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Er roch den Talg, der als gräulicher Belag fingerdick auf der Plattenrüstung lag, und der Gestank des ranzigen Fetts brachte all seine Sinne in die Schlacht zurück.

Mit einem Schrei warf sich Glandallin gegen den Ork. Die Kante seines Schildes zuckte nach unten und zerschmetterte dem Wesen den Fuß; gleichzeitig schlug er über die Deckung hinweg zu. Die Schneide seiner Axt grub sich knirschend in die ungeschützte Stelle unter der Achsel. Sauber abgetrennt fiel der Arm auf den Stein. Dunkelgrünes Blut schoss in hohem Bogen aus der offenen Wunde.

Der Ork quiekte gellend auf und erhielt im nächsten Augenblick einen wuchtigen, senkrecht geführten Hieb gegen die Kehle.

»Bring deinen Verwandten meinen Gruß und sage ihnen, dass ich auf sie warte!« Glandallin drängte den Sterbenden zurück und schob ihn zusammen mit dem nächsten Angreifer über die Brustwehr. Sie fielen über die Kante und verschwanden in der Tiefe. Der Zwerg hoffte, dass der Aufschlag ein halbes Dutzend ihresgleichen mit in den Tod riss.

Von nun an bekam er keine Atempause mehr. Er rannte auf der Balustrade umher, spaltete Helme samt Schädel und duckte sich unter Pfeilen und Brandgeschossen hinweg, um sich sogleich auf den nächsten Ork zu stürzen.

Die Dunkelheit, die sich mehr und mehr über den Steinernen Torweg senkte, bereitete ihm keine Schwierigkeiten; sein Volk vermochte in finsterster Nacht zu sehen. Aber seine Arme, die Schulter, die Beine wogen von Schlag zu Schlag und von Schritt zu Schritt mehr.

»Vraccas, gewähre uns eine Rast, damit wir zu Kräften kommen können«, keuchte er, während er sich das Orkblut mit den Zöpfen seines Barts aus den Augen wischte.

Und der Gott der Schmiede hatte ein Einsehen.

Hörner und Trombonen signalisierten den Geschöpfen Tions, von den Zinnen abzulassen. Gehorsam begannen die Orks mit dem Rückzug.

Glandallin schickte einen letzten Feind ins Jenseits, ehe er auf den Steinboden sank und nach seinem Trinkschlauch langte. Er zog den Helm ab und goss sich das Wasser über die schweißnassen Haare. Kühlend rann die Flüssigkeit über sein Gesicht und erweckte sein Lebensfeuer.

Wie viele sind uns geblieben? Er stemmte sich in die Höhe, um nach den Verteidigern des Wehrgangs zu sehen. Aus den einhundert waren siebzig geworden; unter ihnen erkannte er die weithin sichtbare Gestalt von Giselbart Eisenauge, ihrem Urvater.

Der Erste aller Fünften stand dort, wo die meisten abgeschlachteten Orks lagen. Seine polierte Rüstung aus dem härtesten Stahl, der in einer Zwergenschmiede jemals geschaffen worden war, schimmerte hell, und die Diamanten, die seinen Waffengurt zierten, funkelten im Schein der brennenden Petroleumlachen. Er erklomm einen Vorsprung, damit ihn jeder sah.

»Bleibt auf euren Posten«, schallte seine feste Stimme über die Zinnen. »Seid standhaft wie der Granit, aus dem wir gemacht sind. Nichts vermag uns zu brechen, kein Ork, kein Oger, keine der Bestien, die Tion zu uns schickt. Wir zerschmettern sie, wie wir es schon seit Tausenden von Zyklen tun! Vraccas ist mit uns!«

Leiser Jubel und zustimmende Rufe ertönten. Ihre Zuversicht, die bedrohlich ins Schwanken geraten war, kehrte wieder; an ihrem Stolz und Trotz würden die Angreifer scheitern.

Die erschöpften Krieger versorgten sich mit Essen und Schwarzbier. Mit jedem Bissen und jedem Schluck fühlten sie sich lebendiger, frischer. Die tieferen Wunden erhielten eine notdürftige Behandlung, klaffende Wundränder wurden kurzerhand mit feinen Bindfäden zusammengenäht.

Glandallin setzte sich neben seinen Freund Glamdolin Starkarm. Während sie aßen, betrachteten sie die gewaltige Orkhorde, die sich etwa hundert Schritt von der Pforte zurückgezogen hatte. Ihm kam es so vor, als wollten sie sich zu einem lebendigen Rammbock formieren und Anlauf nehmen, um die Portale mit der Gewalt ihrer Leiber aufzusprengen.

