Выбрать главу

Seine Schärfe war so beschaffen, daß Tamerlan damit beim Übergang über den Indus einen afghanischen Reiter vom Scheitel bis zum Gürtel entzweigehauen hatte, wobei der Afghane noch einen Helm aus Stahl getragen hatte.

Als die versprengten Reste der Armee ihn vor dem Hintergrund der Sonne heranpreschen sahen, zweifelte niemand mehr am Glück ihrer Waffen. Die Reihen schlossen sich, und man folgte dem Maharadscha bedingungslos. War es nicht Wischnu selbst, unbesiegbar, der sie führte?

Die englische Kavallerie, die die Flüchtigen verfolgte, hatte wegen der großen Hitze eine Rast eingelegt. Im festen Glauben, nur waffen- und führerlose Reste einer geschlagenen Armee verfolgen zu müssen, hatten die Engländer keinerlei Vorsichtsmaßnahmen gegen einen möglichen Angriff getroffen. Sie hatten die Pferde abgezäumt und sich in einem schattigen Wäldchen neben dem Weg gelagert. Um darüber hinaus nicht die Beute mit ihren Kameraden teilen zu müssen, hatten die englischen Kavalleristen nicht einmal die Ankunft der Infanterie abgewartet. Sie waren ihr etwa zehn Meilen voraus und glaubten, die Armee der Marathen bis zum letzten Mann allein gefangennehmen zu können. Jetzt ließ man es sich im Schatten des Wäldchens wohl sein und hielt ein zweites Frühstück ab.

„Nun, Hauptmann Wodsworth“, fragte Leutnant James Churchill den so Angesprochenen, „was halten Sie von unserer Expedition? Dieser einfach unwiderstehliche Corcoran, von dem man sich so hervorragende Dinge erzählt, hat unserem Angriff nicht widerstehen können.“

„Ja“, erwiderte der andere, „und während Barclay ihn irreführt, haben wir Glück genug, auf keinen ernsthaften Widerstand zu treffen. Aber genau das, mein lieber Churchill, läßt mich daran zweifeln, daß wir Corcoran geschlagen haben. Ich kenne ihn. Ich war vor drei Jahren in Barclays Armeekorps, und ich schwöre Ihnen, daß er uns eine denkwürdige Viertelstunde bereitet hat. Hier jedoch, dank diesem netten Afghanen…“

„Jawohl“, bemerkte Major Mac Farlane, „trinken wir auf das Wohlergehen dieses ehrenwerten Usbeck, unseres Freundes und Verbündeten. Möge Gott unseren Feinden stets solche Offiziere bescheren!“

„Wieviel hat man denn dem Gauner bezahlt?“

„Das ist eine Frage, auf die selbst der General keine Antwort weiß. Ich glaube, daß allein Lord Henry Braddock und seine Polizei den Preis für derartige Verdienste kennen.“

„An welchem Tag können wir wohl in Bhagavapur dinieren?“

„Es wäre besser“, sagte Mac Farlane, „nicht zu weit voraus zu reiten und auf die Infanterie von General John Spalding zu warten.“

„Pah!“ meinte Churchill. „Spalding ist ein alter Geizkragen, der fürchtet, man wolle Holkars Schatz nicht mit ihm teilen. Sind wir mit drei Regimentern guter englischer Kavallerie nicht in der Lage, die Marathen über den Haufen zu reiten und den Maharadscha zum Teufel zu jagen?“

Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als ein Trompetensignal ertönte.

„Was soll das heißen?“ schrie Mac Farlane.

„Zu Pferd, Gentlemen! Zu Pferd!“ schrie Wodsworth.

In Sekundenschnelle waren alle Offiziere und Soldaten auf den Beinen, schnallten ihr Koppel um, griffen nach den Revolvern an ihrer Seite und liefen zu den Pferden.

Was sie als erstes sahen, war eine riesige Staubwolke, die von den herbeieilenden aufgeschreckten eingeborenen Burschen aufgewirbelt wurde. Dabei reckten diese die Arme empor und stießen schreiend hervor:

„Der Maharadscha! Der Maharadscha ist hier!“

Bei diesem Namen, diesem furchtbaren Schrei, fühlten selbst die englischen Offiziere eine seltsame, beklemmende Erregung. Jeder lief, so schnell er konnte, auf seinen Posten. Aber bevor die Soldaten zu ihren Waffen greifen und sich in Schlachtordnung aufstellen konnten, fuhr Corcoran wie der Fuchs unter die Hühner in die englische Kavallerie. Hinter ihm preschten seine Reiter einher, den Säbel in der einen, den Revolver in der anderen Hand, die Zügel zwischen den Zähnen. Die Engländer kamen nicht mehr dazu, ihre Pferde zu besteigen. Und so mußten sie eben zu Fuß kämpfen. Corcoran hatte seinen Revolver leer geschossen, aber er nahm sich nicht die Zeit, ihn wieder zu laden, sondern ritt mit blankem Säbel in die Reihen der Engländer hinein und mähte alles nieder, was sich ihm entgegenstellte.

