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Detective Inspector Hannaford wies Collins an: »Besetzen Sie den Empfang, Sergeant.« Und nachdem er den Raum verlassen hatte, fuhr sie, an Lynley gewandt, fort: »Sie hat gelogen, wie sich herausgestellt hat.«

»Wer?«, fragte er, auch wenn es seines Wissens nur eine "sie" gab, die Gegenstand der Ermittlungen war.

»Das ist doch wohl eine rhetorische Frage«, bemerkte Hannaford. »Unsere Frau Trahair natürlich. In keinem einzigen Pub auf der ganzen Strecke, die sie angeblich von Bristol hier herunter genommen hat, erinnert man sich an sie. Und zu dieser Jahreszeit hätte man sich an sie erinnert, wenn wir bedenken, wie wenig Verkehr derzeit in diesem Teil der Welt herrscht.«

»Vielleicht«, räumte er ein. »Aber es müssen doch mindestens hundert Pubs an der Strecke liegen.«

»Nicht da, wo sie entlanggefahren ist. Zu behaupten, das wäre ihre Route gewesen, war möglicherweise ihr erster Fehler. Und wer einen Fehler macht, macht weitere, glauben Sie mir. Was haben Sie über sie erfahren?«

Lynley berichtete, was er in Falmouth über Daidre Trahair herausgefunden hatte. Er fügte hinzu, was er über ihren Bruder, ihre Arbeit und ihre Ausbildung wusste. Alles, was sie über sich erzählt hatte, habe sich als zutreffend erwiesen. So weit, so gut.

»Und wieso habe ich das Gefühl, dass Sie mir nicht alles sagen, was Sie wissen?«, setzte Bea Hannaford nach, nachdem sie ihn einen Moment lang betrachtet hatte. »Verheimlichen Sie mir irgendetwas, Superintendent Lynley?«

Er wollte entgegnen, dass er nicht mehr Superintendent war. Er hatte überhaupt nichts mehr mit der Polizei zu tun, und deswegen war er auch nicht verpflichtet, ihr alles zu sagen, was er herausgefunden hatte. Doch stattdessen antwortete er: »Sie hat eine eigenartige Internetrecherche gemacht. Mir ist allerdings nicht klar, was das mit dem Mord zu tun haben könnte.«

»Was für eine Recherche?«

»Wunder«, sagte er. »Oder vielmehr Orte, an denen angeblich Wunder geschehen sind. Lourdes, zum Beispiel. Eine Kirche in New Mexico. Da war noch mehr, aber ich hatte nicht die Gelegenheit, alles durchzusehen, außerdem hatte ich meine Lesebrille nicht auf. Sie hat den Internetzugang beim Watchman benutzt. Das ist die Lokalzeitung. Anscheinend ist sie mit dem Herausgeber bekannt.«

»Max Priestley«, rief Constable McNulty von seinem Computer in der Ecke des Raumes herüber. »Er hatte übrigens Kontakt zu dem toten Jungen.«

»Ach, wirklich?«, fragte Bea Hannaford. »Das ist ja mal eine interessante Wendung.« Sie erklärte Lynley, der Constable gehe auf der Suche nach nützlichen Informationen Santo Kernes E-Mails durch.

»Was hat er denn geschrieben?«

»"Es raubt mir nicht den Schlaf. Bring du dich also nicht um deinen." Ich nehme an, das kommt von Priestley; die Absenderadresse lautet jedenfalls "MEP at Watchman dot com". Obwohl es natürlich jeder geschickt haben könnte, der sein Passwort kennt und Zugang zu einem Computer in der Redaktion hat, schätze ich.«

»Ist das alles?«, fragte Hannaford den Constable.

»Das ist alles von Priestley. Aber ich habe eine ganze Sammlung von dem Angarrack-Mädchen, mit dem Absender "at LiquidEarth". Fast schon ein Protokoll ihrer Beziehung. Von locker über vertrauter, intim, heiß bis hin zu… plastisch. Und dann nichts mehr. Als wollte sie keine schriftlichen Spuren hinterlassen, nachdem sie einmal angefangen hatten, es miteinander zu treiben.«

»Interessant«, bemerkte Bea.

»Fand ich auch. Aber "verrückt nach ihm" kommt den Gefühlen, die sie für den Jungen hatte, nicht einmal ansatzweise nahe. Wenn Sie mich fragen: Als die Sache zwischen ihr und Santo in die Brüche ging, hätte sie ihm bestimmt am liebsten die Eier abgeschnitten. Wie war das doch gleich wieder mit den geschmähten Frauen?«

»Die Hölle kennt keine Rache wie die einer verschmähten Frau«, murmelte Lynley.