»So hartnäckig, so erschreckend furchtlos wie in dieser Nacht habe ich unseren ärgsten Gegner noch nie erlebt«, sagte er leise. »Etwas ist anders als sonst.« Schaudernd erinnerte er sich an die sterbenden Bäume.

Eine Axt fiel klirrend auf die Steinplatten zu seiner Linken. Der Zwerg drehte sich zu seinem Kampfgefährten um und sah ihn gerade noch in sich zusammensacken. »Glamdolin!« Rasch packte er ihn, um ihn zu untersuchen, und erschrak. Seine glühende Stirn war voller kleiner, feiner Wasserperlen, die ihm über das Gesicht und in den Bart rollten, und die geröteten Augen blickten fiebrig ins Leere.

Glandallin wusste sogleich, dass die rätselhafte Krankheit sich ein weiteres Opfer gesucht und seinen Freund in die Knie gezwungen hatte. Was die Unholde nicht erreichten, das schaffte das tückische Leiden.

»Ruh dich aus. Es wird bestimmt bald besser.« Er zog den röchelnden Glamdolin zurück bis an die Mauer und bettete ihn sorgfältig. Doch er hegte kaum Hoffnung, dass sich der Zustand seines Freundes bessern würde.

Das Warten zermürbte die Zwerge wie auch die Orks; Müdigkeit, der Feind aller Krieger, breitete sich aus. Glandallin döste selbst im Stehen immer wieder ein, doch als sein Helm mit einem dumpfen Laut gegen die Brüstung schlug, schreckte er hoch und blickte sich um. In der Zwischenzeit waren noch mehr Zwerge Opfer der Krankheit geworden und mussten die Reihen der Verteidiger verlassen. Es sah nicht gut aus für die Kinder des göttlichen Schmieds.

Ein durchdringender Alarmruf brachte sein Herz zum Pochen, die Angreifer erhielten neue Verbündete.

Im kalten Schein des Mondes erblickte der Zwerg die eindrucksvollen Silhouetten gewaltiger Monstrositäten, die viermal so groß wie die Orks waren. Er zählte vierzig von ihnen. Die hässlichen Körper steckten in schlecht geschmiedeten Rüstungen, die prankengleichen Hände schwangen junge, grob zugehauene Tannen als Keulen.

Oger.

Wenn sie über die Zinnen gelangten, müssten sie die Verteidigungslinie aufgeben. Die Kessel mit der siedenden Schlacke waren leer, die Steinreserven vorerst aufgebraucht. Doch Glandallins Zaudern währte nur kurz; ein Blick auf die leuchtende Gestalt von Giselbart genügte ihm, um den Glauben an einen weiteren Triumph über die dunklen Geschöpfe zurückzubringen.

Die Masse der Orks geriet in Bewegung, die heranmarschierenden Oger wurden mit Freudengebrüll begrüßt.

Die gigantischen Wesen, welche die Orks an Hässlichkeit und Ungeschlachtheit noch übertrafen, stapften zur Spitze des Heeres. Dort angekommen, machten sie große eiserne Wurfanker bereit, deren vier Widerhaken jeweils die Länge eines ausgewachsenen Menschen besaßen. Als Nächstes zogen sie lange Ketten durch die Ösen am oberen Ende der Anker.

Als Klettergerät sind die Konstruktionen ungeeignet, überlegte Glandallin. Vermutlich wollen die Oger damit die Mauern des Wehrgangs einreißen. Und so, wie diese Wesen aussehen, könnte es ihnen gelingen.

Die Wurfanker wirbelten durch die Luft und verhakten sich an drei Dutzend Stellen des massiven Vorbaus. Auf einen gebrüllten Befehl hin zogen die wartenden Orks zusammen mit den Ogern an den Ketten. Die Metallglieder spannten sich klirrend, Peitschenknall drang herauf.

Der Zwerg hörte ein leises Knirschen. Das Bollwerk, erbaut von den Händen seines Volkes und seit vielen Sonnenzyklen über standhaft, rang verzweifelt mit der rohen Kraft der Ungetüme.

»Schnell, bringt die Verletzten von hier weg!«, rief er. Heraneilende Helfer, die zuvor noch die Schlackekessel bedient hatten, trugen Glamdolin und all die anderen Kampfunfähigen davon.

Eine Zinne riss ab, die Eisenkralle und die Steinstücke sausten hinab und töteten zwei der Oger und zehn Orks. Aber die Bestien gaben nicht auf. Nur wenig später surrte der Anker erneut heran und verkeilte sich an einer anderen Stelle.

Dieses Mal zogen sich die Zwerge zurück. Sie verließen den Wehrgang gerade noch rechtzeitig und positionierten sich oben auf den Flügeln des steinernen Portals. Die Schmiede hatten vor Jahren stählerne Verschanzungen angebracht, hinter die sich die Verteidiger nun kauerten.