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Ich musterte ihn kühl.

»Donovans Familie ist hier. Im Hotel De Anza. Bitte tun Sie mir einen Gefallen. Gehen Sie zu ihnen. Sie würden Sie dringend gerne sprechen.«

»Gut«, sagte ich, griff nach meinem Hut und verließ das Zimmer, ohne mich zu verabschieden.

Ich fühlte mich immer noch unsicher. Higgins hatte sich sonderbar benommen. Wußte er, daß ich Donovans Hirn gestohlen hatte?

Wer hatte unter Donovans Bandagen geblickt?

Ich hörte Schritte hinter mir. Es war Schratt, der ohne aufzusehen an mir vorbeiging, als sei ich schuld an seinem Mißgeschick.

Ich trat aus dem Krankenhaus und ging geradenwegs über den Marktplatz zum Hotel De Anza. Als ich an meinem Wagen vorbeikam, saß Janice nicht darin.

Ich fragte im Hotel nach Herrn Donovan, und der Portier behandelte mich, als sei auch ich ein Millionär.

Ein Page begleitete mich den ganzen Weg hinauf zum vierten Stock. Er vertraute mir mit ehrfurchtbebender Stimme an, die Hotelleitung habe alle Zimmer im vierten Stock geschlossen außer den Appartements, die Howard Donovan und seine Schwester, Chloe Barton, bewohnten.

Aus der Art, wie er Chloe Bartons Namen aussprach, merkte ich, daß sie hübsch sein mußte.

Es war ihr Bruder, der mich empfing – ein Mann von Fünfundvierzig, schwer gebaut und groß, mit der gleichen Schädelform wie sein Vater. Er stand hinter dem Schreibtisch, raschelte noch einen Augenblick in den Papieren, als suche er etwas, und sagte dann plötzlich, mir gerade ins Gesicht sehend: »Ich bin froh, daß Sie gekommen sind, Dr. Cory.«

Howard Donovan fuhr fort, mich durchdringend zu mustern, so daß es mich fast verlegen machte – als sei ich im Kreuzverhör und er der öffentliche Kläger. Sein Geld hatte ihm einen übertriebenen Begriff seiner eigenen Bedeutung gegeben – und eine gehörige Nichtachtung für andere Leute. Er ignorierte meine Verstimmung.

Auf dem Schreibtisch lag seines Vaters abgegriffene, blutbefleckte Brieftasche, eine altmodische Uhr und das kleine Notizbuch – alles, was man bei Donovan senior gefunden hatte.

Howard Donovan sprach fast ohne seine Lippen zu bewegen, als wäre er sogar mit Worten geizig.

»Ich wollte Ihnen danken, Dr. Cory«, sagte er langsam, als würden ihm die Worte aus dem Munde gezogen. »Ich bin überzeugt, Sie haben alles für meinen Vater getan, was getan werden konnte.«

Ich war versucht, nicht zustimmend zu antworten, nur um seine Reaktion darauf zu beobachten. Als ich nichts sagte, schob er seine massige Gestalt sehr behende über den dicken Teppich nach einer Tür. »Ich möchte Sie meiner Schwester vorstellen«, murmelte er. An der Tür blieb er stehen, wandte sich, die Hand auf dem Türknopf, zu mir, klopfte dann ziemlich leise an und rief den Namen seiner Schwester.

Chloe Barton trat ein. Sie war eine dunkelhaarige junge Frau mit weißen Zähnen und geraden Schultern. Sie wußte genau, wie gut sie aussah. Sie begrüßte mich und setzte sich dann nieder, die Hände in graziöser, doch unnatürlicher Pose im Schoß gefaltet.

Ihre Nase, kurz und etwas stumpf, zeigte eine leichte Verdickung des Flügelknorpels, ein sicheres Zeichen, daß sie sich einer Schönheitsoperation unterzogen hatte.

Ich erinnerte mich ihrer Geschichte. Sie war ein dickes, ziemlich häßliches Mädchen mit einer Hakennase gewesen, hatte dreimal rasch hintereinander geheiratet – immer große, brutale Männer. Nach der dritten unglücklichen Ehe, die mit einem Skandal endete, ließ sie sich die Nase umformen und änderte ihren Charakter vollständig. Sie hungerte sich vierzig Pfund weg, und als sie fand, daß sie hübsch geworden war, hüllte sie sich in diese neue Aura wie in einen Mantel, wurde wählerisch mit ihren Freunden und egozentrisch bis zum Zustande geistiger Unausgeglichenheit. Sie gab ihre erotische Zügellosigkeit auf und liebte sich nur noch selbst.

