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Wieder blieb Eleborn stehen und lauschte in die Schatten. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Es waren etwa zweihundert Schritt von seinem Standpunkt bis zur großen Mauer, die die Gärten einfasste. Bis zur Mauer war alles mit dichtem Gebüsch bewachsen. Einfach dorthin zu laufen und in die Freiheit zu klettern war unmöglich. Er musste nach den Pfaden suchen, auf denen sich die verfluchten Jaguarmänner bewegten. Womit die Wahrscheinlichkeit wuchs, auf einen von ihnen zu treffen.

Ein Vogelruf ganz in der Nähe schreckte ihn auf. War das ein Signal? Er betrachtete seine erbeuteten Krallenstöcke. Zur Not würde er sich den Weg eben freikämpfen. Entschlossen pirschte er weiter. Leises Rascheln folgte ihm. Wieder erklang der Vogelruf. Diesmal aus einer anderen Richtung. Kreisten sie ihn ein? Er erreichte einen Weg und entschied, ihm zu folgen. Wenn er ohnehin entdeckt war, war es besser, sich schnell bewegen zu können.

Er war keine vier Schritt gegangen, als vor ihm zwei Jaguarmänner aus dem Dickicht brachen. Der vordere griff sofort an, während der zweite versuchte, in seinen Rücken zu gelangen. Eleborn blockte einen Hieb, grub seine Linke mit den Obsidiankrallen in die Kehle des Gegners, packte den Krieger, dessen warmes Blut ihm ins Gesicht spritzte, zog ihn dicht an sich heran und wirbelte mit ihm als Schild herum. Keinen Augenblick zu spät: Der zweite Jaguarmann hatte bereits zum Schlag ausgeholt. Nun wich er zurück, als er seinen sterbenden Kameraden sah. Eleborn ließ den Verletzten fallen, wandte sich um und rannte weiter. Noch hundertfünfzig Schritt bis zur Mauer. Er konnte es schaffen!

Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Er duckte sich. Etwas zog mit seltsamem Geräusch über ihn hinweg. Eine Bola. Die Wurfwaffe traf einen Ast, das Seil wickelte sich darum, bis zuletzt die beiden Steine an den Enden klackend gegeneinanderschlugen.

Weitere Bolas wurden geworfen. Eleborn ließ sich nach vorn fallen, rollte sofort zur Seite ab und sah sich um. Er befand sich auf einer kleinen Lichtung, auf der sich zwei Wege kreuzten. Über ihm wiegten sich Kirschbaumäste in sanftem Wind. Weiße Blüten fielen wie Schnee auf die Lichtung. Auf jedem der vier Wege, die von hier fortführten, stand ein Jaguarmann.

Eleborn richtete sich auf und streckte kampfbereit die Arme. »Kommt!«, rief er herausfordernd, wohl wissend, dass es keine Hoffnung gab zu gewinnen.

Eine Stimme erklang seitlich aus den Büschen, herrisch, befehlsgewohnt. Die Jaguarmänner legten ihre Krallen auf den Boden. Zweien von ihnen wurden Kampfstäbe zugeworfen. Vermutlich hatten sie gerade den Auftrag bekommen, ihn unbedingt lebend zu fangen, dachte Eleborn. Das verbesserte seine Aussichten zu entkommen.

Eleborn lief auf einen der Männer mit einem Kampfstab zu. Wieder blockierte er mit den Unterarmen die ersten Angriffe. Ein Tritt gegen das untere Ende des Stabes verhinderte einen Schlag, der zwischen seine Beine gezielt hatte. In rasender Folge kam Hieb auf Hieb. Dann durchbrach der Elf die Deckung des anderen und rammte zwei Finger durch das offene Maul der Jaguarmaske in die Augen des Zapote.

Der Krieger heulte auf, Eleborn entriss ihm den Stab. So hart der Kampf gewesen war, er hatte kaum länger als drei Herzschläge gedauert. Mit einem wild ausholenden Hieb nach hinten verschaffte er sich Raum vor den anderen Angreifern.

Mehr als zwei von ihnen konnten nicht nebeneinander auf dem Weg stehen, ohne sich zu behindern. Eleborn setzte den Zurückweichenden sofort nach. Kurz vor der Lichtung rammte er das Ende des Stabes in den Boden, stieß sich ab und traf den vorderen der Jaguarmänner mit beiden Füßen in die Brust. Der Krieger stürzte nach hinten, seinem Kameraden entgegen, der für den Augenblick abgelenkt war. Mehr brauchte Eleborn nicht, um auf den Füßen zu landen und den zweiten Krieger mit einem Stoß ins Sonnengeflecht, dicht unter dem Brustbein, außer Gefecht zu setzen.

