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27.

Verräter! Überall Verräter!

Die Nacht rettete Corcoran und Louison. Die englische Kavallerie, die einen Hinterhalt fürchtete, wagte nicht, sie weiter zu verfolgen; der Maharadscha hatte sich ein Pferd gegriffen, das an einem Pflock angebunden war. Er schwang sich in den Sattel und galoppierte davon.

Louison wußte nicht, was sie tun sollte. Sie wollte sowohl ihren lieben Garamagrif rächen als auch Corcoran folgen.

„Beruhige dich, meine Liebe“, sagte der Maharadscha, „du wirst ihn in einer besseren Welt wiedertreffen. Vor allem müssen wir die Armee wieder einholen. Diese Nacht die Rettung, morgen die Rache.“

Sein Pferd machte plötzlich in vollem Galopp eine scharfe Wendung, die ihn aus dem Sattel zu werfen drohte. Eine Gestalt erhob sich schemenhaft vor ihm im Dunkel und schien um Gnade zu bitten.

Corcoran spannte seinen Revolverhahn.

„Wer bist du?“ fragte er. „Rede schnell, oder ich schieße dich über den Haufen.“

Schon war Louison, die seit Garamagrifs Tod gegen jeden Menschen eine tiefe Abneigung verspürte, im Begriff, sich auf den Teufel zu stürzen und ihn in Stücke zu reißen.

„Brahma und Wischnu, großer Maharadscha!“ schrie der andere, denn an der knappen und befehlsgewohnten Stimme hatte er seinen Herrn erkannt, „haltet Louison zurück, oder ich bin ein toter Mann. Ich bin Baber.“

„Baber. Was machst du hier? Wo ist meine Armee?“

„Ach, Herr, seit die gesehen haben, daß die Engländer vorgehen, ist ihnen wieder einmal der Schreck in die Glieder gefahren.“

„Und Akbar?“

„Akbar hat fünf Minuten versucht, sie zu sammeln, aber man hat nicht auf ihn gehört. Einer der Reiter, der Euch gestern ins Lager der Engländer gefolgt ist, hat gerufen, daß Ihr tot seid. Bei dieser Nachricht ist die gesamte Kavallerie in Richtung Bhagavapur geflüchtet. Die Infanterie ist ihr gefolgt, und Akbar hat nicht als einziger zurückbleiben wollen. Jetzt müssen sie etwa drei oder vier Meilen von uns sein.“

„Und du?“

„Ich, Herr…, ich habe aus allen Kräften geschrien, daß das eine Lüge sei, daß Ihr am Leben seid, lebendiger als je zuvor, und daß man sich in zwei Tagen davon überzeugen könne.“

„Und wie kommt es, daß ich dich auf der Straße nach Bhagavapur treffe?“

„Ach, großer und erhabener Maharadscha, diese Elenden haben sich so mit der Flucht beeilt, daß sie alle über den Haufen geritten haben, die sich ihnen entgegenstellten.“ Baber seufzte tief.

„Tatsache ist“, meinte Corcoran, wobei er ihn eingehend musterte, „daß du schrecklich zugerichtet bist. Hast du genug Kraft, um zu gehen?“

„Um Euch zu folgen, Herr“, sagte der Hindu, „würde ich sogar auf den Händen laufen.“

Und tatsächlich, dank der Geschmeidigkeit seiner Gliedmaßen gelang es Baber, sich zu erheben und eine Viertelmeile neben Corcorans Pferd herzulaufen, dann verließen ihn seine ohnehin schwachen Kräfte.

Corcoran war besorgt. Nach Louison war Baber jetzt für ihn der wichtigste Verbündete.

„Herr“, sagte Baber, „wir sind gerettet. Ich höre zwei Pferde, die vor einen Wagen gespannt sind, herantraben. Das muß ein Troßwagen unserer Armee sein. Laßt mich machen. Versteckt Euch hinter der Hecke und kommt erst dann hervor, wenn ich Euch rufe.“

Das Hufgetrappel näherte sich.

Als das Gefährt nur noch fünfzig Schritt von dem Hindu entfernt war, schrie jener mit kreischender Stimme:

„Wer will sich zweitausend Rupien verdienen?“

Sogleich hielt der Wagen, und zwei bis an die Zähne bewaffnete Männer stiegen aus.

„Wer redet hier davon, zweitausend Rupien zu verdienen?“ fragte einer von ihnen, der eine Pistole mit langem Lauf in der Hand hielt.

