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Glandallin vernahm das Poltern, als die Balustrade abbrach und auf den Torweg stürzte. Die Erde erzitterte unter dem Gewicht, und das Freudengeschrei der Gegner war unbeschreiblich.

Meinetwegen sollen sich die Bestien die Schädel einrennen. Der Zwerg zwang sich zur Ruhe. Diese Pforte würde niemals fallen, weil es mehr als ein paar Wurfkrallen bedurfte, um die Barrikade zu zerstören.

Er schaute vorsichtig über den Rand der schützenden Verkleidung. Weitere Feinde der Zwerge nahten. Auf stattlichen nachtschwarzen Pferden ritten sie zur Spitze des Heeres aus Orks und Ogern. Der Zwerg erkannte die hoch gewachsenen, schlanken Gestalten mit den spitzen Ohren sofort wieder. Sie waren diejenigen gewesen, welche die Zwerge in den Tunneln angegriffen hatten und unter großen Verlusten zurückgeschlagen worden waren.

Die Augen ihrer Pferde glommen dunkelrot, und die Hufe schlugen mit jedem Schritt weißliche Funken. Zwei Reiter preschten bis vor das Portal und erteilten den Orks und Ogern Anweisungen, die ohne Widerworte ausgeführt wurden. Die Scheusale räumten die Trümmer vor der Pforte weg und bereiteten den Weg für einen neuerlichen Sturm.

Die Elben wendeten ihre Pferde und zogen sich zurück, um die Ungeheuer aus sicherer Entfernung zu beobachteten. Einer der beiden Reiter nahm einen gewaltigen Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil auf die Sehne. Die mit Handschuhen geschützten Finger lagen locker an der geflochtenen Schnur; der Schütze wartete, bis sein Einsatz benötigt wurde.

Eilig schleppten die Zwerge Steinbrocken herbei und schleuderten sie auf die Bestien. Einige versuchten, den Wurfgeschossen zu entkommen. Doch kaum wandten sich drei Orks zu Flucht, ruckte der Bogen des Elben in die Höhe. Schneller als Glandallin schauen konnte, sandte er das erste, ungewöhnlich lange Geschoss auf die Reise. Schon brach das Ungeheuer getroffen zusammen.

Während der Ork fiel, hatte der Elb bereits den nächsten Pfeil auf die Sehne gelegt und geschossen; das zweite Ungeheuer starb quiekend, das dritte nur einen Herzschlag darauf. Die anderen Scheusale verstanden die drastische Warnung und kehrten an ihre Arbeit zurück. Keiner wagte es, gegen den Mord an ihren Mitstreitern aufzubegehren; sogar die Unteranführer schwiegen vor Furcht, selbst tödlich gemaßregelt zu werden.

Es dauerte bis zum Morgengrauen, dann lagen keine Trümmer mehr vor dem Tor.

Die Zwerge vom Stamm des Fünften bestaunten ein bizarres Schauspiel. Während sich der Himmel im Osten allmählich hell einfärbte und das Nahen der Sonne verkündete, erhob sich im Norden eine breite Nebelbank. In ihrem Innersten schimmerte es schwarz, silbern und rot; die Farben mengten sich, und ihre Intensität wechselte unentwegt.

Sie bewegte sich über die Köpfe der Ungeheuer hinweg und schwebte entgegen der Windrichtung auf das Tor zu. Die sonst so lärmenden Orks schwiegen, duckten sich ängstlich zusammen und hüteten sich, mit dem lebendigen Dampf in Berührung zu kommen. Auch die Oger wichen zurück. Demütig senkten die Elben die Häupter und entboten dem Brodem einen Gruß, wie er einem Herrscher gebührte. Der schimmernde Nebel senkte sich vor den Reitern zu Boden und verharrte.

Dann geschah das Unfassbare: Ein Ruck lief durch das Portal, der Stein bebte, und der erste der fünf Riegel schob sich zurück. Jemand musste das Unfassbare getan und die magische Losung genannt haben, um das Geborgene Land den Horden preiszugeben!

»Das kann nicht sein!«, rief Glandallin entsetzt und schaute zur anderen Seite des Portals hinab, um den Schuldigen zu entdecken. »Wie …«

Es war Glamdolin Starkarm. Er stand einsam vor der Pforte, die Hände beschwörend gegen das Tor gereckt und die nächste Losung rufend.

»Schweig, du Narr!«, schrie er entsetzt zu seinem Freund hinab. »Was tust du da?!«

Aber der Zwerg wollte ihn nicht hören. Schon glommen die Runen der zweiten Sperre auf. Ächzend schob sich der Riegel zurück.