Etwas stach in seinen Hals, sanft, nicht bedrohlich. Ein seltsam bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Der Elf griff nach seinem Hals. Ein winziger Pfeil hatte ihn getroffen. Kaum mehr als ein mit Federn behafteter Zahnstocher. Ihm wurde schwindelig, die weißen Blütenblätter der Kirschbäume segelten in seltsamen Pirouetten um ihn herum. Der Blütenduft hatte etwas Lähmendes. Eleborn schwankte, als ihn eine Bola dicht oberhalb der Knie traf und sich ein zähes Lederband um seine Beine wickelte.

Als er sich auf den Stab stützte, wurde der ihm weggetreten. Er stürzte. Die Blütenwirbel hatten weitere dunkle Gestalten geboren, die ihn nun umringten.

»Das war ein guter Kampf, Waldmann«, sprach ihn einer der Zapote in der Sprache Drusnas an. Er hatte einen grausamen Akzent. Eleborn konnte seinen Worten kaum folgen. Vielleicht lag es auch am Pfeilgift. Ein Geschmack wie von frisch erbrochener Galle haftete ihm in Mund und Rachen.

»Männer wie du geben nicht auf. Ich habe Respekt davor. Aber ich möchte nicht, dass du noch einmal gegen meine Krieger kämpfst. Und ich möchte auch nicht, dass sich die anderen Auserwählten ein Beispiel an dir nehmen. Wir werden eine Lösung finden müssen.« Der Sprecher winkte seinen Männern. »Presst ihn auf den Boden, und haltet ihn gut fest. Lasst ihn ruhig schreien. Die übrigen Auserwählten sollen hören, welcher Preis für einen Fluchtversuch zu zahlen ist.«

Eleborn wurde von mehreren Kriegern zu Boden gepresst. Er konnte keinen Muskel mehr regen, aber ihm war jetzt weniger schwindelig. Ganz deutlich sah er, wie der Anführer der Jaguarmänner ein Messer mit einer schwarzen Obsidianklinge zog und sich vor ihm niederkniete.

»Knochen kann ich mit diesem Messer nicht zersägen, aber das ist auch nicht notwendig, um dich von deinen Füßen zu trennen.«

Lebende Schatten

»Ich werde am Fußgelenk ansetzen. Haut, Fleisch und Sehnen durchtrennt so eine Steinklinge sehr gut. Ich mach es langsam, damit du dir gut ansehen kannst, was ich tue.« Er blaffte seinen Männern einen Befehl zu. Im nächsten Moment packten sie Eleborn unter den Achseln und hoben ihn so an, dass er an seinen gefesselten Beinen entlang auf die Füße blicken konnte.

»Du scheinst mir ein harter Mann zu sein, auch wenn du für einen Drusnier etwas zart gebaut bist. Ich bin sehr gespannt, wann du zu schreien anfängst.« Ein erwartungsvolles Lächeln blitzte im Rachen seines Jaguarhelms auf.

Er setzte die Klinge an Eleborns Ferse, als er nach hinten gerissen wurde. Ein langer Pfeil ragte aus seiner Brust. Ein zweiter Jaguarmann brach zusammen. Die anderen sprangen auf und versuchten, in den Büschen, die den Pfad säumten, Deckung zu finden, doch plötzlich waren zwei Gestalten mit blitzenden Schwertern unter ihnen.

Ein abgetrennter Arm fiel auf Eleborns Brust. Die Finger, die einen Krallenstock umschlossen, zuckten noch. Der Kampf war gnadenlos und bereits vorüber, kaum dass er begonnen hatte. Schon waren die verräterisch schimmernden Schwerter wieder in den Scheiden verschwunden.

Acht oder neun Zapote hatten Eleborn eben noch umringt. Keiner von ihnen lebte noch.

Gemeinsam griffen die beiden fremden Krieger ihm unter die Achseln, rissen ihn hoch und trugen ihn fort, ohne sich damit aufzuhalten, die Lederschnur der Bola, die seine Beine fesselte, zu durchtrennen. Die Krieger waren ganz in Schwarz gekleidet, so wie die Jaguarmänner, nur dass sie keine Tierhelme trugen. Ihre Gesichter hatten sie mit Ruß eingeschmiert. Sie waren wie lebende Schatten.

Eine dritte Gestalt gesellte sich zu ihnen. Eine Frau, die ihr langes Haar zu einem Zopf gedreht und mit schwarzer Gaze umwickelt hatte. Sie sicherte ihren Rückzug mit einem riesigen Bogen. Ihr hatte er wohl zu verdanken, dass er keinen Fuß verloren hatte.

»Geht über die Mauer«, befahl sie knapp und ließ den Garten nicht aus den Augen. »Ich sehe keinen von diesen Katzenmännern mehr.«

Eleborn traute seinen Ohren nicht. Diese Stimme. Er hätte sie unter Hunderten erkannt. Dazu der Bogen! »Nandalee?«

Sie wandte sich nicht zu ihm um, ließ die Gärten nicht aus den Augen.