„Herr“, sagte Baber, „ich bin auf den Tod verwundet. Laßt mich hier nicht liegen, bringt mich an einen sicheren Ort, und ich gebe Euch die zweitausend Rupien, wenn wir im Lager sind.“

„Wo sind sie?“ fragte der Mann. „In meinem Zelt, im Lager des Maharadschas.“

„Dieser Wicht macht sich über uns lustig, wir verlieren nur unsere Zeit mit ihm.“

Bei diesen Worten drehte der Mann Baber den Rücken zu und wollte mit seinem Kameraden wieder den Wagen besteigen.

„Zu mir, Maharadscha!“ rief Baber.

Gleichzeitig griff er den Pferden in die Kandare, um sie daran zu hindern, durchzugehen.

Der Mann, der gesprochen hatte, zog eine Pistole. Baber duckte sich und entging so der Kugel, die der Mann auf ihn abgefeuert hatte.

Im selben Augenblick erschien Corcoran. „Halt, Kanaille!“ schrie er donnernd.

Bei dieser ihnen wohlbekannten Stimme und angesichts des leibhaftig vor ihnen erscheinenden Maharadschas warfen sich die beiden auf die Knie.

„Großer und erhabener Herrscher, unser Leben ist in deiner Hand. Was befiehlst du?“

„Legt eure Waffen ab!“ befahl Corcoran.

Sie gehorchten eilig.

Corcoran nahm die Laterne, die an dem Troßwagen hing, in die Hand und leuchtete den beiden ins Gesicht. Voller Verwunderung erkannte er seinen General Akbar.

„Wohin willst du?“ fragte er.

Akbar schwieg.

„Ich will es Euch sagen, Herr“, ergriff da Baber das Wort. „Akbar desertiert. Er hat nichts Besseres zu tun, als ins Lager der Engländer überzulaufen.“

„Das ist nicht wahr!“ schrie Akbar erregt.

„Verräter!“ schrie ihn Corcoran wutschnaubend an. „Und du?“ wandte er sich an Akbars Gefährten.

Akbars Begleiter schien nicht weniger eingeschüchtert als sein Vorgesetzter zu sein. Vergeblich versuchte er zu retten, was zu retten war.

„Herr, ich bin nur ein einfacher Offizier. Ich gehorche nur meinem General.“

Der Maharadscha lächelte verächtlich.

„Baber“, sagte er zu dem ehemaligen Würger von Gwalior, „binde sie an Händen und Füßen, wirf sie auf den Wagen und lenke das Gefährt in unser Lager. Das Kriegsgericht soll über ihr Schicksal entscheiden.“

Baber gehorchte, ohne daß einer der beiden Widerstand geleistet hätte. Corcorans und Louisons Anblick ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.

„Und nun vorwärts, und zwar im Galopp!“ rief der Maharadscha. „Wir müssen in einer Stunde im Lager sein; mittags stellen wir uns den Engländern zur Schlacht, und gegen sechs Uhr abends werden wir Garamagrif und Scindiah gerächt haben, nicht wahr, meine Louison?“

28.

Letzte und fürchterliche Schlacht

Ich glaube, es ist nicht notwendig, daß ich beschreibe, mit welcher Freude der Maharadscha im Lager der Marathen begrüßt wurde. Wenn die Offiziere zitterten bei dem Gedanken an die Strafe, die er für sie bereithalten konnte, so sahen in ihm die Soldaten vertrauensvoll die elfte Inkarnation Wischnus und glaubten, unbesiegbar zu sein, vorausgesetzt, er marschierte an ihrer Spitze.

Corcoran ließ sie antreten und hielt folgende Rede: „Soldaten! Verräter und Feiglinge haben viel Lärm um meinen Tod gemacht. Durch den göttlichen Schutz Wischnus bin ich jedoch am Leben, um zu siegen und zu strafen.

Wir werden uns zum entscheidenden Gefecht stellen, und ich schwöre bei dem leuchtenden Indra, daß der erste, der die Flucht ergreifen sollte, erschossen wird!

Ich schwöre gleichermaßen, daß jeder Offizier oder Soldat, der eigenhändig eine Fahne oder eine Kanone erobert, ab diesem Tag Zemindar sein wird und zehntausend Rupien erhält.

Im Schutz des allmächtigen Schiwa werde ich unter diese roten Barbaren fahren wie die Sichel ins Reisfeld und Tod und Schrecken unter ihnen verbreiten!“