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»Dann knie nieder«, befahl Arcumenna und hob sein Schwert.

»Nein, Herr! Bitte nicht. Nein!«, schrien die Gläubigen auf und drängten dem Schildwall seiner Krieger entgegen.

»Ich gebe mein Leben für seines«, übertönte deutlich eine Frauenstimme das Geschrei.

»Ich opfere mich!«, schrie jemand anderes hysterisch.

»Nehmt mein Leben, Herr!« Ein bärtiger Lockenkopf trat vor Arcumenna und kniete neben dem Priester nieder.

Der Laris war überrascht. Seine Männer würden ihm zwar ohne zu zögern in jeden Kampf folgen, aber er machte sich nichts vor: Ganz sicher gäbe es kaum welche unter ihnen, die so bereitwillig ihr Leben geben würden, um ihn zu retten.

Arcumenna stieß sein Schwert in die Scheide. »Fesselt diese Bastarde, und bringt sie aus diesen verfluchten Kanälen heraus.«

»Danke, Laris«, sagte der Priester, der noch immer vor ihm niederkniete. In seinen Augen glühten eine Entschlossenheit und ein Fanatismus, die den Statthalter schaudern ließen. Dieser Mann war gefährlich. Es wäre klug, ihn zu töten. Doch nicht jetzt. Nicht vor den Augen all seiner Anhänger. Das würde nur einen Aufstand provozieren.

Arcumenna wollte aus diesen stinkenden Kanälen so schnell wie möglich wieder heraus. Dies war kein Ort, um eine Schlacht zu schlagen. Er sah zu, wie seine Männer den Ketzern die Hände auf den Rücken banden und sie einzeln abführten. Erstaunt bemerkte er, wie viele Frauen unter den Gefangenen waren. Das war beunruhigend. Was hatte dieser Priester an sich, dass er die Weiber so anlockte? Und was brachte Männer und Frauen dazu, ausgerechnet jene Geister anzubeten, die so viel Not und Ungemach verbreiteten? War es Angst? Hier in der Goldenen Stadt waren sie doch sicher. Ob es nutzen würde, sie zu befragen, oder ob er nur verstockte Phrasen zu hören bekäme?

Eine der Frauen fiel ihm auf. Obwohl sie sich duckte und mit dem Schlamm des Kanals eingeschmiert war, als hätte sie sich darin gewälzt, war sie unübersehbar von gutem Wuchs und unter dem Schmutz schien sich ein hübsches Gesicht zu verbergen.

Er winkte einem seiner Krieger. »Bring mir dieses Weib da vorne!«

Die Gefangene wurde ihm unverzüglich vorgeführt. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, wie es sich gehörte, wenn niederes Volk vor einen Statthalter trat. Sie stank, als lebte sie hier unten in der Kloake. Er zupfte ein Tuch aus seinem Gürtel und packte sie damit unter dem Kinn, um ihren Kopf anzuheben. Diese Augen … Es dauerte einige Herzschläge, bis er begriff, wer da vor ihm stand. »Du hier?« Er war fassungslos. Was hatte Zarah hier zu schaffen? Sie hatte doch gewusst, was geschehen würde. Einen Augenblick lang dachte er an Verrat. Doch das war absurd. Sie hatte den Priester und seine Anhänger ganz offensichtlich nicht gewarnt.

Zarah schenkte ihm einen ihrer unwiderstehlichen Blicke. »Gut, dass du mich gerettet hast«, sagte sie voller Inbrunst. »Sie haben mich gezwungen, hier zu sein. Sie haben meinen Verrat aufgedeckt.«

Das machte Sinn, dachte Arcumenna. Allerdings war seltsam, dass sie ihm nicht sofort entgegengelaufen war, nachdem er die Ketzer überwältigt hatte. Etwas stimmte an ihrer Geschichte nicht. Aber sie sollte erst einmal denken, dass er ihr glaubte. »Ich bin froh, dass ich dich retten konnte.« Er winkte zwei Wachen herbei. »Bringt sie nach hinten, wo sie vor diesem Pöbel in Sicherheit ist.«

Nachdenklich sah er ihr nach. Jetzt bewegte sie sich ganz anders, nicht mehr geduckt, sondern aufrecht und voller Stolz, wohl wissend, dass es kaum einen Mann gab, der ihr zu widerstehen vermochte.

Arcumenna überwachte, wie die Gefangenen aus dem Kanal ans Licht und zu einem nahe gelegenen Frachthof gebracht wurden, an dessen Ankertürmen sich zwei Wolkensammler festhielten, die unter der Flagge Valesias über den Himmel zogen. Die Gefangenen sollten noch heute an Bord. Je schneller, desto besser. Es herrschte Unruhe in der Stadt. Der Unsterbliche Aaron war in den frühen Morgenstunden durch das Goldene Tor gekommen, und ihm folgte eine ganze Armee.

