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Barclay, der in dem ganzen Tohuwabohu Ruhe und Übersicht bewahrte, hatte nur Sorge, seine englischen Regimenter um sich zu sammeln, und trotz des Geschreis und Getümmels gelang es ihm auch; allerdings war die Artillerie so gut wie außer Gefecht gesetzt. Eine Kiste nach der anderen fing Feuer, und es war gefährlich, sie löschen zu wollen. Schon stand ein Drittel des Lagers in Flammen, und man konnte nur hoffen, daß es nicht weiter um sich griff.

Unglücklicherweise glaubten die Sikhsoldaten, durch den Lärm und die Detonationen geweckt und von umherfliegenden Granatsplittern und explodierenden Kugeln getroffen, daß Barclay beschlossen habe, sie zu vernichten. Deshalb schossen sie auf die englischen Regimenter, die natürlich das Feuer erwiderten. In kaum fünf Minuten bedeckten mehr als dreihundert Tote den Boden. Barclay, der überzeugt davon war, daß er es mit den Verrätern zu tun habe, befahl, mit dem Bajonett gegen sie vorzugehen. In aller Eile nahmen die verschreckten Sikhs Reißaus und flüchteten sich auf das offene Feld. Die englische Kavallerie verfolgte sie mit gezogenem Säbel und mähte erbarmungslos nieder, wen sie erreichen konnte.

Bei Tagesanbruch sah man die Bescherung. Etwa tausend Soldaten von Barclays gesamter Armee, Engländer, Sikhs und Gurkhas, waren tot über die Hügel und die Ebene verstreut; die übrigen Sikhs und Gurkhas hatten Zuflucht in den Wäldern gesucht. Die Engländer hatten einen Großteil ihrer Ausrüstung verloren, vor allem ihre ganzen Lebensmittelvorräte und das Pulver. Gesenkten Hauptes trat Barclay den Rückzug nach Bombay an. Und er hatte gehofft, als Sieger, Millionär, Lord Andover und Marqueß dorthin zurückzukehren.

Dabei blieb ihm auch nicht der Schmerz erspart, jetzt die Ursache seines Desasters zu erfahren. Die Sikhs und Gurkhas hatten nie die Absicht gehabt, ihn zu verraten; das erfuhr er von einigen besonnenen indischen Offizieren, die versucht hatten, ihre Leute zurückzuhalten – ein vergebliches Unternehmen inmitten der allgemeinen Verwirrung, die durch die Feuersbrunst von allen Besitz ergriffen hatte; niemand wollte ihn hintergehen, außer diesem verfluchten Baber. Mit jenem hätte Barclay sehr schnell seine Rechnung beglichen, wenn er gewußt hätte, wo er ihn fassen könnte.

Baber jedoch, der über die Gefühle der Engländer ihm gegenüber keinen Zweifel hegte, war es gelungen, bei dem allgemeinen Durcheinander seinen Wächtern zu entkommen, unterzutauchen und sich so schnell wie möglich aus dem Staube zu machen. Im Augenblick befand er sich auf dem Weg nach Bhagavapur, wo ja unter anderem noch die stattliche Summe von neuntausend Rupien auf ihn wartete.

17.

Asien aus der Vogelperspektive

Aus ihrer Fregatte sahen Corcoran und sein Freund Quaterquem dem imposanten Schauspiel der Feuersbrunst im englischen Lager zu. Beide starrten schweigend in die Tiefe.

„Es ist schrecklich“, sagte schließlich Quaterquem. „Wäre ich nicht dein Freund, so hätte ich diesen Unglückseligen beigestanden. Tausend Tote und zwei- bis dreitausend Verletzte.“

„Mein Freund“, entgegnete der Maharadscha, „es ist besser, den Teufel zu töten, als von ihm getötet zu werden.“

„Ja, zweifellos.“

„Hätte ich mich vorteilhafter aus der Schlinge ziehen können? Dieser Baber ist in der Tat ein wertvoller Spitzbube. In wenigen Sekunden hat er an vier verschiedenen Stellen Feuer gelegt, ohne von jemandem gesehen zu werden. Und mit welcher Geschmeidigkeit er ins Gebüsch gekrochen ist und die Wachen täuschte! Mit welcher Haltung er die Faustschläge und Kolbenstöße ertragen hat! Man redet so viel über den Mut und die Geduld Catos. Mein Freund, Cato war ein Nichts gegen diesen Hindu. Wenn es ihm seit frühester Kindheit vergönnt gewesen wäre, die erstaunliche Festigkeit seines Charakters sinnvoll zu entwickeln, dieser Gauner wäre heute einer der tüchtigsten Männer meines Reiches.“

