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Bea fluchte leise. Zu McNulty sagte sie: »Machen Sie sich wieder an die Arbeit, und bleiben Sie dabei!« Dann schritt sie an Collins vorbei und lief die Treppe hinab.

Die fragliche Dame stand unten am Empfang, und als Bea sie sah, nahm sie an, es war ihre Erscheinung, die Collins unsicher bezüglich seiner Wortwahl gemacht hatte. Die Besucherin überflog die Anschläge am Schwarzen Brett, was Bea Gelegenheit gab, sie einen Moment zu mustern. Sie trug einen gelben Regenhut auf dem Kopf, obwohl es nicht mehr regnete, und eine noppige Steppjacke über einer schlammfarbenen Cordhose. Die Füße steckten in leuchtend roten knöchelhohen Turnschuhen. Sie sah nicht aus wie jemand, der mit brauchbaren Informationen kam. Eher wie die Überlebende eines Schiffbruchs.

»Ja bitte?«, fragte Bea. Sie hatte es eilig, und sie machte sich keine Mühe, die Ungeduld aus ihrer Stimme zu halten. »Ich bin Detective Inspector Hannaford. Was kann ich für Sie tun?«

Die Frau wandte sich um und streckte ihr die Hand entgegen. Als sie sprach, entblößte sie einen abgebrochenen Schneidezahn. »Detective Sergeant Barbara Havers«, stellte sie sich vor. »New Scotland Yard.«

Cadan trat in die Pedale, als wäre der Teufel hinter ihm her, und das war keine geringe Leistung, war er doch auf einem Kunstrad unterwegs: nicht dafür gebaut, die Straße entlangzubrausen. Pooh krallte sich in seine Schulter, krächzte empört zu Recht, denn es war die Tageszeit, da die weiter entfernt arbeitenden Menschen nach Hause fuhren, und darum war es voll auf den Straßen. Das galt ganz besonders für die Belle Vue Lane, die einen Teil der Hauptverkehrsader durch die Stadt bildete. Es war eine Einbahnstraße, und Cadan wusste, er hätte mit dem Verkehrsstrom in die Umgehungsstraße abbiegen sollen, die vor einiger Zeit angelegt worden war, um die Innenstadt zu entlasten. Aber das wäre ein Umweg gewesen, und dafür hatte er es zu eilig.

Also fuhr er entgegen der Fahrtrichtung durch die Einbahnstraße, was ihm nicht wenige Hupsignale und wütende Rufe eintrug — kleine Sorgen im Vergleich zu seinem Bedürfnis zu entkommen.

Die Sache war nämlich, dass Dellen Kerne — trotz ihres Alters, das ja eigentlich doch noch nicht so indiskutabel war, oder? — genau die Art sexueller Erlebnisse bot, die Cadan am liebsten waren: heiß, schnell, gierig und fertig. Ohne Reue, ohne Erwartungen. Andererseits: Cackdan war kein Vollidiot. Die Frau des Chefs vögeln? In ihren eigenen vier Wänden, in der Küche? Das war, als setzte man seinen eigenen Grabstein.

Nicht dass Dellen die Absicht gehabt hätte, in der Küche zu vögeln. Sie hatte sich aus ihrer Umschlingung — die Cadan einen leichten Schwindel und raschen Blutzufluss an genau der richtigen Stelle verursacht hatte — gelöst und den sinnlichen Tanz fortgesetzt, den sie zu der Latinomusik aus dem Radio begonnen hatte. Doch nur einen Augenblick später war sie zu ihm zurückgekommen, hatte sich an ihn gedrängt und die Finger über seine Brust wandern lassen. Danach hatte es keiner komplizierten Tanzschritte bedurft, bis sie sich Hüfte an Hüfte und Becken an Becken befanden. Und die Musik hatte einen drängenden Rhythmus, dessen Implikation man unmöglich ignorieren konnte.

Es war ebendieser Augenblick, in dem sich das bewusste Denken gern verabschiedet. Das Großhirn stellt den Dienst ein, und das Kleinhirn, das nur die atavistischsten Motive kennt, übernimmt das Kommando, bis Befriedigung erreicht ist. So war er, als Dellens Hand seine Brust hinabglitt und den empfindsamsten Teil seiner Physiognomie berührte, bereit gewesen, es sofort und ohne Umschweife auf dem Küchenfußboden mit ihr zu treiben, so sie ihn denn ließ.

Er umklammerte ihren Hintern mit einer Hand, die Brust mit der anderen, nahm die Brustwarze fest zwischen zwei Finger und steckte ihr gierig die Zunge in den Mund — doch mit einem heiseren Lachen wich sie zurück. »Nicht hier, Dummerchen. Du weißt doch, wo die Strandhütten stehen, oder?«

»Strandhütten?«, echote er dümmlich. Sein Kleinhirn interessierten Hütten oder Strände nicht.

