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»Weiß er, wo Volodi steckt?«

»Haben Zapote sich ihn geholt«, radebrechte der Drusnier mit schwerem Akzent in der Sprache Arams. »War ich mich eine Mann von Muwatta. Sie mich auch verschleppt von Kush, wie dich deine Hauptmann. Volodi jetzt Schlange gehen. Ich mich gesehen!«

»Was meint er?« Artax verstand den Mann kaum.

Ashot deutete hinter sich in die Gärten. »Irgendwo dort liegt der Eingang zu einem unterirdischen Tempel. So wie ich den Kerl verstanden habe, ist Volodi abgeholt worden, kurz bevor der Angriff begann. Der Eingang zum Tempel sieht wie ein Schlangenmaul aus. Ich glaube, das meinte dieser Drusnier mit Volodi jetzt Schlange gehen

Scheppernd schlugen Wurfsteine auf die Schilde und Rüstungen der Kushiten. Die Schleuderer der Zapote hatten sich zwar ins Unterholz des Gartens zurückgezogen, aber noch lange nicht aufgegeben.

»Dann ist das unser Ziel!«, entschied Artax.

»Aber wir haben die großen Pyramiden noch nicht von den Feinden gesäubert«, wandte Ashot ein. »Sie können sich neu sammeln und uns den Rückweg abschneiden, wenn wir uns nicht jetzt darum kümmern.«

Artax schüttelte entschieden den Kopf. Wenn sie nicht so rasch wie möglich zum unterirdischen Schlangentempel vorstießen, wäre all das vergebens gewesen. »Über den Rückweg machen wir uns Gedanken, wenn wir zurückgehen! Jetzt geht es vorwärts.« Er riss sein Schwert hoch. »Im Laufschritt mir nach!«

Den Drusnier, der den Weg kannte, in ihrer Mitte, hasteten sie durch den Garten. Auf einem Wegkreuz lagen drei tote Auserwählte. Die Priester hatten ihre Opfer für die Gefiederte Schlange lieber umgebracht, als sie den vorrückenden Kriegern Aarons in die Hände fallen zu lassen.

Artax musste daran denken, dass diese Männer allein seinetwegen gestorben waren. Sie hatten den Preis dafür zahlen müssen, dass er Volodi zurückverlangte.

Vielleicht war sein Hauptmann auch schon längst ermordet. Artax beschleunigte seinen Laufschritt. Die Männer um ihn keuchten. Schilde und Rüstungen schepperten. Die leicht gewappneten Bogenschützten überholten sie. Unter der Aufsicht von Ormu lieferten sie sich immer noch ein Gefecht mit den Schleuderern, die parallel zu den vorrückenden Kushiten durch das Dickicht eilten. Warum konnten die verfluchten Zapoter nicht einsehen, dass sie diese Schlacht verloren hatten, dachte Artax wütend. Dieses Gemetzel war unnötig.

Fauchend wie Raubkatzen brachen zwei Jaguarmänner aus einem Rosenbusch voller gelber Blüten. Sie hieben mit ihren Krallenhänden einen Bogenschützen nieder und standen plötzlich vor Artax. Ohne auf seine Leibwachen zu achten, gingen sie sofort auf ihn los. Eine Krallenfaust schrammte über seinen Leinenpanzer. Obwohl der Hieb auf der Rüstung der Devanthar nicht mehr als ein paar feine Kratzer hinterließ, ließ ihn die Wucht des Treffers zurücktaumeln. Sofort folgte ein zweiter Hieb, der auf seine Schwerthand zielte. Artax drehte die Klinge weg, sodass der Angriff ins Leere ging, und versetzte dem Zapote einen Ellenbogenstoß zwischen die Fänge des Jaguarhelms. Dann sauste seine Geisterklinge nieder. Selbst im hellen Tageslicht war das unheimliche grüne Leuchten deutlich zu erkennen, das den Stahl umspielte. Das Schwert schnitt durch Helm und Schädelknochen. Noch im Sterben hob der Zapote ein letztes Mal seine Krallenhände und hieb nach Artax’ Beinen. Doch in dem Angriff lag keine Kraft mehr.

Im selben Moment stieß Ashot den zweiten Jaguarmann mit dem Schild zurück, und Ormu versenkte auf drei Schritt einen Pfeil in die Brust des Zapote-Kriegers, der von der Wucht des Treffers von den Beinen gerissen wurde.

»Weiter!«, rief Artax verzweifelt. Wieder hatten sie einige Augenblicke verloren. Ihnen lief die Zeit davon.

Endlich erreichten sie den Eingang zum unterirdischen Tempel. Rings um das marmorne Schlangenmaul lagen tote Jaguarmänner. Es sah aus wie in einem Schlachthaus. Die Wände des Tunneleingangs, die Fänge der Schlange, die wie Stalaktiten über ihren Köpfen ragten, alles war mit Blut bespritzt. Abgetrennte Arme und Köpfe lagen auf den vordersten Treppenstufen.