„Welchen Vorteil hoffst du aus diesem Sieg zu ziehen? Barclay wird in vierzehn Tagen mit einer neuen Armee anrücken.“

„Das glaube ich nicht. Diese Armee wird spätestens in einem Monat aufgestellt, verproviantiert und in Marsch gesetzt werden können. Das ist immerhin etwas. Überdies ist es nicht ausgeschlossen, daß Lord Henry Braddock, von einem so niederschmetternden Beginn des Feldzuges entmutigt, nicht länger darauf beharrt, mich zu besiegen, und deshalb vielleicht in Frieden mit mir leben will; schließlich hat es zwischen uns keine Kriegserklärung gegeben, vielleicht hat er auch eigenmächtig, ohne Zustimmung aus London, gehandelt? Und dann darfst du nicht vergessen, daß man sich erzählen wird, daß auf meinen Ruf hin Wischnus Feuerstrahl vom Himmel gefallen sei und die Engländer vernichtet habe. Wer weiß, was daraus entstehen kann. In dieser Hinsicht rechne ich mit Baber, der viel für die Verbreitung der Legende tun wird… Aber da kommen schon die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Himalaja herauf. Es wird Zeit, daß wir unsere Reise fortsetzen.“

„Willst du in dein Lager zurückkehren?“

„Das eilt nicht, und da die Gelegenheit günstig ist, würde ich mich nicht ärgern, wenn wir uns aus der Vogelperspektive dieses wunderbare Persien anschauten, von dem uns in der Schule so viel erzählt wurde.“

„Wie du willst“, erwiderte Quaterquem und änderte die Flugrichtung der Fregatte.

„Was ist das für ein großer Fluß, der im Himalaja entspringt und sich in den Indischen Ozean ergießt?“

„Erkennst du ihn nicht? Das ist der Indus. Und die Flüsse, die in ihn münden, sind die des Pandschab. Diese gewaltige Sandwüste vor dir am Horizont, die im Norden durch eine hohe Bergkette und im Süden durch den Indischen Ozean begrenzt wird, ist Arachosien und Gedrosien, wo ein großer Teil der Armee Alexanders von Makedonien verdurstete. Die Berge gehören zum Hindukusch, den die Griechen indischen Kaukasus oder Paropamisos nannten. Unsere Kabinettgeographen, die außer der Straße von Paris nach Saint-Cloud noch nichts weiter gesehen haben, werden dir erzählen, daß es hier früher mächtige Völker und fruchtbare Täler gegeben habe. Sieh selbst: Im Süden erblickst du Belutschistan, im Norden Afghanistan und Kafiristan. Wieviel Städte und Dörfer siehst du in diesen von den Griechen als so überaus fruchtbar und bevölkert bezeichneten Gebieten? Wo sind Straßen oder gar Flüsse? Hier und dort kann man in einem schattigen Tal, das sich zwischen zwei Berghängen versteckt, eine Moschee, einen Brunnen und einige Ruinen entdecken. Sind das etwa die großen Städte der Perser und Meder?“

„Haben uns die alten Historiker etwas vorgeflunkert?“ fragte Corcoran.

„Sicher nicht, aber sie hielten für wahr, was ihnen genehm war. Wenn du zum Beispiel liest, daß Lukullus in einer einzigen Schlacht dreihunderttausend Barbaren vernichtet und dabei nur ganze fünf Männer verlor, dann erkennst du die hemmungslose Aufschneiderei dieser Hofberichterstatter. Auch wenn die Griechen behaupten, daß es Xerxes mit drei Millionen Mann nicht gelang, ihr Land zu erobern, das so groß wie drei französische Departements war. Man denkt bei dieser Geschichtsschreibung unwillkürlich an das Märchen vom Däumling und dem Menschenfresser, der mit seinen Siebenmeilenstiefeln bei jedem Schritt sieben Meilen zurücklegte. So ist das.“

„Was ist denn das für ein großer See, der zu unserer Rechten funkelt und das Sonnenlicht zurückwirft?“

„Das ist das Kaspische Meer, und die Karawane, die wir am Horizont sehen und die mitten in der Ebene lagert, kommt von Teheran und zieht nach der heiligen Stadt Balch, dem alten Baktra, der Hauptstadt von Baktrien. Und die Reiter, die noch etwa sieben bis acht Meilen von ihnen entfernt sind, werden räuberische Turkmenen aus Chiwa sein, die die Karawane auf ihrem Weg abpassen, wie im vorigen Jahrhundert der selige Mandrin die Abgesandten der Regierung auf den bequemen Wegen in Burgund erwartete. Jeder übt hier, um zu überleben, das Gewerbe aus, das er am besten beherrscht, wie du an deinem Freund Baber siehst.“