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Sie runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit — anormal?«

»Er hat einer Freundin hier aus dem Ort erzählt…«

»Das muss Tammy Penrule gewesen sein. Sie interessierte ihn nicht auf die Art, wie andere Mädchen ihn interessierten. Wenn Sie sie gesehen haben, wissen Sie ja, warum.«

»… dass er jemanden kennengelernt habe, aber dass die Situation  anormal sei. Das waren seine Worte. Meinte er vielleicht ungewöhnlich oder abartig? Wir wissen es nicht. Aber er hat sie um Rat gefragt, ob er zu allen Betroffenen offen darüber sprechen sollte.«

Madlyn lachte rau. »Was immer es war, mir hat er nichts davon gesagt. Aber er war…« Sie stockte. Ihre Augen strahlten unnatürlich. Sie hustete und stampfte einmal mit dem Fuß auf. »Santo war eben Santo. Ich habe ihn geliebt, und dann hab ich ihn gehasst. Ich nehme an, er hat eine Neue gefunden, die er ficken wollte. Ficken war sein großes Hobby, verstehen Sie? Ficken war definitiv sein liebster Zeitvertreib.«

»Aber wenn es anormal war… Wieso könnte er es so genannt haben?«

»Ich habe keine Ahnung, und es ist mir auch egal. Vielleicht hatte er zwei Frauen gleichzeitig. Oder eine Frau und einen Kerl. Vielleicht hatte er sich in den Kopf gesetzt, seine eigene Mutter zu vögeln. Ich weiß es nicht.«

Und damit verschwand sie im Laden, wo sie den Anorak abstreifte.

Ihr Ausdruck war hart, aber Bea hatte das untrügliche Gefühl, das Mädchen wisse weit mehr, als es ihr gesagt hatte. Im Moment konnte sie jedoch nichts weiter erreichen, besonders nicht indem sie hier auf dem Bürgersteig herumstand sie konnte allenfalls der Versuchung nachgeben, sich eine Pastete zum Abendessen zu kaufen, was ihr ganz bestimmt nicht guttäte.

Also ging sie zur Polizeiwache zurück. Die Beamten der Taucherstaffel dieser Dorn in ihrem Fleisch erstatteten dort gerade Sergeant Collins Bericht und schilderten ihre Ermittlungsfortschritte. Der Sergeant schrieb alles sorgsam auf die Magnettafel.

»Wie sieht es aus?«, fragte Bea in die Runde.

»Wir haben zwei Fahrzeuge, die in der Umgebung aufgefallen sind«, antwortete Collins. »Ein Defender und ein RAV4.«

»In der Nähe der Klippe? Oder bei Santos Wagen? Wo genau?«

»Das eine war in Alsperyl. Das liegt nördlich von Polcare Cove aber von dort kommt man gut zu den Klippen. Es ist ein ordentliches Stück zu laufen, über die Wiesen, aber wenn man erst mal auf den Küstenpfad kommt, kann man von dort aus gut die Bucht erreichen. Das war der Defender. Der RAV4 wurde ein Stück weiter südlich von Polcare gesichtet, oberhalb von Buck's Haven.«

»Und das ist…?«

»Ein beliebter Surf-Spot. Also vielleicht war das Auto deswegen dort.«

»Wieso "vielleicht"?«

»Es war kein gutes Wetter zum Surfen an dem Tag…«

»Vor Widemouth Bay waren die Wellen besser«, warf Constable McNulty ein, der immer noch an Santos Computer saß. Bea schaute zu ihm hinüber und schärfte sich ein, dass sie unbedingt noch überprüfen musste, was er in den vergangenen Stunden getrieben hatte.

»Wie auch immer«, fuhr Collins fort. »Wir fordern bei der Straßenverkehrsbehörde die Halterdaten aller Defender und RAV4 aus der Gegend an.«

»An die Kennzeichen kann sich niemand erinnern?«

»Leider nicht«, antwortete Collins. »Aber ich glaube kaum, dass es hier besonders viele Defender gibt, also haben wir vielleicht Glück, und ein Haltername kommt uns bekannt vor. Gleiches gilt für den RAV4, obwohl es davon sicherlich eine ganze Menge gibt. Wir müssen die Liste durchgehen und auf einen Namen hoffen.«

Inzwischen seien überdies die Fingerabdrücke aller fraglichen Personen genommen worden, fuhr Sergeant Collins fort, und würden durch die Datenbank gejagt und mit denen aus Santo Kernes Wagen abgeglichen. Die Nachforschungen über die persönlichen Hintergründe der Beteiligten dauerten noch an. Ben Kernes Finanzen seien anscheinend in Ordnung, und die einzige Versicherung, die auf Santo abgeschlossen worden war, reiche gerade aus, um ihn zu beerdigen. Die einzige Person, über die sie bislang etwas Interessantes herausgefunden hatten, sei dieser William Mendick, den Jago Reeth erwähnt hatte. Mendick sei vorbestraft, teilte Collins ihr mit.

