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Madlyn versuchte gar nicht erst, sich zu drücken. Sie rief ihrer Kollegin zu: »Shar, übernimmst du bitte?«, und fügte vielsagend hinzu: »Wird nicht lange dauern«, was darauf hindeutete, dass sie entweder mit der Polizei zu kooperieren gedachte oder auf der Stelle einen Anwalt verlangen würde. Dann nahm sie ihre Jacke vom Garderobenhaken und ging den beiden Polizistinnen voran hinaus.

»Dies ist Detective Sergeant Havers«, stellte Bea vor. »Sie ist von New Scotland Yard gekommen, um uns bei den Ermittlungen zu unterstützen.«

Madlyns Augen glitten zu Havers, dann zurück zu Bea. Sie klang halb argwöhnisch, halb verwirrt, als sie fragte: »Wieso Scotland Yard…?«

»Denken Sie mal scharf nach.« Bea stellte zufrieden fest, dass es sich als unerwartet nützlich erwies, hier und da New Scotland Yard zu erwähnen. Die drei Worte ließen jeden aufhorchen, ganz gleich was er über die Londoner Behörde wusste oder sich lediglich zusammenfantasierte.

Madlyn schwieg. Sie nahm Havers in Augenschein, und falls sie sich fragte, wieso die Beamtin von New Scotland Yard aussah wie die Überlebende einer Flutkatastrophe, ließ sie es sich nicht anmerken. Unter ihren Blicken fischte Havers ein eselsohriges Notizbuch aus der Tasche und schrieb etwas hinein. Vermutlich war es nur der Vermerk, nicht zu vergessen, eine Pastete zu kaufen, ehe sie zum Salthouse Inn zurückkehrte; aber das war Bea gleich. Es sah offiziell aus, und nur das zählte.

»Ich werde nicht gern angelogen«, eröffnete Bea die Unterhaltung. »Es verschwendet meine Zeit, und es zwingt mich, dieselben Fragen zweimal zu stellen. Und überdies bringt es mich aus dem Konzept.«

»Ich habe nicht…«

»Lassen Sie uns bei dieser zweiten Runde im Ring ein wenig effizienter zur Sache gehen.«

»Ich verstehe nicht, wieso Sie glauben…«

»Soll ich Ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen? Vor sieben Wochen hat Santo Kerne mit Ihnen Schluss gemacht, und Ihrer Darstellung nach war die Sache damit erledigt. Mehr wüssten Sie nicht. Punkt. Nein, Sie haben uns keinen Sand in die Augen gestreut. Doch wie sich herausgestellt hat, wussten Sie doch ein bisschen mehr. Sie wussten, dass er sich mit jemand anderem traf, und irgendetwas daran machte Sie krank. Klingt das irgendwie vertraut, Miss Angarrack?«

Madlyn wich ihrem Blick aus. Ihr Hirn lief offenbar auf Hochtouren, und der Gedanke, der es vor allem beschäftigte, schien zu sein: Wer hatte da sein verdammtes Maul nicht halten können? Die Liste der Verdächtigen war vermutlich nicht allzu lang, und als Madlyns Blick auf den Blue-Star-Supermarkt fiel, zeichnete sich eine Art befriedigende Erkenntnis auf ihrem Gesicht ab, gefolgt von Entschlossenheit. Will Mendick, schloss Bea Hannaford, würde sich auf allerhand gefasst machen können.

»Was möchten Sie uns also erzählen?«, fragte Bea liebenswürdig. Sergeant Havers tippte bedeutungsvoll mit dem Stift auf ihr Notizbuch — es war ein angekauter Bleistift, aber jedwedes andere Schreibgerät in einem einwandfreien Zustand hätte dieser Frau auch nicht zu Gesicht gestanden.

Madlyns Blick kehrte zu Bea zurück. Sie wirkte nicht resigniert, eher so als sei ihr Rachedurst gestillt worden. Doch nach Beas Auffassung sollte kein Verdächtiger derart zufrieden aussehen.

»Er hat mit mir Schluss gemacht. Das habe ich Ihnen doch gesagt, und es ist die Wahrheit. Ich habe nicht gelogen, und Sie können mir auch keine Lüge anhängen. Außerdem stand ich nicht unter Eid, also…«

»Ersparen Sie uns Ihr juristisches Fachwissen«, fiel Havers ihr ins Wort. »Soweit ich weiß, ist das hier kein Fernsehkrimi. Uns interessiert es nicht besonders, ob Sie gelogen oder geschummelt oder Polka getanzt haben. Kommen wir zu den Fakten. Dann werde ich zufrieden sein, DI Hannaford wird zufrieden sein und glauben Sie mir Sie selbst ebenfalls.«

