Выбрать главу

»Also, wenn sie sich je eingebildet hat, aus der Sache könnte was werden, dann war sie einfach dämlich«, hatte sie gesagt. »Ich meine, was hatten sie denn schon außer Sex und dem gelegentlichen Date? Falls man es überhaupt Dates nennen kann, was sie zusammen unternommen haben: ehrenamtliche Schiedsrichter bei Surfwettbewerben in Newquay oder eine Pizza oder ein Curry mit ihren zwei grässlichen Töchtern… Nicht gerade das, was ich eine vielversprechende Beziehung nennen würde, oder was meinst du? Was hat sie sich bloß gedacht?«

Cadan war der letzte Mensch auf der Welt, der in der Lage gewesen wäre, diese Fragen zu beantworten, und er hatte überlegt, ob denn Madlyn selbst die Richtige war, um Vorträge über vielversprechende Beziehungen zu halten. Aber er hatte angenommen, ihre letzte Frage sei rhetorischer Natur, und war dankbar gewesen, dass er darauf nicht antworten musste.

Madlyn hatte weitergesprochen: »Sie hätte sich doch nur seine Vorgeschichte ansehen müssen. Aber konnte sie das? Wollte sie das? Nein. Und warum nicht? Weil sie das Vater-Potenzial in ihm gesehen hat, und nur das war es, was sie wollte. Für Leigh und Jennie. Die haben's ja auch weiß Gott nötig, vor allem Leigh.«

Überraschend hatte Cadan eine Erwiderung zustande gebracht: »Jennie ist okay.« Insgeheim hatte er gehofft, dass damit die Sache erledigt war und er in Ruhe seinen Brummschädel pflegen konnte.

Doch Madlyn hatte nicht locker gelassen: »Ja, vermutlich schon — wenn man Kinder in dem Alter mag. Aber die andere… Leigh ist ein richtiges Miststück.« Sie hatte einen Moment geschwiegen, und Cadan hatte festgestellt, dass sie ihn dabei beobachtete, wie er Pooh beobachtete. Er wartete darauf, dass der Papagei sein Frühstück aus Sonnenblumenkernen und Apfel beendete. Pooh bevorzugte englische Apfelsorten Cox, wenn er zu haben war, aber notfalls und außerhalb der Saison nahm er auch mit einem importierten Fuji vorlieb, so wie jetzt.

»Aber Himmel noch mal, er hat die Kinderaufzucht doch schon hinter sich«, hatte Madlyn nachgesetzt. »Warum sollte er sich all das noch mal antun wollen? Und warum war ihr das nicht klar? Mir ist es sonnenklar. Dir etwa nicht?«

Cadan hatte einen unbestimmten Brummlaut von sich gegeben. Selbst wenn ihm nicht danach zumute gewesen wäre, die Toilettenschüssel anzubeten, wusste er es doch besser, als sich mit seiner Schwester auf eine längere oder auch kürzere Debatte über ihren Vater einzulassen. Also hatte er schließlich gesagt: »Komm schon, Pooh. Wir müssen zur Arbeit«, und ihm das letzte Sechzehntel des Apfels gereicht. Doch Pooh hatte es ignoriert und stattdessen begonnen, seinen Schnabel an der rechten Klaue zu reiben. Dann hatte er die Federn unter seinem linken Flügel durchsucht und dort wie ein gefiederter Minenarbeiter herumgefuhrwerkt. Cadan hatte die Stirn gerunzelt; hatte der Vogel etwa Milben?

Unterdessen hatte sich Madlyn dem Spiegel über dem winzigen Kohleofen zugewandt und an ihren Haaren herumgezupft. Früher hatte sie sich nie großartig darum geschert, aber das war auch nie nötig gewesen. Genau wie Cadans Haar und das ihres Vaters war es dunkel und gelockt. Wenn es nur kurz genug geschnitten war, war es überaus pflegeleicht: Einmal ordentlich den Kopf schütteln, und sie war ausgehfertig. Aber sie hatte sich die Haare wachsen lassen, weil Santo Kerne das schöner gefunden hatte. Nachdem die Sache zwischen ihnen — für die Cadan kein Wort fand, denn er wollte es nicht "Beziehung" nennen — vorüber war, hatte er angenommen, sie würde sich die Haare wieder abschneiden lassen. Allein schon, um es Santo zu zeigen. Aber bislang war das nicht passiert. Und sie hatte auch noch nicht wieder angefangen zu surfen. »Tja«, hatte sie mehr zu ihrem Spiegelbild als zu Cadan gesagt, »ich schätze, jetzt wird er sich eine Neue suchen, wenn er das nicht ohnehin längst getan hat. Und sie ebenfalls. Und damit ist die Sache dann erledigt. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir noch ein paar Wochen tränenreicher Anrufe vor uns haben, aber er wird wie immer duldsam schweigen, und früher oder später wird sie die Nase voll davon haben und einsehen, dass sie drei Jahre ihres Lebens weggeworfen hat. Oder wie lange das auch immer gegangen ist — ich weiß nicht mehr. Jedenfalls wird ihr klar werden, dass die Uhr tickt, und dann wird sie sich wieder umschauen. Sie muss einen Mann finden, bevor ihr Verfallsdatum erreicht ist. Und eines kannst du mir glauben: Sie weiß, dass es sich nähert!«