»Das ist ja wunderbar«, bemerkte Bea. »Was für ein Vergehen?«

»Angeklagt wegen vorsätzlicher Körperverletzung, in Plymouth. Hat dafür auch gesessen. Er ist gerade erst aus dem offenen Vollzug entlassen worden.«

»Sein Opfer?«

»Ein junger Hooligan namens Conrad Nelson, mit dem er sich geprügelt hat. Der ist jetzt querschnittsgelähmt. Mendick hat die ganze Sache geleugnet… oder sich zumindest damit rausgeredet, dass er besoffen gewesen wäre, und mildernde Umstände geltend gemacht. Sie wären beide betrunken gewesen, hat er behauptet. Aber Mendick hat ein richtiges Alkoholproblem. Seine Sauferei hat in Plymouth regelmäßig zu Schlägereien geführt, und eine seiner Bewährungsauflagen war, dass er zu den Anonymen Alkoholikern geht.«

»Können wir das überprüfen?«

»Ich wüsste nicht, wie. Es sei denn, er legt seinem Bewährungshelfer irgendwelche Bescheinigungen vor, die belegen, dass er dort war. Aber was würde das schon beweisen? Er könnte ganz brav regelmäßig zu den Treffen gegangen sein und das Ganze nur als Show abziehen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Das tat sie allerdings. Aber Will Mendicks Alkoholproblem und seine Vorstrafe waren endlich einmal ein brauchbarer Ansatz. Sie erinnerte sich an Santo Kernes blaues Auge. Nachdenklich schlenderte sie zu Constable McNulty hinüber. Dort sah sie auf Santo Kernes Computermonitor exakt das, was sie erwartet hatte: eine gigantische Welle und einen Surfer, der sie ritt. Verdammter Kerl.

»Constable«, blaffte sie. »Was zum Henker tun Sie da?«

»Jay Moriarty«, antwortete er.

»Was?«

»Das ist Jay Moriarty«, erklärte er und nickte zum Bildschirm. »Da war er sechzehn. Ist das zu glauben? Es heißt, diese Welle war fünfzehn Meter hoch.«

»Constable…« Bea rang um Geduld. »Sagt Ihnen der Ausdruck "sein Schicksal herausfordern" irgendetwas?«

»Und das hier ist Mavericks. Nordkalifornien.«

»Ihr Wissen imponiert mir.«

Ihr Sarkasmus perlte an ihm ab. »Oh, ich kenn mich gar nicht so gut aus. Nur'n bisschen. Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben, aber wie soll man die Zeit finden mit dem Junior zu Hause… Aber die Sache ist die, Chef: Dieses Bild von Jay Moriarty wurde in derselben Woche aufgenommen wie…«

»Constable!«

Er blinzelte. »Ja, Chef?«

»Raus aus dem Internet und ran an die Arbeit! Und wenn ich Sie noch einmal mit einer Welle auf dem Bildschirm erwische, dann schick ich Sie mit einem Tritt in die Stratosphäre. Sie sollen auf Santo Kernes Computer nach Informationen suchen, die mit seinem Tod in Zusammenhang stehen könnten. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, seine Interessen zu verfolgen. Ist das jetzt klar?«

»Aber, die Sache ist, dieser Mark Foo…«

»Haben Sie mich verstanden, Constable?« Sie hätte ihn am liebsten bei den Ohren gepackt.

»Natürlich. Aber hier ist mehr zu entdecken als seine E-Mails! Santo Kerne hat gewisse Websites besucht, und ich geh auf diese Websites, also kann man doch davon ausgehen, dass jeder…«

»McNulty, verdammt noch mal, jeder könnte diese Seiten angeklickt haben. Vielen Dank auch. Ich tue das in meiner Freizeit, und vielleicht lese sogar ich alles über Jay Moriarty, Mark Boo und all die anderen Jungs…«

»Mark Foo«, verbesserte er. »Nicht Mark Boo.«

»Himmel noch mal, McNulty!«

»Inspector?«, rief Collins von der Tür herüber. Er nickte auf den Flur hinaus, von wo er gekommen war, während Bea sich McNulty vorgenommen hatte.

»Was denn?«, fragte sie ungehalten.

»Unten wartet jemand auf Sie. Eine… Dame?« Er schien sich unsicher, ob der Begriff passte.