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»Wir werden Folgendes tun …«

Ein Herz für die Götter

Endlich sah Eleborn das Dorf am Horizont. Das Licht der Mittagssonne funkelte auf den goldenen Flügelsonnen- und Löwenstandarten. Er hatte den Unsterblichen Aaron nach drei Tagen Suche gefunden.

Eine halbe Stunde später lenkte er den Streitwagen an den kleinen, von Steinmauern gesäumten Hirsefeldern vorbei den Hügel hinauf zu einer Ansammlung schäbiger Häuser aus ungebrannten Ziegeln. Am Fuß des Hangs, bei einem Teich, erstreckte sich ein gut bewässerter Dattelhain, aus dem neugierige Kinder hervorstürmten. Lachend und rufend liefen sie neben seinem Streitwagen einher, bis er den Dorfplatz erreichte, wo ein großes Sonnensegel aufgespannt worden war. In seinem Schatten saßen der Unsterbliche und einige der Würdenträger des Dorfes auf einfachen Schilfmatten und diskutierten lebhaft miteinander.

Eleborn hatte kaum die Pferde gezügelt, da war Ashot an seiner Seite. In den Seitenstraßen zum Marktplatz standen Krieger aus der neuen Leibwache der Kushiten. Auf einem Flachdach, von dem aus man den gesamten Platz überblicken konnte, hatten Bogenschützen Stellung bezogen. Sie alle hielten sich – so gut es ging – im Hintergrund, aber es war dennoch ziemlich auffällig, wie schwer der Unsterbliche bewacht wurde.

»Bringst du gute Nachrichten?«, fragte Ashot mürrisch. Der Hauptmann der Kushiten, der aus den Bauerntruppen aufgestiegen war, hatte sich offensichtlich seit Tagen nicht rasiert. Sein Gesicht war von Stoppeln bedeckt, und Staub klebte auf seiner Stirn. Er war einer von ganz wenigen Männern Arams, die keinen Vollbart trugen.

»Gut sind die Nachrichten nicht, aber er wird es wissen wollen. Sofort.«

Ashot schüttelte einfach nur den Kopf. »Vor zwei Tagen hat jemand versucht, ihn zu erdolchen. Eigentlich eine dumme Idee bei einem Unsterblichen, aber er trägt ja nie die Rüstung, die der Löwenhäuptige ihm geschenkt hat. Er findet, sie schüchtere die einfachen Menschen ein. Also trägt er nur eine Tunika oder einen Wickelrock. Er hatte Glück. Eine Naht von fünf Stichen längs über den Rippen und der Schreck, das war alles. Der Angreifer war ein aufgebrachter Idiot. Er hat den Stoß von oben nach unten geführt … Es kann jederzeit wieder geschehen. Die Landreform kommt bei den Reichen und Mächtigen nicht gut an. Es werden sich andere Verzweifelte oder Verrückte finden, die glauben, ihn töten zu können. Und er spricht mit jedem.« Ashot stieß einen tiefen Seufzer aus. »Er ist unbelehrbar.«

»Ich muss zu ihm, jetzt!«

Der Hauptmann der Kushiten schüttelte erneut den Kopf. »Nein. Wenn der Unsterbliche jetzt die Verhandlungen unterbricht, um mit einem Krieger zu sprechen, dann werden sie ihn für arrogant halten. Es geht nicht, gedulde dich ein wenig.«

Aaron nickte ihm zu. Er hatte ihn also wenigstens bemerkt. An seiner Seite saß ein Mann, den Eleborn erst auf den zweiten Blick erkannte. Mataan. Er war abgemagert, wirkte krank, nur noch wie ein Schatten des Mannes, den er einst gekannt hatte.

Er fragte Ashot, was geschehen war, und hörte von den Kämpfen mit den aufständischen Satrapen. Fand dieses Königreich denn niemals Ruhe?

Eleborn zog sich in den Schatten eines Strohdachs zurück und beobachtete, wie seine Pferde getränkt wurden. Die Kinder standen immer noch um seinen Wagen und bestaunten die Münzen und Amulette, die das Zaumzeug schmückten. Einige sahen auch verstohlen in seine Richtung. Mit seinem bemalten Oberkörper musste er sehr fremd auf sie wirken.

»Das findet man hübsch in den Wäldern?« Auch Ashot deutete nun auf die rotbraunen Muster, die Eleborns Brust und Arme schmückten.

»Du findest das ungewöhnlich? Du hättest mal das Zapote-Mädchen sehen sollen, das mir in der Goldenen Stadt das Bett warm gehalten hat. Ihr war ein Skorpion auf den Bauch gemalt worden, sodass der Stachel zwischen ihren Brüsten aufragte.«

»Mir scheint, da zeigt der Stachel in die falsche Richtung«, entgegnete Ashot trocken.

