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Die Elfe fragte sich, wie dieser Angriff glücken sollte. Sie würden kaum mehr als eine Ladung Krieger in Körben absetzen können, bevor der Wolkensammler über die Tempelgärten hinweggeglitten war.

»Absetzen!«, hallte ein Befehl durch den Frachtschacht. »Zugleich!«

Surrend stürzte ihr Korb der Tiefe entgegen. Erschrocken sah Nandalee nach oben. Die Männer hatten die Kurbeln an den Seilrollen losgelassen!

»Scheiße«, fluchte ein junger Krieger mit spärlichem Flaum auf den Wangen neben ihr. »Wir sind tot.«

Gonvalon legte Nandalee eine Hand auf den Arm. Sie stürzten in rasendem Fall dem Boden entgegen. Das Schiff war noch mehr als dreihundert Schritt von den Gärten entfernt. Sie würden irgendwo auf den Dächern des Gerberviertels aufschlagen!

Nandalee hatte ein Gefühl, als wolle ihr der Magen in den Mund springen. Der junge Krieger neben ihr stammelte ein Gebet. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Bidayn und Lyvianne sich bereitmachten abzuspringen. Besser, sich durch einen auffälligen Zauber retten, der sie sanft hinabschweben ließ, als am Boden zerschmettert zu werden. Aber was würde aus Gonvalon? Er hatte die Fähigkeit verloren, Zauber zu weben. Für ihn gab es keine Rettung.

Die Krieger in den beiden Körben schrien ihre Angst heraus. Hinter ihr erbrach sich jemand.

Gonvalon küsste sie auf die Stirn. »Spring!«, hauchte er.

Plötzlich gab es einen Ruck. Ihr Korb begann zu schwingen. Er stürzte immer noch der Tiefe entgegen, doch er wurde jetzt langsamer.

»Vorsicht!« Ein Schlag ließ Nandalee gegen Gonvalon taumeln. Dem jungen Krieger vor ihr wurde der Helm vom Kopf gerissen. Das Weidengeflecht knarrte bedenklich. Die beiden pendelnden Körbe waren gegeneinandergeschlagen.

Die Seiltrommeln wurden abgebremst. Noch immer glitten sie schnell in die Tiefe, doch ihr Sturz verlangsamte sich, je näher sie der Mauer des Tempelgartens kamen. Noch fünfzig Schritt bis zum Boden.

»Wir schaffen das«, sagte Gonvalon so voller Zuversicht, als hätte er schon Dutzende dieser verrückten Sturmlandungen mitgemacht.

Noch dreißig Schritt. Die beiden Körbe glitten über die Mauer des Tempelgartens hinweg.

Der junge Krieger neben Nandalee betete noch immer. Dabei flossen ihm Tränen über die Wangen. Wie hatte man ihn nur für eine solche Mission aussuchen können! Als die beiden pendelnden Körbe erneut gegeneinanderschlugen, war nicht nur das Knacken der verflochtenen Weidenäste zu hören – ein trockener, splitternder Laut kam dazu. Der Holzrahmen, dachte Nandalee.

»Achtung!«

Ringsum wogten Äste auf. Ihr Korb verfing sich in einer Baumkrone, doch das riesige Wolkenschiff glitt weiter. Ihr Frachtkorb wurde zur Seite gerissen. Nandalee verlor den Boden unter den Füßen.

Während neben ihr die Krieger schreiend in das Geäst eines Baumes stürzten, fiel Nandalee durch Rispen voller kleiner, weißer Blüten, die einen intensiven Lilienduft verströmten. Dünne Äste peitschten ihr ins Gesicht. Sie griff Halt suchend in das mattgrüne Laub. Mit der Hüfte prallte sie auf einen dickeren Ast. Ihre Finger krallten sich fest. Kurz nur, bevor der abrupte Ruck ihr die Muskeln zerren konnte, ließ sie los. Griff nach einem weiteren Ast, verlangsamte ihren Sturz, bis sie sich schließlich ganz gefangen hatte und leichtfüßig über dunkles Astholz dem Stamm des Baumes entgegeneilte. Auch die anderen Drachenelfen hatten sich gefangen. Sie hangelten an größeren Ästen. Ließen sich kontrolliert fallen und strebten dem Boden entgegen. Ein Teil der Menschenkinder hatte es auch geschafft, sich zu retten. Die meisten aber waren wie Fallobst zu Boden gestürzt. Nandalee sah ihre verdrehten Leiber unter dem Baum liegen.

Behände kletterte die Elfe das letzte Stück Stamm hinab, zog ihren Bogen aus der ledernen Schutzhülle und spannte ihn. Ein Stück neben ihr, unter dem Baum, saß der junge Krieger aus ihrem Korb. Fassungslos tastete er über seine Glieder und murmelte immer wieder: »Ich lebe. Ich lebe. Ich …«

Nandalee sah kurz nach oben. Die Frachtkörbe hatten sich aus den Ästen gelöst und wurden hastig nach oben gekurbelt. Von den beiden Wolkenschiffen, die nun über den Gärten schwebten, gingen etliche dicke Taue zu den Ankertürmen. So würden sie ihre Position halten. Schon beugten sich Gesichter über die Frachtschächte. Die Nächsten, die eine Sturmlandung wagen würden.

