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Thomas sagte: »Da war ein Surfer draußen. Ich konnte nicht ausmachen, ob Mann oder Frau. Ich habe ihn — ich sage jetzt einfach mal "er" — von der Klippe aus gesehen.«

»Was? Vor Polcare Cove?«

»Eine Bucht weiter. Aber ich nehme an, es ist möglich, dass er von hier kam.«

»Aber auf dem Parkplatz stand kein Wagen«, warf Daidre ein. »Er muss also von Buck's Haven gestartet sein. So heißt die Bucht südlich von hier. Oder meinten Sie die nächste Bucht im Norden? Ich habe Sie gar nicht gefragt, aus welcher Richtung Sie gekommen sind.«

»Von Süden«, antwortete er. Und an Hannaford gewandt, fügte er hinzu: »Das Wetter schien mir kaum geeignet. Zum Surfen. Außerdem hatte die Flut die Riffe noch nicht ganz bedeckt. Wenn der Surfer ihnen zu nahe gekommen wäre… hätte er verunglücken können.«

»Jemand ist verunglückt«, erinnerte Hannaford ihn. »Jemand ist gestorben.«

»Aber nicht beim Surfen«, wandte Daidre ein. Dann fragte sie sich, wieso sie diese Bemerkung gemacht hatte, denn es klang, als wollte sie Thomas in Schutz nehmen, was nicht der Fall war.

Hannaford fragte sie beide: »Sie spielen wohl gern Detektiv, was? Ist das ein Hobby?« Sie schien keine Antwort zu erwarten, sondern fuhr an Thomas gewandt fort: »Constable McNulty hat mir erzählt, dass Sie ihm geholfen haben, den Toten zu tragen. Ich brauche Ihre Kleidung für die kriminaltechnische Untersuchung. Ihre Oberbekleidung. Was immer Sie zu dem Zeitpunkt getragen haben. Ich nehme an, dieselben Sachen wie jetzt.« Sie fragte Daidre: »Haben Sie den Toten auch berührt?«

»Ich habe nach seinem Puls getastet.«

»Dann brauche ich Ihre Oberbekleidung ebenfalls.«

»Ich fürchte, ich habe keine Sachen dabei, um mich umzuziehen«, sagte Thomas.

»Gar nichts?« Wieder schaute Hannaford von dem Mann zu Daidre. Sie hatte angenommen, die beiden wären ein Paar, ging Daidre auf. Die Annahme entbehrte wohl nicht einer gewissen Grundlage: Sie hatten zusammen Hilfe geholt und waren jetzt zusammen in ihrem Haus. Keiner von ihnen hatte etwas gesagt, um die Vermutung der Polizistin zu widerlegen. »Wer genau sind Sie beide eigentlich?«, fragte Hannaford. »Und was bringt Sie in diesen Teil der Welt?«

Daidre erwiderte: »Wir haben dem Sergeant unsere Personalien schon gegeben.«

»Tun Sie mir trotzdem den Gefallen.«

»Wie ich Ihnen schon sagte. Ich bin Tierärztin.«

»Wo ist Ihre Praxis?«

»Im Zoo von Bristol. Ich bin heute Nachmittag hierhergekommen, um ein paar Tage auszuspannen. Für eine Woche, um genau zu sein.«

»Seltsame Jahreszeit für Urlaub.«

»Für manche Leute mag das zutreffen. Aber ich ziehe es vor, dann Urlaub zu machen, wenn keine Touristenmassen da sind.«

»Wann sind Sie in Bristol losgefahren?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Es war Vormittag. Vielleicht neun oder zehn. Halb elf.«

»Haben Sie unterwegs irgendwo angehalten?«

Daidre überlegte, wie viel die Polizistin wissen musste. »Einmal kurz, ja«, antwortete sie. »Aber das hat wohl kaum mit dieser Sache…«

»Wo?«

»Bitte?«

»Wo haben Sie haltgemacht?«

»Zum Mittagessen. Ich hatte nicht gefrühstückt. Das tue ich selten. Frühstücken, meine ich. Ich hatte also Hunger, darum habe ich angehalten.«

»Wo?«

»An einem Pub. Nirgends, wo ich für gewöhnlich Pause mache. Nicht dass ich normalerweise überhaupt unterwegs Pause mache, aber da war dieser Pub, ich hatte Hunger, draußen stand: "Mittagstisch", also hab ich angehalten. Das war, nachdem ich von der M5 abgefahren bin. An den Namen des Pubs erinnere ich mich nicht mehr. Tut mir leid. Ich glaube, ich hab den Namen nicht einmal gelesen. Es muss irgendwo vor Crediton gewesen sein, glaube ich.«

»Glauben Sie. Interessant. Was haben Sie gegessen?«

»Ein Ploughman's Lunch.«

»Was für Käse?«

»Das weiß ich nicht mehr. Ich habe nicht darauf geachtet. Ein Ploughman's Lunch eben: Käse, Brot, Mixed Pickles, Zwiebeln. Ich bin Vegetarierin.«

»Natürlich sind Sie das.«

Daidre spürte Wut in sich aufsteigen. Sie hatte absolut nichts verbrochen, aber die Polizistin machte ihr ein schlechtes Gewissen. »Ich finde es problematisch, Tiere einerseits zu behandeln und mich andererseits an ihnen gütlich zu tun, Inspector«, sagte sie so gelassen, wie sie konnte.