Keiner wusste, was er hier wollte. Anfangs hatte Arcumenna befürchtet, Aaron sei ebenfalls gekommen, um die Ketzer gefangen zu nehmen. Aber etwas anderes ging vor. Seine Spitzel hatten ihm berichtet, dass die Hälfte seiner Truppen auf Wolkensammler verladen wurde. Ob er noch einmal gegen Tarkon Eisenzunge vorgehen wollte?

Frachtkörbe

Nodon musterte die riesigen, mehr als mannshohen Seiltrommeln, die auf dem Deck festgenagelt waren. Stümperhaft festgenagelt! Ihm war nicht klar, wozu die Seiltrommeln dienen sollten, aber ein größeres Gewicht sollte man ihnen besser nicht anvertrauen.

Der Elf kniete vor dem Frachtschacht, der quer durch das Schiff ging und in einem Loch im Rumpf mündete. Er war zehn Schritt lang und drei Schritt breit. Neben dem Schacht standen zwei lange Körbe aus Weidenruten auf dem Oberdeck. Nebeneinander würden sie den Schacht ganz ausfüllen. An beiden Enden des vorderen Korbs wurden Seile festgeknotet. Bei dem Anblick wurde ihm ganz mulmig.

»Was ist unsere Aufgabe?«, fragte er Eleborn leise. Der Elf war in der ersten Dämmerung überraschend zurückgekehrt. Er hatte sie in Rüstungen gesteckt, wie die Kushiten sie trugen, und an Bord des Wolkensammlers geschmuggelt.

Eleborn hockte neben ihm auf einem Sack aus Segeltuch und döste. »Wir sind nur die Reserve«, murmelte er verschlafen. »Wir gehen als Letzte ins Gefecht. Die Tempeltore stürmen andere.«

Irgendwie beruhigte Nodon das nicht. Er sah sich die anderen Männer an, die ringsherum auf dem Deck im Schatten des Wolkensammlers dösten. Angeblich waren diese Kushiten eine Elitetruppe. Sie waren neu aufgestellt, kannten sich untereinander kaum und wurden auch noch durch Söldner ergänzt, die Gerüchten zufolge aus den Bordellen der Stadt angeworben worden waren. Der Schwertmeister hatte auch das einarmige Narbengesicht an Bord gesehen. Es stimmte also, dass alles mögliche Gesindel aufgeboten worden war, um diesen Angriff zu führen. Und sie saßen inmitten dieser Halunken und Halsabschneider! Nandalees Plan gefiel ihm mit jedem Augenblick weniger.

Nodon erhob sich, schlenderte zur Reling und sah zu den Tempelgärten der Zapote hinüber. Er hatte die Gärten so viele Stunden beobachtet, dass er dort jeden Weg, jedes Haus kannte. Er könnte sich blind orientieren. Aber was sich tief unter der Pracht aus Blüten und wucherndem Grün verbarg, wusste er nicht. Und das beunruhigte ihn. Ihm ging wieder die Geschichte vom Blutteich durch den Kopf, die Manawyn erzählt hatte. Von der Kreatur, die dort hauste. Nandalees Plan sah vor, dieser Bestie aus dem Weg zu gehen. Aber wie sollte das gelingen, wenn sie nicht einmal wussten, wo der Teich lag.

Eleborn trat an seine Seite. »Die Gärten sind schön, nicht wahr?«

Nodon war nicht danach, über Belanglosigkeiten zu plaudern.

»Du machst dir Sorgen?«

»Wie sollte ich nicht?«, entgegnete er gereizt. »Wir wissen ja noch nicht einmal, wie dieser Angriff ablaufen soll. Wir wissen nicht, wo wir letzten Endes hinmüssen. Ja, wir wissen nicht einmal, ob der Wind richtig stehen wird, sodass diese verdammten aufgequollenen Monster über die Gärten schweben werden. Ja, ich mache mir Sorgen.«

»Der Wind bläst um diese Tageszeit stetig nach Westen. Ich habe vorhin den Lotsen gefragt. Es wird wahrscheinlich kein Problem geben.«

Nodon mochte das Wort wahrscheinlich nicht, wenn es um eine Mission der Himmelsschlangen ging. Er war schon oft für den Dunklen ausgezogen. Wenn ein Drachenelf geschickt wurde, war die Aufgabe, die es zu lösen galt, nie leicht. Er hatte sich immer gut vorbereitet, deshalb lebte er noch. Deshalb war er eine Legende, selbst unter den Drachenelfen. Er war nie gescheitert. Aber heute hatte er das Gefühl, dass sich das ändern würde. In Nandalees Plan kam einfach zu oft das Wort wahrscheinlich vor. Wahrscheinlich würde der Wind richtig stehen. Wahrscheinlich war die Mehrzahl der Jaguarmänner durch den Angriff auf das Weiße Tor abgelenkt. Wahrscheinlich würden sie den Blutsee umgehen können und wahrscheinlich unbehelligt bis zu Nangog gelangen.