»Es kann nur verfluchte Magie sein, die gegen uns wirkt«, mutmaßte Glandallin laut. »Der Nebel! Er muss ihn verhext haben!«

Der dritte Riegel löste sich und gab die Eisenbänder am Portal frei.

Jetzt kam Bewegung in die Reihen der Verteidiger. Die ersten sprangen auf und rannten zu den Treppen, um nach unten zu eilen und Glamdolin zum Schweigen zu bringen. Aber schon glitt die vierte Sperre aus ihrer Halterung. Nur noch ein Riegel war übrig und von den Zwergen, welche den Verräter, den Verhexten aufhalten sollten, nichts zu sehen.

»Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig«, erkannte Glandallin grimmig. »Vraccas vergib mir meine Tat, aber es geht nicht anders.« Er nahm seine Axt und schleuderte sie mit aller Kraft und Wut nach dem Freund, mit dem er vorhin noch Seite an Seite gekämpft hatte.

Die Klinge wirbelte durch die Luft, drehte sich um die eigene Achse und zischte in die Tiefe. Der Zwerg hatte gut Maß genommen, seine Waffe fand ihr Ziel.

Glamdolin ächzte auf, als sich die Schneide in die linke Schulter grub. Ein Schwall Blut schoss aus der klaffenden Wunde, und er stürzte zu Boden. Glandallin dankte seinem Gott voller Erleichterung, dass er die Axt geleitet hatte.

Doch es war bereits zu spät, der Verräter hatte sein schreckliches Ziel erreicht. Die letzte Barriere fiel.

Die gigantischen Torflügel bewegten sich langsam. Rüttelnd, widerstrebend schwangen sie zurück, als spürte der Granit, dass er sich für die Falschen öffnete.

Fels rieb auf Fels; aus dem schmalen Spalt wurde eine klaffende Lücke, die sich zu einem wachsenden Durchlass verbreiterte. Nach schier unendlich langer Zeit stand die Pforte offen. Ein letztes Knarren ertönte, dann lag der Weg in das Geborgene Land zum ersten Mal seit der Erschaffung der Welt frei.

Nein! Das darf nicht sein. Glandallin schüttelte seine Lähmung ab. Er folgte Giselbart und den letzten Kriegern die Stufen hinab, um nach unten zu gelangen und das Tor zu verteidigen.

Er traf als Vorletzter an der breiten Öffnung ein. Seine Gefährten hatten sich bereits aufgestellt, die Schilde hielten sie als Schutz vor den Körper, die andere Hand führte die Axt, die gefürchtete Waffe der Zwerge.

Sie standen dicht nebeneinander und bildeten einen kleinen, lebendigen Wall gegen die übermächtige Flut aus Orks, Ogern, Trollen und Elben. Vierzig gegen vierzigtausend.

Ihre Gegner wagten sich nicht vorwärts. Sie fürchteten einen Hinterhalt, denn niemals zuvor hatte sich der Durchgang für sie geöffnet.

Glandallins Augen schweiften über die erste Reihe der widerwärtigen Feinde, hinter der eine zweite, eine dritte, noch eine, wieder eine und viele weitere lauerten. Seine buschigen Brauen zogen sich zusammen, eine tiefe Furche entstand über seinem Nasenbein. Trotz, Hass gegen das greifbar Böse und der unerschütterliche Glaube an die Pflicht festigten ihn.

Giselbart hatte die Formel gesprochen, um das Portal wieder zu schließen. Die Türen schwangen gehorsam, aber langsam, viel zu langsam aufeinander zu. Er schritt die Reihe hinter ihnen ab und legte jedem noch einmal die Hand auf die Schulter. Die Berührung wirkte beruhigend und ermutigend zugleich; sie stärkte die letzten Verteidiger des Geborgenen Landes.

Die Elben gaben Befehle, Trombonen quäkten los. Die Orks und Oger brüllten sich selbst Mut zu, rissen die Waffen in die Höhe und verfielen in donnernden Trab. Der Sturm begann.

»Sie können nur in einer Linie kommen. Gebt ihnen unseren guten Stahl zu fressen!«, rief Glandallin nach rechts und nach links, um seinen Gefährten Mut zuzusprechen. »Vraccas ist mit uns! Wir sind die Kinder des Schmieds!«

»Wir sind die Kinder des Schmieds!«, schrien seine Stammesbrüder zurück, die Füße fest gegen den Fels gestemmt.

Vier der Zwerge stellte Giselbart als letzte Verteidigung ab. Dann warf er seinen Schild weg, zog beide Äxte und gab das Zeichen zum Gegenangriff. Die Letzten aus dem Stamm des Fünften rannten los, um ihren Gegnern den Tod zu bringen.