Cadan hatte es an ihrer Stimme gehört, wie zufrieden Madlyn mit sich war. Je länger ihr Vater mit Ione Soutar zusammen gewesen war, umso unruhiger war Madlyn geworden. Sie war fast ihr ganzes Leben lang die alleinherrschende Göttin im Hause Angarrack gewesen; ihre Mutter hatte sich kurz vor Madlyns fünftem Geburtstag aus dem Staub gemacht. Das Letzte, was seine Schwester wollte, war eine Konkurrentin um diese Position, die ihr eine beträchtliche Macht verliehen hatte. Und seine Macht gab niemand freiwillig auf.

Cadan hatte die Zeitung unter Poohs Stange hervorgezogen, die die Frühstücksreste ebenso wie einen beachtlichen Vogelschiss aufgefangen hatte, und sie zusammengeknüllt. Dann hatte er eine frische alte Ausgabe des Watchman ausgebreitet und gesagt: »Also dann. Wir sind dann mal weg.«

»Weg? Wohin?«, hatte Madlyn stirnrunzelnd gefragt.

»Zur Arbeit.«

»Arbeit?«

Es wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, dass sie ein solches Erstaunen zum Ausdruck brachte. »Adventures Unlimited«, hatte er ihr mitgeteilt. »Ich hab da einen Job bekommen.«

Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Cadan hatte gewusst, wie sie die Nachricht aufnahm: Sie fühlte sich von ihrem Bruder verraten — ganz gleich, ob er eine bezahlte Arbeit brauchte.

Nun, sie würde damit klarkommen müssen, egal was sie davon hielt. Er musste Geld verdienen, und es gab so gut wie keine anderen Jobs. Er wollte keine Debatte über Adventures Unlimited mit ihr führen, ebenso wenig wie über Ione Soutar und deren Beziehung mit ihrem Vater. Also hatte er sich Pooh auf die Schulter gesetzt und als eine Art Ablenkungsmanöver gesagt: »Wo wir gerade von Verfallsdaten reden, Madlyn… Was zum Geier hast du vorletzte Nacht bei Jago getrieben? Sein Verfallsdatum hat er ja wohl schon vor vierzig Jahren überschritten.«

»Jago ist ein Freund«, hatte sie ihm erklärt.

»Das hab ich schon kapiert. Ich finde den Typen ja selber nett. Aber mir würde nicht einfallen, die Nacht mit ihm zu verbringen.«

»Willst du etwa andeuten… Du bist ganz schön gehässig, Cadan! Aber wenn du es genau wissen willst: Er kam, um mir von Santo zu erzählen, und er wollte es mir nicht in der Bäckerei sagen. Also hat er mich mit zu sich nach Hause genommen, weil er nicht wusste, wie ich auf die Nachricht reagieren würde. Er sorgt sich nämlich um mich, Cadan.«

»Und wir nicht?«

»Du mochtest Santo nicht. Tu nicht so, als wäre es anders gewesen.«

»Augenblick mal! Zum Schluss hast du auch nicht mehr sonderlich auf ihn gestanden. Oder hat sich daran irgendwas geändert? Ist er zu dir zurückgekrochen, hat um Vergebung gewinselt und dir ewige Liebe geschworen?« Cadan hatte innerlich gejohlt. »Doch wohl kaum«, hatte er geschlossen, und Pooh hatte ergänzt: »Spreng Löcher im Speicher.«

Cadan war unter dem schrillen Krächzen so nah an seinem Ohr zusammengezuckt.

Das war Madlyn nicht entgangen. »Du hast dich gestern Abend wieder betrunken«, sagte sie. »War es das, was du in deinem Zimmer getrieben hast? Was ist nur los mit dir, Cadan?«

Er wünschte, er hätte die Frage beantworten können. Er hätte es nur zu gern getan. Aber er war nun mal in den Spirituosenladen gegangen, ohne nachzudenken, und hatte Gin gekauft und ihn bis zum letzten Tropfen ausgetrunken. Dass er sich zu Hause volllaufen ließ, wäre doch anerkennenswert, hatte er sich eingeredet, wenn man bedachte, dass er ebenso gut in den Pub gehen könnte, an einer Straßenecke sitzen oder noch schlimmer — mit dem Auto herumfahren, während er den Schnaps in sich hineinschüttete. Stattdessen hatte er Verantwortungsgefühl gezeigt: Diskret und innerhalb der eigenen vier Wände hatte er sich die Kante gegeben, wobei er niemandem als nur sich selbst Schaden zufügen konnte.