Nodon forderte ihre Aufmerksamkeit, indem er ihr winkte und auf einen Apfelhain deutete, in dem sich etwas unter dem Geäst bewegte. Vielleicht waren es die Krieger aus den anderen Landungskörben. Vielleicht ihre Feinde. Nandalee zog einen Pfeil aus dem Köcher, hakte die Nocke ein, bedeutete dem jungen Krieger, ihr zu folgen, und rannte zu ihren Gefährten. Die Elfen hatten sich im Schatten des Mangobaums versammelt, durch den sie so unsanft aus ihren Körben gerissen worden waren. Über ihnen kletterten die wenigen überlebenden Menschenkinder durch die Äste hinab und fluchten.

Und dann waren die Zapote da, sie stürmten aus dem Apfelhain, geduckt wie große Katzen mit ihren Krallenstöcken. Nandalee hatte gerade Zeit für einen Schuss, dann ließ sie den Bogen fallen und zog Todbringer. Lange hatte sie nicht mehr mit dem verfluchten Schwert gekämpft. Es fühlte sich gut an in der Hand. Für einen Herzschlag hatte sie das Gefühl, als vibriere der Griff in ihren Händen, als könne die Waffe es nicht erwarten, wieder Blut zu vergießen.

Mit weit ausholendem Hieb traf sie den vordersten der Angreifer, der noch seine Krallenstöcke hochriss, um die Klinge abzuwehren. Der Silberstahl zersplitterte den Obsidian, fuhr durch beide Hände des Menschensohns und hämmerte ihm tief in die Brust. Nandalee trat dem Sterbenden in die Magengrube und befreite ihre Klinge, um einen zweiten Angriff abzuwehren. Auch ihre menschlichen Gefährten hatten sich in den Kampf geworfen, doch unter sie waren die Jaguarmänner wie Schnitter ins Kornfeld gefahren. Bald war der Boden im Schatten des Mangobaums von Toten und Sterbenden bedeckt.

Plötzlich wichen die Jaguarmänner zurück. Nodon, Gonvalon und Manawyn setzten ihnen gnadenlos nach. Bidayn tastete über eine tiefe Schramme auf ihrer Wange, die stark blutete, schien aber ansonsten unverletzt zu sein.

»Zurück!«, rief Eleborn. »Lasst euch nicht zu den Pyramiden locken. Unser Ziel liegt dort.« Er deutete mit ausgestrecktem Schwert auf die Gärten jenseits des Apfelhains. »Dort liegt der Schlangenschlund! Der Eingang, der tief in den Weltenmund führt!«

Nandalee sah zwischen zwei Stufenpyramiden eine Wand aus Rauch und Feuer. Ferner Kampflärm hallte von dort. Von den Wolkenschiffen über ihnen senkten sich neue Frachtkörbe voller Krieger herab. Der Unsterbliche Aaron würde bald bis zum Eingang des verborgenen Tempels durchbrechen. Es wäre besser, wenn sie vor ihm dort wären und nicht zu Kämpfen befohlen werden konnten, die sie nicht ausfechten wollten.

Ihr Ziel war erreicht. Überall herrschte ein heilloses Durcheinander. Endlich würden sie zu Nangog gelangen können.

Am Schlangenschlund

»Ich brauche keine Schildträger! Seht lieber zu, dass die Bogenschützen abgeschirmt sind«, rief Artax und stieg über einen der Jaguarmänner hinweg. Die Zapote schickten jetzt auch Tempelwachen in den Kampf. Männer in Lendenschurz mit befiederten Schilden, die mit obisdiansplitterbesetzten Keulen kämpften. Für seine gut gerüsteten Krieger waren sie keine ernsthaften Gegner.

Ein Stein traf seinen Helm und riss ihm den Kopf nach hinten. Der Unsterbliche fluchte, schüttelte sich und ging weiter. »Bringt die Schleuderer um«, befahl er dem rotbärtigen Bogenschützen aus Garagum, der zum Hauptmann unter den Kushiten aufgestiegen war und den Befehl über die Bogenschützen der Garde führte.

»Wir schicken sie zu den Adlern, Herr!«, entgegnete Ormu knapp und wies seinen Männern die neuen Ziele zu.

Der Widerstand vor ihrem Schildwall zerbrach. Die Verteidigung der Zapote war schlecht organisiert und aussichtslos. Artax sah die Tempelwachen in die Haine und das dichte Buschwerk der umliegenden Gärten flüchten. Als eine Bola dicht über seinen Kopf hinwegzog, duckte er sich. Die Seilkugeln rissen einem Krieger hinter ihm den Speer aus der Hand. Von vorne lief ihm Ashot, umringt von einer kleinen Schar Himmelshüter in ihren prächtigen, weißen Umhängen, entgegen. Er zerrte einen blonden, bärtigen Mann neben sich her. »Das ist einer der Auserwählten«, rief er. »Einer der Männer, die wie Volodi für den Opferstein vorgesehen sind.«