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Zehn Schritte vor dem Torbogen erfolgte der Zusammenprall der ungleichen Streitmächte. Die Hüter des Torwegs gruben sich wie die Maulwürfe durch die Reihen der Orks, die vorweg gestürmt waren.

Glandallin schwang seine Axt und durchtrennte einen Unterschenkel nach dem anderen. Er hielt sich nicht damit auf, die Bestien zu töten; es reichte ihm, sie zu Fall zu bringen und zum Hindernis für die Nachfolgenden zu machen.

»Ihr werdet niemals an mir vorbeigelangen!«, schrie er ihnen entgegen. Bald haftete stinkendes Blut an seinem ganzen Körper, es troff von der Rüstung und dem Helm und brannte in den Augen. Als ihn die Kraft zu verlassen drohte, warf er eine Axt weg und führte die andere mit beiden Händen. »Niemals!« Knochen brachen, warme Flüssigkeiten ergossen sich über ihn; ein Schwert und ein Speer verletzten ihn leicht, doch er drosch weiter zu.

Es ging nicht um sein Leben. Glandallin wollte erreichen, dass die Pforte sich rechtzeitig schloss und das Geborgene Land sicher blieb. Wenn die Kranken sich vom Fieber erholt hätten, würden sie die Verteidigung übernehmen. Noch ist nichts verloren!, sagte er sich.

Die Runen des Meisterschmieds Borengar aber, die bis zu dieser Stunde wahrlich Wunderbares geleistet hatten, mussten ihren Vorrat an Schutz endgültig verbraucht haben. Glandallin nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie der Kampfgefährte zu seiner Rechten fiel; das Zweihänderschwert eines Orks spaltete dem Zwerg den Schädel.

Getrieben von glühendem Hass und dem Willen, den Mörder niederzustrecken, machte er zwei Ausfallschritte, trieb dem schwarzhäutigen Scheusal die Axt in den Wanst und schlitzte ihn der Länge nach auf.

Der Schatten, der über ihn fiel, warnte ihn zu spät. Vergebens versuchte er, sich unter der herabstoßenden Ogerkeule wegzuducken, aber das schwere Ende traf seine Beine und zerquetschte sie. Schreiend fiel er gegen den nächsten Ork und trennte ihm noch im Sturz den Oberschenkel halb ab. Dann landete er kopfüber im Gewirr der Beine und hieb knurrend um sich, bis kein Gegner mehr in seine Reichweite gelangte.

»Kommt her!«, verlangte er wütend nach neuen Feinden.

Sie straften ihn mit Missachtung. Ihre Gier war zu groß, sie rannten an ihm vorbei, um in das Geborgene Land zu gelangen. Was sollten sie mit zähem Zwergenfleisch, wo doch Besseres auf sie wartete? Einfältigen Tieren gleich drückten und schoben sie, um durch das Portal zu gelangen. Sie scherten sich nicht mehr um den Zwerg, er war besiegt.

Unter Qualen stemmte er seinen Oberkörper in die Höhe, um nach den beiden Granitflügeln zu sehen. Er hoffte, dass die letzte Zwergenreihe standhielt und den Vorstoß abwehrte.

Seine Hoffnung blieb unerfüllt. Er war der letzte Überlebende, die anderen Zwerge lagen tot und aufs Grausamste verstümmelt am Boden, umgeben von den unzähligen Kadavern ihrer erschlagenen Feinde. Die Diamanten an Giselbarts Gürtel glitzerten und wiesen zu der Stelle, an der ihr Stammesherr gegen drei Oger gefallen war. Der Anblick erfüllte Glandallin mit unerträglichem Seelenschmerz und trotzigem Stolz zugleich.

Das Portal hatte sich indes fast geschlossen. Acht Oger stemmten sich verzweifelt gegen die Türen, um sie davon abzuhalten, sich erneut zu verriegeln. Doch die verhornten Fußsohlen rutschten über den Felsweg, denn selbst ihre titanische Kraft vermochte nichts gegen die Magie des Gottes Vraccas auszurichten. Die wenigen Scheusale, die bisher ins Geborgene Land gelangt waren, bedeuteten gewiss keine übermächtige Gefahr für die Menschen, Elben, Zauberer und die vielen anderen Wesen.

Die Morgensonne schob sich über den Gebirgskamm über dem Steinernen Torweg und blendete Glandallin. Er schirmte die empfindlichen Augen mit der Hand, damit er sehen konnte und die Gewissheit erhielt, dass die Pforte nicht mehr die kleinste Lücke aufwies.