Madlyn schien auf den Ratschlag nichts geben zu wollen, denn sie zog angestrengt eine Grimasse, allerdings wohl nur um Zeit zu gewinnen und sich der besten Taktik zu besinnen, denn als sie erneut zu reden begann, erzählte sie eine vollkommen andere Geschichte als beim letzten Maclass="underline" »Also, meinetwegen. Ich habe mit ihm Schluss gemacht. Ich habe geahnt, dass er mich hintergeht, darum bin ich ihm gefolgt. Es ist nichts, worauf ich stolz bin, aber ich musste die Wahrheit erfahren. Und als ich es herausgefunden hatte, habe ich Schluss gemacht. Es hat wehgetan; ich war dumm genug und immer noch in ihn verliebt. Aber trotzdem habe ich Schluss gemacht. Das ist die Geschichte. Und die Wahrheit.«

»Und weiter?«, hakte Bea nach.

»Ich habe Ihnen doch gerade gesagt…«

»Wohin gefolgt?«, mischte sich Havers ein, den Bleistift einsatzbereit erhoben. »Wann gefolgt? Und wie? Zu Fuß? Mit dem Auto? Dem Fahrrad? Mit einem Springstock?«

»Was genau hat Sie krank daran gemacht, dass er Sie betrog?«, fragte Bea. »Die Tatsache an sich, oder war es noch etwas anderes? Ich glaube, "abartig" haben Sie es genannt.«

»Das hab ich nie…«

»Nicht zu uns. Kein Wort. Das ist Teil des Problems. Ihres Problems, meine ich. Wenn Sie Person A eine Version erzählen und der Polizei eine andere, dann rächt sich das früher oder später. Darum schlage ich vor, Sie denken noch einmal gründlich über Ihre Situation nach und tun etwas, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sozusagen.«

»Wo Strangulation doch so ein schmerzhafter Tod ist«, murmelte Havers. Bea unterdrückte ein Grinsen. Langsam fing sie an, Gefallen an dieser unmöglich gekleideten Kollegin zu finden.

Madlyns Kiefermuskeln spannten sich sichtlich. Es hatte den Anschein, als ginge ihr endlich auf, wie es um sie bestellt war. Sie würde sich weiterhin verweigern und die Drohungen und den Spott der beiden Beamtinnen über sich ergehen lassen können oder sie konnte reden. Sie wählte die Option, die sie vermutlich schneller aus den Händen der Polizei befreite.

»Ich bin der Ansicht, die Menschen sollten sich an ihresgleichen halten«, begann sie.

»Und das hat Santo nicht getan?«, fragte Bea. »Was genau heißt das?«

»Genau das, was ich sage.«

»Was?«, hakte Havers ungeduldig nach. »Hat er es hinter Ihrem Rücken mit Ministranten getrieben? Mit Gespenstern? Schafen? Gemüsebrei? Was?«

»Hören Sie auf!«, rief Madlyn. »Er hatte andere Frauen, okay? Ältere Frauen. Ich habe es ihm auf den Kopf zugesagt, als ich es erfahren habe. Und ich habe es erfahren, weil ich ihm gefolgt bin.«

»Da waren wir bereits«, bemerkte Bea. »Wohin sind Sie ihm gefolgt?«

»Polcare Cottage.« Ihre Augen hatten einen merkwürdigen Glanz angenommen. »Er ist nach Polcare Cove gefahren, und ich bin ihm gefolgt. Er ist ins Haus gegangen und… Ich habe gewartet und gewartet, weil ich einfach dämlich war und glauben wollte… Aber nein. Nein. Also bin ich nach einer Weile an die Tür gegangen und habe dagegenckgedonnert und… Den Rest können Sie sich ja wohl denken, oder? Und das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Also lassen Sie mich in Frieden. Lassen Sie mich verdammt noch mal endlich in Frieden!« Und mit diesen Worten zwängte sie sich zwischen den beiden Polizistinnen hindurch und marschierte auf die Tür der Bäckerei zu. Im Gehen fuhr sie sich wütend mit den Handflächen über die Wangen.

»Polcare Cottage?«, fragte Havers.

»Ein überaus hübsches Ziel für einen kleinen Ausflug«, antwortete Bea.

Lynley wusste gleich, dass es keinen Sinn haben würde, das Cottage zu stürmen. Sie war offenbar nicht zu Hause. Entweder das, oder sie hatte den Vauxhall in dem größeren der beiden Außengebäude auf ihrem Grundstück geparkt. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad seines Mietwagens und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Detective Inspector Hannaford zu berichten, was er in Erfahrung gebracht hatte, schien ganz oben auf der Liste zu stehen, aber er fühlte sich noch nicht bereit dazu. Stattdessen wollte er Daidre Trahair die Möglichkeit einräumen, die Dinge zu erklären.