»Wir wollten Ihnen danken, daß Sie unserem armen Vater das Sterben leichter gemacht haben.«

Chloe Barton sprach, als habe sie den Satz studiert. Nicht ein Muskel ihres Gesichtes zuckte. Die durchsichtige Haut blieb blaß. »Wir möchten gern wissen, was er sagte, ehe er starb – welche Botschaft er seinen Kindern hinterließ.«

Howard Donovan war wieder hinter den Schreibtisch getreten und beobachtete mich gespannt. Das Licht vom Fenster fiel hart auf sein Gesicht, während er im Halbdunkel blieb. Chloes Lippen waren in einem erstarrten Lächeln gekrümmt. Ich konnte mir nicht denken, was sie zu hören erwarteten, jedoch es schien ihnen von größter Wichtigkeit zu sein.

»Ich muß Sie enttäuschen«, sagte ich. »Ich erinnere mich nicht.«

Frau Barton schien über meine Worte entsetzt und wandte sich mit ungeheuchelter Bestürzung an Howard Donovan.

»Ich wünschte, er könnte sich erinnern«, sagte sie, als sei es Howards Sache, mich so weit zu bringen.

Howard nickte und sagte zu mir: »Es ist für uns ungeheuer wichtig. Bitte, versuchen Sie doch, sich wenigstens einiger Worte zu erinnern!«

Sie starrten mich wieder an, als wollten sie irgendwelche geheimen Gedanken lesen, die ich verbarg. Ich konnte nur die Achseln zucken.

»Hören Sie zu, Dr. Cory«, beharrte Howard, »Sie sollen es nicht umsonst tun.« Er schien zu denken, ich hielte absichtlich etwas zurück. Mit einer raschen Bewegung griff er nach der blutbefleckten Brieftasche, als wolle er sie mir geben.

»Ich kann Ihnen nichts sagen.« Ich war verstimmt. »Ihr Vater war die ganze Zeit bewußtlos. Was er sagte, hatte keinen Sinn.«

»Sind Sie dessen sicher?« fragte Howard scharf.

Die Szene war peinlich.

»Absolut sicher.« Ich nahm meinen Hut. »Nach einem so außerordentlichen Blutverlust kann man nicht mehr zusammenhängend sprechen.«

Ich ging zur Tür. Chloe rief mir nach: »Wir möchten Sie dafür bezahlen, daß Sie versuchten, das Leben meines Vaters zu retten.«

»Das kostet nichts«, antwortete ich und ging hinaus.

Ihr Betragen war höchst rätselhaft. Offenbar fürchteten sie, der alte Mann hätte mir etwas anvertraut. Ich dachte an Donovan, konnte mich aber an nichts erinnern, was er gesagt hatte.

Ich ging zu meinem Wagen und fuhr weg. Ich wollte heraus aus dieser Stadt – und zwar schnell. So viele Gesichter beobachten, so vieles Stimmen zu hören, im Schnittpunkt so vieler geistiger Strömungen stehen, regte mich zu sehr auf.

Meine Arbeit erforderte Konzentration. Ich tappte im dunklen Tunnel der Forschung und mußte meinen Tastsinn entwickeln. Diese ärgerlichen Störungen waren blendende Lichter im Dunkel, die mich betäubten und verwirrten.

Ich mußte mich zusammennehmen, mich beruhigen, die wild schwingende Membrane meiner Konzentrationskraft anhalten.

Higgins, Webster, Schratt – ich wünschte sie alle aus meinen Gedanken zu bannen, aber sie kamen immer wieder angekrochen.

Als ich ein paar Meilen gefahren war, merkte ich, daß ich Janice vergessen hatte. Ach was – sie hätte eben im Wagen bleiben sollen!

Während ich die gerade Landstraße entlangfuhr und mich auf den Punkt konzentrierte, wo die Straße den Horizont zu durchdringen schien, wußte ich plötzlich, wie ich das Hirn noch genauer beobachten könnte. In der Entspannung, wenn es ruhte, sandte es zehn zyklische Alpha-Wellen aus. Sobald es auf ein Stimulans reagierte, verwandelten sich die Alpha- in Beta-Frequenzen mit zwanzig Fluktuationen in der Sekunde. Wenn ich nun die verstärkte Alpha-Welle durch einen wechselständigen Stromkreis schickte, der seinerseits mit einer elektrischen Birne verbunden war, so würde jeder Wechsel der Frequenz den Stromkreis ändern und die Birne einschalten.

Wenn das Hirn dachte, würde die Birne brennen. War die Birne dunkel, so ruhte das Hirn. Wie einfach!

Ich fuhr nach Hause, so schnell ich konnte, sprang aus dem Wagen und stürzte zur Tür des Laboratoriums – doch ich trat leise ein, um das Hirn nicht zu stören.