Eleborn antwortete mit einem anzüglichen Grinsen. Er hatte die Stunden mit Izel genossen. Seltsamerweise vermisste er sie. Eine Menschentochter! Manchmal fragte er sich, ob der Himmlische ihn nicht nur äußerlich verändert hatte. Unter den Götterdrachen war er der Einzige, der in den Menschenkindern nicht nur die Diener ihrer Feinde sah. Er hatte sich wirklich für sie interessiert. Deshalb hatte er die Blaue Halle geleitet, und alle seine Spitzel hatten ihm gelegentlich persönlich berichten müssen. Wie der Himmlische empfand auch Eleborn Mitgefühl für die Menschenkinder. Als Drachenelf konnte er sich so etwas eigentlich nicht leisten.

In die Gruppe unter dem Sonnensegel kam Bewegung. Der Unsterbliche erhob sich. Die alten Männer folgten seinem Beispiel und zogen sich dann mit ernsten Gesichtern zurück. Aaron winkte Eleborn zu sich.

»Du warst lange fort, Mikayla«, begrüßte ihn der Herrscher, als er sich vor ihm auf den Schilfmatten niederließ.

»Ich überbringe Euch Grüße von Hauptmann Volodi.«

»Du hast den Flüchtigen also gefunden.«

»Mit Verlaub, Erhabener, aber Volodi wurde aus dem Heerlager entführt und dazu gezwungen, in die Tempelgärten der Zapote zu gehen, wo ihn der Tod unter einem Opfermesser erwartet.«

Aaron beugte sich nach vorne. »Was?«, fragte er aufgebracht.

Eleborn erzählte ihm, was geschehen war, und mit jedem Wort wurde der Unsterbliche zorniger. »Warum haben sie ihn geholt?«, fragte Aaron fassungslos. »Einen meiner Feldherren!«

»Erinnert Euch an das, was Volodi vor dem Weißen Tor getan hat?«, mischte sich Mataan ein. »Wie er die Zapote gedemütigt hat, indem er den Platz mit Lampenöl tränkte, um sich mitsamt allen Jaguarmännern, die ihn umzingelt hatten, in Brand zu setzen. Damals ist er auf den Wolkenschiffen entkommen, mit denen Ihr auf die Jagd nach dem Himmelspiraten Tarkon Eisenzunge gegangen seid. Ich glaube nicht, dass die Zapote diesen Tag vergessen haben. Es war ein Heldenstück und eine Demütigung. Ich kann verstehen, dass sie sein Herz ihren Göttern schenken wollen.«

Aaron machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde nicht dulden, dass sie den Hauptmann meiner Leibwache mitten aus meinem Heerlager gestohlen haben. Ashot!« Er winkte dem Hauptmann der Kushiten. »Ich brauche meine Leibwache und Bogenschützen. Männer, die mit mir den Himmel stürmen würden, wenn ich es ihnen befehle. So viele wie möglich. Und ich brauche sie in zwei Tagen in der Goldenen Stadt.«

Eleborn konnte sich nicht erinnern, den Unsterblichen je so aufgebracht gesehen zu haben. In ihm regte sich der Verdacht, dass sich Aaron lieber mit den Zapote anlegte, als seine vertrackte Landreform Wirklichkeit werden zu lassen.

Fünf Lotusblüten

Zarah strich sich über die Arme. Das grobe Leinen war unangenehm. Sie hatte fast vergessen, wie es sich anfühlte. Ihr Kleid war ungewaschen. Ihr Haar unter einem schmutzig braunen Tuch verborgen. Sie hielt demütig den Kopf gesenkt und lauschte den Worten Barnabas. Er war ein wunderbarer Prediger. Seit er in die Stadt gekommen war, hatte sich die Zahl der Gläubigen mehr als verdoppelt. Er war ergriffen von Nangog, und selbst die Erste Mutter hatte ihn inzwischen in ihr Herz geschlossen. Er tat der Sache gut, und nur das zählte.

Barnaba redete gegen das Rauschen des Wassers an, das aus fünf mannshohen Rohren dicht unter der Decke in das große Sammelbecken stürzte. Von hier aus wurde es als ein breiter, unterirdischer Strom zum Fluss hin geleitet. Der Gestank der schäumenden, gelbbraunen Sturzbäche war atemberaubend. Niemand kam freiwillig hierher. Zarah war unbegreiflich, wer diesen Ort Fünf Lotusblüten genannt hatte. An diesem Ort den Worten Barnabas zu lauschen war wahrlich eine Prüfung des Glaubens. Die meisten hatten sich parfümierte Tücher oder kleine, mit wohlriechenden Kräutern gefüllte Kissen mitgebracht, die sie vor Mund und Nase hielten.