Durch sein Beispiel mitgerissen, zeigten die Marathen einen Mut, den man ihnen am Morgen noch nicht zugetraut hätte. Der blanke Säbel, der gewöhnlich dem Hindu so große Furcht einflößt, schien ihnen seit jeher vertraut, so spornte sie das Beispiel eines Mannes an, der sein Herz auf dem richtigen Fleck trug.

Dennoch blieb der Kampf gewisse Zeit in der Schwebe. Die Engländer waren anfangs vom Ungestüm Corcorans überrascht worden. Auch mußten sie zu Fuß kämpfen, was ihre Verwirrung sicher noch verstärkte. Bald jedoch hatten sie sich auf den Gegner eingestellt und sich im Gelände verschanzt. Trotz der Hitze lieferten sie eine erstaunliche Probe ihrer Hartnäckigkeit. Nach kurzer Zeit hatten sie die erste Welle der Hindureiterei zurückgeworfen, und Corcoran bemerkte plötzlich, daß ihn sein Ungestüm zu weit von den Seinen kämpfen ließ und er von den Engländern umringt worden war. Er schalt sich einen Narren, weil er auf andere Weise den Fehler der englischen Kavallerie wiederholt hatte. Aber was blieb ihm übrig? Er hatte nur noch ein Zieclass="underline" Sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Mitten im Gefecht merkte er mit einemmal, daß sich die englischen Reihen um ihn lichteten. Jemand kämpfte sich zu ihm durch. Er war sicher, daß es nicht seine Marathen waren, denn die kämpften weit hinter ihm und wichen eher zurück, als daß sie noch Terrain gewinnen konnten. Wer also war es? Ja, wer anders konnte es wohl sein als seine liebe und treue Freundin Louison.

Sie war es tatsächlich. Sobald sie Corcorans Abwesenheit wahrgenommen hatte, entschloß sie sich, ihm zu folgen und ihren Hausarrest zu vergessen. Sie hatte an Garamagrifs Kellerverlies gekratzt, gemeinsam hatten sie dieses scheinbar unüberwindliche Hindernis beseitigt und sich zusammen auf die Suche nach dem Maharadscha gemacht.

Dank ihrem phänomenalen Spürsinn hatte Louison mühelos die Spur ihres Herrn gefunden und war – wie so oft in dieser Geschichte – genau im richtigen Augenblick gekommen, um ihn vor dem Zugriff seiner Feinde zu retten.

Die verwirrten Engländer versuchten vergeblich, sie durch Revolverschüsse von ihren Linien abzuhalten. Mit einem Satz sprang Louison Colonel Robertson von den dreizehner Husaren an die Gurgel und ließ ihn leblos auf dem Feld der Ehre zurück. Das war schade, denn Robertson war ein Offizier, der zu den größten Hoffnungen berechtigte. Besonders beim Bridge waren seine strategischen Fähigkeiten überragend. Garamagrif fiel über Hauptmann Wodsworth her, der seinen Männern zurief: „So schießt doch, ihr verfluch…“

Er hatte nicht mehr die Zeit, seinen Satz zu vollenden, denn Garamagrifs Zähne machten seinem Dasein ein Ende. Ein braver Mann, dieser Hauptmann Wodsworth, der in Benares eine Witwe und sechs kleine Waisen zurückließ. Aber was will man machen – c’est la guerre.

Was auch immer der Gedanke der englischen Husaren sein mochte (und ob sie überhaupt eines Gedanken fähig waren, weiß ich nicht), ihre Pferde begannen hochzugehen, so daß diejenigen, die noch ein Pferd ihr eigen nennen konnten, ihrer nicht mehr Herr wurden. In den englischen Linien griff die Auflösung um sich. Louison und Garamagrif arbeiteten sich immer weiter (und immer schrecklichere Spuren hinterlassend) bis zu dem Maharadscha vor, der an einen Bananenbaum gelehnt stand und, so gut es ging, die Säbelhiebe der ihn umringenden Feinde abwehrte.

Er war durch zwei Revolverschüsse verwundet worden und verlor viel Blut. Etwa ein Dutzend Reiter umringte ihn und versuchte, den Maharadscha lebend gefangenzunehmen.