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Cadan antwortete: »Nein, nein… Keine Ahnung.« Was er meinte, war, dass er annahm, alles sei in Ordnung mit seinem Vater und seiner Schwester, aber in Wahrheit hatte er keinen Schimmer. Er hatte Madlyn seit dem Frühstück nicht mehr gesehen und seinen Vater heute überhaupt noch nicht. Er wollte nicht darüber nachdenken, was dieser letzte Umstand bedeuten mochte. Es wäre eine Sorge mehr, und sein Kopf drohte jetzt schon zu platzen. Schließlich sagte er: »Alles okay, schätz ich. Madlyn wird bei der Arbeit sein.«

»Gut.« Jago nickte nachdenklich und wendete sich wieder dem Surfboard zu. Er griff nach dem Schmirgelpapier, aber ehe er sich an die Arbeit machte, fuhr er mit den Fingerspitzen über die Rails. »Du bist hier reingestürmt, als wäre der Teufel hinter dir her.«

»So ähnlich war's auch. Hast du 'ne Minute?«

Jago nickte. »Immer. Ich hoffe, das weißt du.«

Cadan fühlte sich, als würde ihm eine enorme Bürde von den Schultern genommen, und die Geschichte brach sich Bahn: die Missbilligung seines Vaters, Cadans Träume von den X-Games, Adventures Unlimited, Kerra Kerne, Ben Kerne, Alan Cheston und Dellen. Vor allem Dellen. Es sprudelte ungeordnet aus ihm heraus. Jago lauschte geduldig. Bedächtig schmirgelte er die Rails ab und nickte, während Cadan von einem Punkt zum anderen sprang.

Zum Schluss kam er endlich dort an, wo, wie sie beide wussten, der springende Punkt lag: Cadan Angarrack, in flagranti ertappt, wie es eindeutiger kaum ging, es sei denn, er und Dellen hätten es stöhnend und zuckend auf dem Küchenfußboden getrieben.

Jagos Kommentar lautete: »Wie die Mutter, so der Sohn, könnte man wohl sagen. Ist dir das nicht in den Sinn gekommen, als sie mit dir gespielt hat, Cadan?«

»Ich hab nicht damit gerechnet… Ich kannte sie überhaupt nicht, verstehst du? Sie kam mir gestern schon ein bisschen merkwürdig vor, aber ich hätte nie gedacht… Sie ist… Jago, sie könnte meine Mutter sein!«

»Wohl kaum. Bei allem, was man ihr nachsagen kann, aber deine Mutter hat sich wenigstens an ihresgleichen gehalten.«

»Wie meinst du das?«

»Nach dem, was Madlyn erzählt und sie hat keine sehr hohe Meinung von eurer Mum, hat Wenna Angarrack sich bei der langen Liste ihrer Nachnamen immer in ihrer Altersgruppe bewegt. Der da…«, und Cadan schloss aus Jagos angewidertem Tonfall, dass er von Dellen Kerne sprach, »… ist es völlig egal, wie alt ihr Spielgefährte ist. Ich nehm an, es gab Anzeichen, die du hättest sehen können.«

»Sie hat danach gefragt…«, räumte Cadan ein.

»Wonach?«

»Sex. Sie hat mich gefragt, mit wem ich Sex habe.«

»Und das kam dir nicht ein bisschen komisch vor, Cadan? Dass eine Frau in ihrem Alter dich solche Sachen fragt? Sie wollte dir auf den Zahn fühlen.«

»Ich hab nicht richtig…« Cadan versuchte, Jagos Blick auszuweichen. Über dem Radio hing ein Poster an der Wand: ein hawaiianisches Mädchen, das aus irgendeinem Grund, der sich ihm nicht erschließen wollte, nichts trug als einen Blumenkranz um den Hals und eine Krone aus Palmblättern und das mit lässiger Eleganz über eine stattliche Welle jagte. Manche Menschen, schoss es Cadan durch den Kopf, wurden mit einem enormen Selbstbewusstsein geboren. Er selbst gehörte leider nicht dazu.

»Du hast genau gewusst, was los war«, belehrte Jago ihn nun. »Du hast dir gedacht, du hättest eine Dreilochschlampe gefunden. Oder schlimmstenfalls ein konventionelles Nümmerchen. So oder so wärst du mit ihr gut dran.« Er schüttelte verächtlich den Kopf. »Dass Jungs in deinem Alter immer nur mit dem Schwanz denken können!«

»Sie hatte mir angeboten, etwas zu essen zu machen«, verteidigte Cadan sich.