»Genau. Na ja. Ich würd sagen, wir nehmen sie mal unter die Lupe. Sie hatte bestimmt irgendwann Zugang zu seiner Kletterausrüstung. Oder wusste zumindest, wo er sie aufbewahrt hat.«

»Sie steht auf unserer Liste«, bestätigte Hannaford. »War das alles?«

»Ich hab hier noch ein paar E-Mails von jemandem, der sich "Freeganman" nennt, und ich würde sagen, das ist Mendick. Ich glaube kaum, dass es in der Stadt noch mehr Leute mit seinem Fimmel gibt.«

Hannaford erklärte Lynley das Pseudonym, wie sie davon erfahren hatten und auf wen es verwies. »Und was teilt Mr. Mendick mit?«, fragte sie den Constable.

»"Können wir das für uns behalten?" Nicht besonders aufschlussreich, aber immerhin…«

»Ein guter Grund, mit ihm zu reden. Setzen wir den Blue-Star-Supermarkt also auch auf die Liste.«

»Okay.« McNulty wandte sich wieder dem Bildschirm zu.

Hannaford ging zu einem Schreibtisch hinüber und begann, eine Schultertasche zu durchwühlen, die recht schwer aussah. Schließlich förderte sie ein Handy zutage und warf es Lynley zu. »Der Empfang ist miserabel hier in der Gegend, hab ich festgestellt, aber ich möchte, dass Sie es bei sich tragen, und zwar eingeschaltet.«

»Und aus welchem Grund?«, fragte Lynley.

»Muss ich meine Gründe wirklich darlegen, Superintendent?«

Und sei es nur, weil ich ranghöher bin als Sie, wäre unter anderen Umständen seine Antwort gewesen. »Ich bin nur neugierig«, sagte er indes. »Es deutet darauf hin, dass Sie glauben, ich könne weiterhin von Nutzen sein.«

»Das ist korrekt. Wir sind unterbesetzt, und ich will, dass Sie sich mir zur Verfügung halten.«

»Ich bin aber kein…«

»Blödsinn! Einmal Bulle, immer Bulle. Hier ist Not am Mann, und wir wissen beide, dass Sie einer Situation nicht den Rücken kehren, wenn Ihre Hilfe gebraucht wird. Außerdem sind Sie ein wichtiger Zeuge, und bis ich Ihnen sage, dass Sie gehen dürfen, gehen Sie nirgendwohin. Also können Sie sich ebenso gut nützlich machen.«

»Schwebt Ihnen dabei etwas Bestimmtes vor?«

»Daidre Trahair. Details. Alles. Von der Schuhgröße bis zur Blutgruppe und alles dazwischen.«

»Aber wie soll ich…«

»Oh, bitte, Detective. Machen Sie mir nichts vor. Sie wissen genau, wie man das macht, und Sie haben Charme. Setzen Sie ihn ein. Graben Sie in ihrer Vergangenheit. Nehmen Sie sie mit zum Picknick. Führen Sie sie schick aus. Lesen Sie ihr Gedichte vor. Streicheln Sie ihr die Hand. Gewinnen Sie ihr Vertrauen. Mir ist verdammt noch mal egal, wie, aber tun Sie's! Und wenn Sie es geschafft haben, will ich alles erfahren. Ist das klar?«

Während sie sprach, war Sergeant Collins an der Tür erschienen. »Chef? Da will Sie jemand sprechen. Seltsames Vögelchen namens Tammy Penrule. Sie wartet unten. Sie sagt, sie hat Informationen für Sie.«

Hannaford redete weiter auf Lynley ein: »Und sorgen Sie dafür dass dieses Telefon immer aufgeladen ist. Machen Sie ich an die Arbeit! Tun Sie, was getan werden muss!«

»Mir ist nicht wohl bei…«

»Das ist nicht mein Problem. Außerdem hat Mord nichts mit Wohlbefinden zu tun.«

13

Tammy Penrule saß auf einem der Plastikstühle am Empfang, die Füße fest auf den Boden gestellt, die Hände im Schoß gefaltet, ihr Rücken eine exakte Senkrechte zur Sitzfläche. Sie war vollständig in Schwarz gekleidet aber sie war kein Goth, wie Bea auf den ersten Blick vermutet hatte. Das Mädchen trug weder Make-up noch diesen abscheulichen schwarzen Nagellack, und es war auch nicht gepierct. Vielmehr fehlte jeglicher Schmuck, sodass nichts das Schwarz ihrer Kleidung aufhellte. Sie sah aus, als sei sie in Trauer.