Выбрать главу

Sie mussten den Nebel hinter sich lassen! Die Kreaturen, die er verbarg, schienen das Licht der Fackeln zu scheuen. »Dort entlang, weg von der Felszunge!«, rief Nodon.

Die Fackeln eilten am Kraterrand entlang hin zu der breiten Felsterrasse, von der die fliegenden Toten hinabgestürzt wurden. Sie hatten unterhalb der Steilwand Talinwyns Totenfeuer entzündet. Es schien, als würde Gonvalons Plan doch noch aufgehen, denn das Totenfeuer lockte die Krieger an. Entlang des Pfades am Kraterrand würden jetzt nur noch wenige Wachen stehen.

Ganz deutlich hörte Nodon nun ein metallisches Klirren unter ihnen. Sie erhöhten ihr Tempo. Wieder bebte der Hang wie unter schweren Schritten, als sie ein Stück östlich der Felsterrasse den Rand der weiten Nebelbank erreichten. Mal entkamen sie für einige Schritt dem milchigen Odem des Kraters, dann umfing sie erneut der Dunst. Süßlicher Verwesungsgeruch haftete ihm nun an. Endlich ließen sie die Grenze zwischen Nebel und Nacht hinter sich. Parallel zum Kraterrand rannten und kletterten sie den Monden am Horizont entgegen, setzten über jahrhundertealte Mauerreste hinweg und ließen die Feuerkugeln, die noch immer in den Abgrund rollten, weit hinter sich. Bald waren es nur noch die Signalfeuer auf den Türmen, die die Nacht erhellten. Jetzt endlich wagten sie sich das letzte Stück zum Kraterrand hinauf.

Die beiden Schwertmeister verlangsamten ihre Schritte und hielten auf einen Wachturm zu, dessen Wachmannschaft von der Plattform aus gespannt das Spektakel bei der Felszunge verfolgte. Ungesehen gelangten sie über die niedrige Mauer beim Saumpfad. Kurz verharrten sie im Schatten des Turmes, dann strebten sie der nächstgelegenen Straße entgegen, die hinunter in die Stadt führte.

Sie waren noch keine zehn Schritt weit, als sie das Verhängnis nahen hörten. Marschtritte. Eine ganze Kolonne von Kriegern kam ihnen entgegen. Rechts und links wurde die Straße von hohen Mauern gesäumt, hinter denen das aufgeregte Kläffen von Wachhunden zu vernehmen war.

»Zurück!«, entschied Nodon. Sie würden den nächsten Weg hinab in die Stadt nehmen.

»Zu spät!« Gonvalon deutete zum Turm am Kraterrand. Einer der Wächter auf der Plattform hatte sie entdeckt und schwenkte nun wild seine Fackel. Sie konnten hören, wie sich die Marschtritte beschleunigten. Gleichzeitig stürmten fünf der Turmwachen den Eingang der Straße.

Die beiden Elfen tauschten einen kurzen Blick. Sie waren gefangen. Die Mauern waren zu hoch, damit war Flucht keine Lösung. Nodon konnte in Gonvalons Augen lesen, dass der Schwertmeister ebenso dachte. Vielleicht könnten sie sich noch frech herausreden?

»Was macht ihr hier?«, herrschte sie einer der Männer an, die vom Turm kamen. Ein Kerl mit einem länglichen Gesicht und üppigem Bart. Drohend reckte er ihnen einen langen Speer entgegen, während ihn seine Gefährten mit ihren Rundschilden und Bronzeschwertern abschirmten. »Antwortet! Was habt ihr am Weltenmund zu suchen?«

Gonvalon hob beschwichtigend die Arme. »Wir sind nur am Kraterrand entlanggeschlendert.«

»Und warum hattet ihr es dann so eilig, in diese Straße zu schlüpfen?«

»Ich hab die nicht am Kraterrand gesehen«, fügte einer seiner Kameraden hinzu. »Die lügen.«

»Was ist hier los?«, erklang hinter ihnen eine scharfe Stimme, und die Marschtritte verstummten. Eine Kolonne von Kriegern versperrte den Weg hinab in die Stadt. In Zweierreihe aufgestellt, standen dort zwölf Speerträger, gewappnet mit großen, mit Kuhfell bespannten Schilden und Bronzekürassen. Ihre Helme waren von Kronen aus roten Federn umringt. Nodon hatte solche Krieger bislang noch nicht in der Stadt gesehen. Vielleicht gehörten sie zu einer Tempelwache? Ihr Anführer trug einen prächtigen, goldgesäumten Umhang, der von einer Brosche in Form einer geflügelten Sonne zusammengehalten wurde. Er war ein Jüngling mit spärlichem Bartwuchs und schulterlangem, geöltem Haar. Wahrscheinlich irgendein Adelsspross, der sich auf leichten Missionen erste Meriten verdienen sollte, ohne dabei wirklich in Gefahr zu geraten.