Jago schnaubte. »Darauf wette ich. Und sie hatte die Absicht, der Nachtisch zu sein.« Er legte das Sandpapier beiseite und lehnte sich an das Surfbrett. »Eine Frau von ihrer Sorte bringt nichts als Ärger, Cadan. Sie angelt sich einen Kerl, indem sie ihm einen Vorgeschmack gibt. Ein bisschen hier und jetzt, ein bisschen später bis sie ihn mit Haut und Haaren in ihren Klauen hat. Und dann läuft auf einmal überhaupt nichts mehr, bis er irgendwann nicht mehr weiß, was er überhaupt glauben soll, und am Ende glaubt er ihr alles. Sie beschert ihm Dinge, die er noch nie gefühlt hat, und er kommt zu dem Schluss, das kann ihm keine andere bieten. So läuft das. Am besten, du ziehst deine Lehre daraus und vergisst die ganze Sache.«

»Aber mein Job…«, wandte er ein. »Ich brauch den Job doch, Jago.«

Jago zeigte mit seinem zitternden Finger auf ihn. »Aber was du nicht brauchen kannst, ist diese Familie. Guck dir doch nur an, was es Madlyn eingebracht hat, sich mit den Kernes einzulassen! Hat sie irgendwas dadurch gewonnen, dass sie für den Bengel die Beine breitgemacht hat?«

»Aber du hast sie doch sogar in deinem…«

»Sicher. Als mir klar wurde, dass ich ihr nicht würde ausreden können, Santo ranzulassen, war das Mindeste, was ich tun konnte, dafür zu sorgen, dass sie ein sicheres Plätzchen dafür hatten. Also hab ich ihnen meinen Caravan überlassen. Aber hat das irgendetwas genützt? Es hat alles nur noch schlimmer gemacht! Santo hat sie benutzt und dann weggeworfen. Das einzig Gute war, dass das Mädchen jemanden zum Reden hatte, der nicht gleich mit diesem "Ich hab's dir doch gleich gesagt"-Unsinn ankam.«

»Ich kann mir vorstellen, dass du es gern gesagt hättest.«

»Und damit hast du auch verdammt recht. Aber was passiert war, war nun mal passiert. Also: Was hätte es noch genutzt? Die Frage ist, Cadan, willst du den gleichen Weg gehen wie deine Schwester?«

»Das ist doch nicht das Gleiche! Und außerdem ist mein Job…«

»Scheiß auf den Job! Mach endlich deinen Frieden mit deinem Vater! Komm zurück hierher! Wir haben Arbeit genug. Zu viel sogar, jetzt da die Saison vor der Tür steht. Du bist geschickt genug, wenn du nur willst.«

Jago wandte sich wieder seiner eigenen Arbeit zu, hielt dann aber doch noch einmal inne. »Einer von euch beiden muss seinen Stolz hinunterschlucken, Cadan. Er hat dir die Autoschlüssel und den Führerschein aus gutem Grund weggenommen. Damit du am Leben bleibst. Nicht jeder Vater macht sich diese Sorgen. Nicht jeder Vater macht sich diese Mühe mit seinen Kindern und hat auch noch Erfolg damit. Darüber solltest du mal nachdenken, Junge.«

»Du bist widerlich«, fauchte Kerra ihre Mutter an. Ihre Stimme zitterte, und das machte es für sie nur noch schlimmer. Das Zittern hätte Dellen zu der Erkenntnis bringen können, ihre Tochter empfände Angst, Verlegenheit oder und — das wäre das Erbärmlichste — eine Art Entsetzen. Dabei war alles, was Kerra fühlte, Zorn. Kochend heißer, weißglühender, vollkommen reiner Zorn und er richtete sich gebündelt gegen diese Frau, die ihr gegenüberstand. Sie spürte mehr Zorn auf Dellen als seit Jahren, und das hätte sie nicht für möglich gehalten. »Du bist widerlich«, wiederholte sie. »Hörst du mich, Mum?«

»Und was genau bist du?«, entgegnete Dellen. »Schleichst dich hier an und spionierst mir nach? Bist du stolz auf dich?«

»Du willst mir Vorhaltungen machen?«

»Allerdings. Du schnüffelst hier rum wie ein Polizeispitzel. Glaub ja nicht, ich wüsste das nicht. Seit Jahren beobachtest du mich und erzählst alles deinem Vater oder sonst irgendwem, der dir zuhören will.«

»Du verdammtes Miststück«, flüsterte Kerra, eher verwundert als wütend. »Du verdammtes unglaubliches Miststück.«

»Es schmerzt, die Wahrheit zu hören, nicht wahr? Dabei war das noch nicht einmal die ganze Wahrheit. Gut, du hast deine Mutter in einem Moment der Unachtsamkeit erwischt, und jetzt hast du die Gelegenheit, auf die du so lange gewartet hast, sie fertigzumachen. Aber du siehst nur, was du sehen willst, Kerra, und nicht das, was du tatsächlich vor der Nase hast.«

»Und das wäre?«

»Die Wahrheit ist: Die Musik hat ihn in Wallung gebracht. Du hast selbst gesehen, dass ich ihn weggestoßen habe. Er ist ein geiler kleiner Wicht, und er hat auf eine Gelegenheit spekuliert. Das ist passiert. Also verschone mich mit deinen hässlichen Anschuldigungen, und fang lieber etwas Sinnvolles mit deiner Zeit an.« Dellen schleuderte mit einer Kopfbewegung ihr Haar nach hinten. »Ich habe ihm ein Mittagessen angeboten. Das kann doch nicht falsch sein, oder? Dagegen kannst du doch nun wirklich keine Einwände haben. Ich habe das Radio eingeschaltet. Was sonst hätte ich tun sollen? Es erschien mir einfacher, als mich mit einem Jungen zu unterhalten, den ich kaum kenne. Und er hat alles falsch gedeutet: die Musik… Sie war sexy, so wie lateinamerikanische Musik es immer ist, und er hat sich dazu hinreißen lassen…«