»Die Strandhütten, mein Süßer«, erklärte Dellen. »Da unten, gleich oberhalb des Strandes. Hier. Da hast du einen Schlüssel.« Sie hatte ihn an einer Kette tief zwischen ihren vollen Brüsten getragen und nahm ihn nun ab. Hatte sie ihn gestern auch schon dabeigehabt? Cadan war keine Kette aufgefallen, und er wollte nicht daran denken, was es bedeutete, wenn sie sie heute erst angelegt hätte. »Ich kann in zehn Minuten dort sein«, stellte sie ihm in Aussicht. »Du auch?« Sie küsste ihn, während sie ihm den Schlüssel in die Hand drückte und seine Finger darum schloss. Und für den Fall, dass er vergessen hatte, worum es hier ging, rief sie es ihm mit einer flinken Geste in Erinnerung.

Als sie von ihm abließ, sah er auf den Schlüssel in seiner Hand hinab. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Dann hob er den Blick, sah sie an. Sah den Schlüssel an, dann wieder sie. Dann die Tür. Dort stand Kerra und starrte sie an.

»Störe ich?« Kerras Gesicht war weiß wie ein Laken. Nur zwei rote Flecken brannten auf ihren Wangen.

Dellen lachte schrill. »O mein Gott«, sagte sie. »Es liegt an der verdammten Musik. Die geht jungen Männern immer ins Blut. Du unartiger Bengel, Cadan! Mich so durcheinanderzubringen! Mein Gott, ich könnte deine Mutter sein!« Sie schaltete das Radio aus. Die Stille, die folgte, war ohrenbetäubend.

Cadan brachte keinen Ton heraus. Er starrte Kerra an und wusste, wenn er sich ihr zuwandte, würde sie die verräterische Wölbung in seiner Hose sehen und was noch viel schlimmer war die feuchte Stelle, die er fühlte. Was, wenn sie ihrem Vater davon erzählte? Wenn sich doch nur der Boden unter ihm auftäte! Er verspürte den unbändigen Drang zu fliehen und genau das tat er. Später wusste er nicht mehr, wie er es geschafft hatte, aber er hatte Pooh von der Rückenlehne des Stuhls gehoben, war aus der Küche gestürzt, als hätte er einen Raketenantrieb, hatte die Stimmen zurückgelassen vor allem Kerras Stimme, deren Tonfall nicht eben freundlich klang. Drei Etagen die Treppe hinab und hinaus ins Freie. Er war zu seinem Fahrrad gehastet und damit losgerannt, hatte es angeschoben, bis es die gewünschte Geschwindigkeit aufgenommen hatte. Dann war er aufgesprungen und hatte in die Pedale getreten.

 O nein! O nein! So 'n Mistverdammtescheiße! Er wusste nicht, was er tun oder wohin er sich wenden sollte, und wie auf Autopilot lenkte er sein Rad zum Binner Down. Er brauchte einen Rat, und zwar schleunigst. Bei LiquidEarth würde er ihn bekommen.

Er bog in die Vicarage Road ein und radelte weiter zur Arundel Lane. Auf der glatten Straßendecke kam er gut voran, doch Pooh protestierte lautstark, als sie das ehemalige Flugfeld mit seinen Fahrrillen und Schlaglöchern erreichten. Aber es war nicht zu ändern. Cadan riet dem Papagei, sich gut festzuhalten, und keine zwei Minuten später warf er das Rad auf die alte Betonrampe an der Wellblechhütte, wo sein Vater Surfbretter baute.

Im Verkaufsraum setzte er Pooh auf die Kasse hinter der Ladentheke. »Nicht kacken, Kumpel«, ermahnte er ihn und öffnete die Tür zur Werkstatt. Dort fand er den Mann, den er gesucht hatte — nicht seinen Vater; der hätte Cadans Geschichte vermutlich mit einer Predigt über die lebenslange Dummheit seines Sohnes kommentiert. Es war Jago, dem er sein Herz ausschütten wollte und der sich gerade in einem kritischen Stadium seiner Arbeit befand und die scharfen Fiberglaskanten an den Rails eines Swallowtail-Boards abschliff. Als die Tür aufflog, sah Jago hoch. Er schien auf einen Blick zu erkennen, in welchem Zustand der Junge sich befand, trat zu dem staubigen Radio, das auf einem ebenso staubigen Regal hinter den Holzböcken stand, und schaltete es aus. Dann nahm er die Brille ab und versuchte, sie am Oberschenkel seines weißen Overalls abzuwischen mit sehr zweifelhaftem Erfolg.

»Was ist passiert, Cadan?«, fragte er. »Wo ist dein Vater? Alles in Ordnung mit ihm? Wo ist Madlyn?« Seine linke Hand zuckte krampfartig.