»Natürlich«, wiederholte DI Hannaford knapp. »Kannten Sie den toten Jungen?«

»Auch diese Frage habe ich bereits beantwortet.«

»Dann ist es mir wohl entfallen. Sagen Sie's mir noch mal.«

»Ich fürchte, ich habe sein Gesicht nicht deutlich sehen können.«

»Und ich fürchte, das ist nicht, wonach ich Sie gefragt habe.«

»Ich bin nicht aus dieser Gegend. Wie gesagt, das hier ist mein Ferienhaus. Ich komme hin und wieder übers Wochenende. Feiertage. Urlaub. Ich kenne ein paar Leute hier, aber hauptsächlich die, die in der Nähe wohnen.«

»Und dieser Junge wohnte nicht hier in der Nähe?«

»Ich kenne ihn nicht.« Daidre spürte, wie sich der Schweiß in ihrem Nacken sammelte, und fragte sich, ob er ihr auch auf der Stirn stand. Sie war den Umgang mit der Polizei nicht gewohnt, und unter diesen Umständen war er besonders zermürbend.

Jemand klopfte vernehmlich an die Tür, doch noch ehe irgendwer hingehen und öffnen konnte, hörten sie schon zwei Männerstimmen — eine davon Sergeant Collins', und unmittelbar darauf trat er ein. Daidre hatte angenommen, dass es sich bei seinem Begleiter um den Rechtsmediziner handelte, den DI Hannaford angefordert hatte, aber das war offenbar nicht der Fall. Der groß gewachsene, grauhaarige und gut aussehende Ankömmling nickte in die Runde und fragte dann grußlos die Polizistin: »Wo steckt er?«

Worauf sie antwortete: »Ist er nicht im Auto?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Anscheinend nicht.«

»Dieser elende Bengel«, schimpfte Hannaford. »Also wirklich. Danke, dass du so kurzfristig gekommen bist, Ray.« Dann wandte sie sich an Daidre und Thomas. »Ich brauche Ihre Kleidung, wie gesagt, Dr. Trahair. Sergeant Collins wird sie in Empfang nehmen, also gehen Sie sich bitte umziehen.« Und zu Thomas: »Wenn die Kriminaltechnik eintrifft, bekommen Sie einen Overall. Unterdessen, Mr.… Ich weiß Ihren Namen gar nicht.«

»Thomas«, antwortete er.

»Mr. Thomas, ja? Oder ist Thomas Ihr Vorname?«

Er zögerte. Daidre glaubte einen Moment, er würde lügen, denn danach sah es aus. Und das konnte er ja auch, da er keine Ausweispapiere bei sich hatte. Er konnte behaupten, Gott weiß wer zu sein. Er blickte ins Kohlefeuer, als meditierte er über die verschiedenen Möglichkeiten. Dann sah er Detective Hannaford wieder an. »Lynley«, sagte er. »Thomas Lynley.«

Hannaford sah ihn schweigend an. Daidres Blick wanderte von Thomas zu Hannaford, und sie stellte erstaunt fest, wie deren Ausdruck sich veränderte, ebenso wie der des Mannes, den sie Ray genannt hatte. Seltsamerweise war er es auch, der das Wort ergriff. Was er sagte, verwirrte Daidre vollends: »New Scotland Yard?«

Thomas Lynley zögerte erneut. Dann schluckte er. »Bis vor Kurzem«, antwortete er. »Ja. New Scotland Yard.«

»Natürlich weiß ich, wer er ist«, erklärte Bea Hannaford ihrem Exmann schroff. »Ich lebe ja nicht hinterm Mond.« Es sah Ray ähnlich, sie derart herablassend aufzuklären. Er war ja so was von stolz auf sich. Devon and Cornwall Constabulary. In Middlemore. Dort war er Assistant Chief Constable eigentlich ein Schreibtischtäter, fand Bea, aber nie zuvor hatte eine Beförderung das Verhalten eines Menschen in so nervtötender Weise verändert. »Die Frage ist nur, was er ausgerechnet hier zu suchen hat«, fügte sie hinzu. »Collins sagt, er kann sich nicht einmal ausweisen. Also könnte er auch jemand ganz anderes sein, oder?«