Plötzlich runzelte der Anführer die Stirn. »Ihr? Was tut Ihr hier, ehrenwerter Asa?«

»Ich suchte einen Ort, an dem ich mit Jonah dem Roten, dem Scharfrichter der Kushiten, reden konnte, ohne neugierige Ohren fürchten zu müssen«, entgegnete Gonvalon mit eisiger Gelassenheit. »Und nun, Hauptmann Luma vom Tempel der Geflügelten Sonne, lasst uns passieren.«

Gerade wollten die beiden Elfen an Luma vorbeigehen, da rief der Bärtige: »Sie lügen! Die beiden sind in den Weltenmund gestiegen. Sie müssen vor den Hüter des Mundes geführt werden. Überall am Krater sucht man nach ihnen.«

Nodon sah, wie aller Respekt aus dem Antlitz des Hauptmanns schwand. Er konnte sich vorstellen, was in dem jungen Mann vorging. Wenn er den Tempel der Geflügelten Sonne von diesem lästigen Besucher befreite, der im Archiv herumschnüffelte und alle ängstigte, würde er sicherlich befördert werden.

»Ehrenwerter Asa, begleitet uns zum Hüter des Mundes. Ich bin sicher, dort werdet Ihr Euch erklären können.« Er lächelte triumphierend. »Und noch vor dem Morgengrauen werdet Ihr ins Haus der Seidenen zurückgekehrt sein, um in den Armen Eurer Geliebten zu liegen.«

Nodon traute seinen Ohren nicht. Es war ihnen also doch gelungen, Gonvalon bis zu ihrem Versteck zu folgen! Er hatte von Anfang an gewusst, dass es keine gute Wahl war, den verstoßenen Schwertmeister des Goldenen auf dieser Mission zu dulden. Er war überheblich und leichtfertig. Völlig sorglos hatte er den Erfolg ihrer Mission gefährdet. Außer ihm wäre niemand auf die Idee gekommen, in den Krater zu steigen, um Talinwyns Leichnam zu verbrennen.

»Als Hauptmann der Leibwache des Unsterblichen Aaron nehme ich von niemandem außer dem Herrscher aller Schwarzköpfe Befehle an, mein junger Freund. Und nun lass uns passieren.«

Der Jüngling zog sein Schwert. »Ich weiß, dass Ihr ein Held seid, doch wir sind achtzehn gegen zwei. Bitte zwingt mich nicht dazu, Eure Ehre in diesem aussichtslosen Kampf zu beflecken.«

»Genug geredet«, sagte Nodon auf Elfisch. Es galt, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Ein für alle Mal. »Keine Überlebenden.« Er konnte Gonvalon ansehen, wie sehr ihm dieser Befehl zuwider war, und doch nickte der Schwertmeister. Es war schlimm genug, dass man im Tempel der Geflügelten Sonne wusste, dass der geheimnisvolle Asa im Haus der Seidenen verkehrte. Wurde er noch mit einem Frevel am Weltenmund in Verbindung gebracht, würden sie alle auffliegen.

Beide zogen ihre Schwerter. Gonvalon schnellte vor und versetzte dem Jüngling einen geraden Stich in die Kehle. »Es tut mir leid«, murmelte er dabei und drang im nächsten Augenblick auf die überraschten Tempelgardisten ein.

Nodon wandte sich den fünf Männern vom Wachturm zu. Der Bärtige war erstaunlich schnell für einen Menschensohn. Er versuchte, Nodon den Speer durch die Brust zu bohren, kaum dass der Elf sich zu ihm umwandte. In einer fließenden Bewegung ließ sich Nodon auf die Knie fallen und beugte sich gleichzeitig zurück. Das bronzene Stichblatt fuhr knapp über sein Gesicht hinweg. Er selbst traf den Krieger mit einem Hieb im Kniegelenk. Der Silberstahl durchtrennte Sehnen, Fleisch und Knochen. Das abgetrennte Bein kippte zur Seite weg. Nodon richtete sich auf, schnitt dem stürzenden Krieger im Vorübergehen die Kehle durch und stach den Schildträger zur Rechten des Bärtigen nieder.

Die übrigen Menschenkinder stellten sich erschreckend ungeschickt an. Wie konnten solche Männer sich für Krieger halten! Nodon deutete einen Hieb auf den Kopf an. Sein Gegner riss den Schild hoch, um sich zu schützen, und nahm sich damit jegliche Sicht. Der Elf ließ das Schwert nach unten schwingen und stach dem Schildträger unter dem Rippenbogen hoch ins Herz.

Die beiden Überlebenden suchten ihr Heil in der Flucht. Sie waren zu langsam. Den Ersten erwischte Nodon im Nacken. Es war ein glatter Stich hinauf ins Hirn. Den Zweiten drängte er gegen eine Mauer. Der Krieger hatte silberne Fäden im Bart. Das Weiß in seinen angstweiten Augen schimmerte gelblich. Er atmete heftig und wollte schreien, als Nodon seinen Kehlkopf durchbohrte. Blut sprudelte aus Mund und Kehle des Sterbenden.