»Was ist hier geschehen?« Ashot stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. »Wer war das?«

Artax deutete zu den Wolkenschiffen, von denen Körbe voller Krieger abgeseilt wurden. »So war das nicht geplant«, murmelte er, dann sagte er laut zu seinen Männern: »Ich glaube, jemand ist uns zuvorgekommen.«

»Und hat keinen einzigen Mann verloren? Seht Euch um, Erhabener, hier liegt kein einziger toter Zinnerner. Das geht nicht mit rechten Dingen zu!«

Artax nickte zustimmend. Doch wer immer das getan hatte, hatte ihnen geholfen. Entschlossen betrat er das Schlangenmaul. Er würde Volodi befreien!

In die Tiefe

Der endlose Tunnel in die Tiefe weitete sich. Auf jeder der breiten Stufen, die Nandalee hinabstieg, stand eine brennende Öllampe und tauchte die mit weißem Marmor verkleideten Wände in ein warmes Licht.

Die Elfe bemerkte Ritzzeichnungen auf den Wänden. Anfangs nur flüchtig wie Skizzen, die aber bald zu wohlausgeführten Reliefs wurden, je weiter sie gingen. Die Bilder zeigten einen Garten voller Blumen. Es gab Vögel und Schlangen, auch waren einige Priester zu sehen. Dann spannte sich über den Himmel ein weiter Schlangenleib, der statt Schuppen Federn trug. Die Kreatur war viele Schritt lang.

Der Tunnel machte einen weiten Bogen, und die Szenerie änderte sich. Decke und Wände wichen weiter zurück. Etwa fünfzig Schritt vor ihnen schloss eine solide Mauer den Tunnel ab, in die ein großes Tor eingefügt war. Die Wandreliefs waren hier bemalt: Sieben überlebensgroße Krieger mit blondem Haar kämpften gegen einen gefiederten Drachen mit goldenem Haupt.

»Das sind wir«, hörte Nandalee Manawyn sagen. »So sah der Schlangendrache wirklich aus. Es ist …« Seine Stimme brach, als er sah, wie der Drache einen Krieger mit seinen Krallen zerfetzte und einem zweiten den Schwertarm abbiss.

»Er bewegte sich schnell für seine Größe.« Manawyns Stimme klang rau, als er an ihr vorbeiging und mit seinen alten, faltigen Händen über die Reliefs strich. Er wirkte abwesend.

Direkt neben dem Tor war ein Bild der geflügelten Išta. In der Rechten hielt sie ein Schwert. Ihren Fuß hatte sie in den Nacken eines Toten gesetzt, aus dessen Halsstumpf Blut quoll. Mit der Linken aber hielt sie an ihrem langen blonden Haar den Kopf einer Elfe hoch. Nandalee erschauderte, als sie sah, dass in die beiden Seitenpfeiler des hohen Tors je drei Nischen geschnitten waren, in denen abgetrennte Köpfe lagen. Im Sturz des Tores war ebenfalls eine einzelne Nische angelegt. Sie jedoch war leer.

Bisher hatten sie nur ihren eigenen Atem und das leise Geräusch ihrer Schritte vernommen. Nun erklang jenseits des Tores Gesang. Dunkel, auf- und abschwellend – wie eine Beschwörung. Das Lied schien etwas bei Manawyn auszulösen. Seit er ihnen seine Geschichte erzählt hatte, hatte er nicht mehr viel gesagt. Doch auch schweigend strahlte er eine stumme Autorität aus. Jetzt jedoch wirkte er verändert auf Nandalee. Es schien, als sei er nicht mehr bei ihnen, sondern durch die Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit geschritten. Manawyn war vor dem Tor stehen geblieben und betrachtete entrückt die abgetrennten Köpfe.

»Wir müssen weiter«, zischte Nodon. »Jemand kommt die Treppe hinab. Wenn es Krieger Arams sind, wird es Fragen geben, und sollten es diese verdammten Zapote sein …« Er seufzte. »Auf der anderen Seite des Tors erwarten uns sicher auch noch reichlich von diesen verdammten Katzen. Wir können hier nicht bleiben!«

Noch während Nodon sprach, war Manawyn vor den linken Pfeiler getreten, hatte sich auf Zehenspitzen gestellt und hob nun den Kopf aus der mittleren Nische. Die Devanthar schienen ihre Trophäen mit einem Zauber umsponnen zu haben: Das Fleisch der Toten war nicht verfault, ja es war nicht einmal dunkel oder faltig geworden. Ihre Augen waren geschlossen. Das ebenmäßige Gesicht wirkte ruhig, als schlafe sie nur. Sie war einmal eine Schönheit gewesen. Manawyn sah unendlich viel älter aus als diese Köpfe. Er sagte etwas zu Lyvianne, und die Zauberweberin reichte ihm einen Kamm.