Es ist uns gelungen, Vraccas, dachte er erleichtert, als ein glühender Schmerz durch seinen Rücken fuhr. Eine schmale Klingenspitze ragte für den Zeitraum mehrerer Lidschläge aus seiner Brust, ehe sie wieder herausgezogen wurde. Ihm stockte der Atem. »Wer …?«

Der heimtückische Angreifer umrundete ihn und ließ sich vor ihm in die Hocke nieder. Der Zwerg blickte in ein feines Elbengesicht, Sonnenstrahlen schienen durch die blonden Haare und verwandelten sie in goldene Fäden. Die Schönheit litt unter einem Furcht einflößenden Makeclass="underline" Anstelle der Augen sah der Zwerg zwei mandelförmige, unergründlich schwarze Löcher.

Das Spitzohr trug eine schimmernde Plattenrüstung aus geschwärztem Stahl, die bis über die Knie reichte. Die Beine wurden durch Lederhosen geschützt, die dunkelbraunen Stiefel reichten bis unter die Knie. Dunkelrote Handschuhe bewahrten die Finger vor Schmutz, und die Rechte hielt einen Speer mit einer dünnen, blutfeuchten Eisenspitze, die das enge Ringgeflecht des Kettenhemdes durchstoßen hatte.

Der seltsame Elb sprach zu dem Zwerg.

Glandallin verstand ihn wieder nicht, doch der düstere Klang der Worte sandte eisige Schauer über seinen Rücken.

»Mein Freund sagte: Sieh mich an. Dein Tod heißt Sinthoras«, übersetzte jemand hinter ihm. »Ich nehme dir das Leben, und das Land nimmt dir die Seele.«

Glandallin hustete dunkles Blut, es rann aus dem Mundwinkel und sickerte in seinen Bart.

»Geh mir aus der Sicht, niederträchtiges Spitzohr! Ich möchte beobachten, wie sich das Tor schließt«, verlangte er mit schroffer Stimme. Er versuchte, den Gegner mit einem Hieb der Axt zu verscheuchen. Beinahe wäre sie ihm entglitten, denn seine Kraft schwand. »Geh weg, oder ich spalte dich wie einen Strohhalm, verräterischer Elb«, polterte er ungerührt weiter.

Sinthoras lächelte kalt. Er hob den Spieß und fädelte die Spitze in einen schmalen Spalt zwischen den Kettenhemdringen.

»Du irrst. Wir sind die Albae. Wir sind gekommen, um die Elben zu vernichten«, sagte die Stimme in seinem Rücken sanft. »Das Tor mag sich schließen, aber wenn du dich durch die Macht des Landes wieder von den Toten erhebst, wirst du einer von uns sein und es öffnen. Du kennst die Losung.«

»Niemals!«, widersprach der Zwerg. »Meine Seele zieht zu Vraccas …«

»Nein, denn deine Seele gehört nun dem Land, und damit gehörst du ihm auf ewig«, unterbrach ihn die samtene Stimme. »Nun stirb, kehre zurück und gib uns das Geborgene Land.«

Das geschliffene Ende fuhr in das Fleisch des hilflosen, geschwächten Zwerges. Der Schmerz brachte ihn zum Verstummen.

Mit sanftem Druck schob Sinthoras die Klinge ein zweites Mal durch den geschundenen Körper. Er tat es beinahe andächtig, zärtlich, voller Glückseligkeit, dann wartete er auf das Sterben. Eingehend betrachtete er Glandallins vom Todeskampf verzerrte Züge und sog die Eindrücke neugierig in sich auf.

Erst als er sich sicher war, dass alles Leben aus dem letzten Hüter des Steinernen Torwegs gewichen war, stand er auf.

I

Das Geborgene Land, das Zauberreich Ionandar im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus, Frühling

Mit lautem Klingen tanzte der Schmiedehammer auf dem glühenden Stück Eisen herum. Mit jedem Schlag wurde es runder und formte sich, bog sich der Gewalt aus Kraft und Geschick.

Urplötzlich setzte das Konzert aus. Ein unzufriedenes Grummeln ertönte, während die Stahlkiefer einer Zange zuschnappten, das Stück packten und zurück in die Esse warfen. Der Schmied war mit dem Ergebnis seiner Arbeit nicht zufrieden.

»Was machst du, Tungdil?«, fragte Eiden, der Pferdeknecht des Magus Lot-Ionan, voller Ungeduld und strich dem wartenden Vierbeiner über die Nüstern. »Soll unser Ackergaul ewig warten? Ich muss das Feld bestellen.«

Der Zwerg mit dem kurz geschorenen braunen Bart tauchte die Hände in den Wassereimer und nutzte die kleine Unterbrechung, um sich vom Schmutz zu befreien. Sein gedrungener, nackter Oberkörper wurde von einer Lederschürze bedeckt, die Beine steckten in Lederhosen. Mit seinen kräftigen Fingern fuhr er sich durch die langen braunen Haare, um den Schweiß abzuwischen und sich bei der Gelegenheit etwas abzukühlen.