spenden“, sagte Quaterquem.

„Ich bin nicht der Wohltäter der Menschheit, für den du mich auf den ersten Blick halten magst… Sobald meine Entdeckung gemacht war und mich die Wissenschaft getrost entbehren konnte, verliebte ich mich in Alice, die du hier vor dir siehst und die uns lächelnd zuhört…, verliebte mich über beide Ohren und sogar darüber hinaus in sie; ich schockierte ihre Mutter, trotzte ihrem Vater, einem alten englischen Fossil und Brummbär, ich schlug meinen Rivalen bei ihr aus dem Felde, einen Mister Harrison oder Herrison, der in Kalkutta bis über die Ohren im Baumwollhandel steckte; ich verwirrte diesen armen Jungen so sehr, daß er mit einem Terzerol auf seinen zukünftigen Schwiegervater schoß, weil er glaubte, mich vor dem Lauf zu haben, seinen Gegner, was natürlich den alten Brummbär hinderte, noch etwas gegen unsere Vermählung zu haben; ja, und so machte ich die hier anwesende Miß Alice Hornsby zu meiner Gattin, und ich hoffe, sie hat es bis jetzt noch nicht bereut.“

„Oh, bester Yves, wo denkst du hin“, sagte Madame Quaterquem und schmiegte sich zärtlich an ihren Gatten.

„Ich dachte zuerst daran“, fuhr Quaterquem fort, „meine Entdeckung im Interesse der Menschheit zu veröffentlichen, aber, unter uns, das war eine törichte Idee, denn die Menschheit verdient eigentlich nicht, daß man sich mit ihr beschäftigt; doch ich hatte das unverschämte Glück, daß sich die Akademie der Wissenschaften über meine Entdeckung lustig machte und mich nach dem Gutachten eines ich weiß nicht welchen verknöcherten Gelehrten, der lange nach der Lösung desselben Problems gesucht hatte, ohne es allerdings zu finden, für verrückt erklärte. Zum Glück war ich schon verheiratet, und der alte Cornelius Hornsby, mein Schwiegervater, der mir seine Tochter nur im Tausch gegen das Patent meiner Erfindung geben wollte, weil er es in Frankreich und England ausbeuten wollte, schrie, daß ich ihn schamlos betrogen hätte, gab mir mein Wort zurück, verfluchte mich und schwor, seine Tochter nie mehr wiedersehen zu wollen.“

„Armer Vater“, sagte Alice.

„Diesmal waren Alice und ich unsere eigenen Herren. Alice, die einige Zeit sehr niedergeschmettert war, faßte bald wieder Mut, ich konstruierte mein Luftschiff und fertigte aus Angst vor Indiskretion die einzelnen Stücke in einem Dorf, hundert Meilen von Paris entfernt, selbst an; ich verschaffte mir Lebensmittel und alles übrige, was man zu einer langen Reise braucht, und reiste eines Abends mit Alice ab, entschlossen, in einem Land Zuflucht zu suchen, in dem es keine gelehrte Gesellschaft, geschweige denn einen Akademiker geben sollte.“

„Und du hast Bhagavapur gewählt“, unterbrach ihn Corcoran erfreut.

„Weder Bhagavapur noch irgendeine andere Hauptstadt eines zivilisierten Landes“, erwiderte Quaterquem. „Und zwar aus folgenden Gründen. Der Mensch, mein lieber Maharadscha, du weißt es besser als ich, ist ein blutrünstiges Tier, gehässig, mißgünstig, beschränkt, geizig, streitsüchtig, feige, verfressen, ausschweifend. Vor allem macht es ihm Spaß, seinen Nächsten zu unterdrücken. Ein Weiser hat gesagt: Homo homini lupus. Ich habe also eine Möglichkeit gesucht, nicht der Nächste von irgend jemandem zu sein, und deswegen bin ich mit dem Luftschiff um die Welt geflogen. Ich bin weder, wie du dir denken kannst, in Frankreich, England, Deutschland, ja überhaupt nicht auf einem Fleck in Europa gelandet. Als ich die Städte und Dörfer überflog, sah ich überall Soldaten, Beamte, Bettler, Gefängnisse, Krankenhäuser, Kasernen, Waffenarsenale und Manufakturen, und hinter alldem schleppte sich die Zivilisation dahin. Im asiatischen Teil der Türkei gefiel es mir recht gut. Das ist die schönste Gegend der Welt mit dem mildesten Klima auf dem Globus. Sehnsüchtig betrachtete ich die Bergkämme des Taurusgebirges, und ich war versucht, auf einem dieser Berggipfel, die nur den Adlern zugänglich sind, mein Haus zu bauen. Aber auch dort hätte ich Nachbarn gehabt. Afrika gefiel mir sehr. In den köstlichen Einsamkeiten, die Livingstone beschrieben hat, gegen jede Zivilisation geschützt durch die Herden von wilden Tieren, die den gewaltigen Urwald durchstreifen und sich in den blauen Fluten des Sambesi tummeln, hätten wir uns wie Adam und Eva ein irdisches Paradies errichten können. Eines Morgens, während wir diesem Gedanken nachhingen und mit unserem Gefährt über Zentralafrika hinwegflogen, entdeckten wir fünfhundert Fuß unter uns die kleine Stadt Segou, Hauptstadt eines Königreiches, das so groß war wie Frankreich, und wir sahen durch das Fernrohr ein rätselhaftes, erschütterndes Schauspiel, das ich wohl nie vergessen werde.