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»Nur einen«, entgegnete Nandalee leidenschaftlich. »Du bist nicht so grausam wie die Alben und Devanthar. Die Menschenkinder wissen nicht, wozu sie missbraucht werden. Töte sie, und du bist nicht anders als jene, die deine unschuldigen Kinder gemordet haben.«

Deine Zunge ist gefährlicher als dein Schwert. Und dein Mut grenzt an Wahnsinn. Du bist weniger als ein Staubkorn auf meinem Auge und forderst mich heraus? Was ist mit jenen, die dir geholfen haben hierherzugelangen? Der Wurm, dem die Devanthar einen goldenen Kopf gaben, wird bald Manawyn und Nodon erreichen. Er wird sie beide töten. Ich aber könnte ihn aufhalten, Nandalee, wenn du mir mein halbes Herz gibst. Tust du es nicht, wird auch der Kristallgarten den Wurm nicht aufhalten. Er wird zu deinen anderen Gefährten vorstoßen. Sie alle werden mit ihrem Leben für dein Zögern bezahlen. Sind die Menschenkinder es wert, dass du deinen Liebsten opferst?

»Was wirst du den Menschenkindern antun?«

Ich werde ihre Städte von den Hängen meiner Berge stoßen. Ich werde die Erde beben lassen, bis auch der Letzte von ihnen unter Trümmern begraben ist. Ich werde die Flüsse und Meere über die Ufer treten lassen und sie ertränken. Ich werde die Wolkensammler alle Schiffsbesatzungen meucheln lassen. Die Bäume werden jene würgen, die sich in meine Wälder gewagt haben. Meine ganze Welt wird gegen sie kämpfen. Zuletzt auch meine Kinder. Ich werde ihnen Körper schenken. Nicht jene, in die sie hätten geboren werden sollen. Ich werde Körper suchen, die schon existieren und die Grünen Geister mit ihnen verschmelzen lassen. Sie werden vielerlei Gestalt haben. Nur eines wird ihnen allen gemein sein, der Hass auf die Menschenkinder. Ich werde mir meine Welt zurückerobern. Ich werde … Sie hielt kurz inne. Der Wurm hat Manawyn erreicht, und dein Gefährte hält einzig ein Bronzeschwert, das die Menschenkinder erschaffen haben, in Händen. Ich glaube nicht, dass ich ihn noch retten kann. Um der anderen willen, entscheide dich, Nandalee. Schnell!

Stimmte es, was die Riesin behauptete? Sie hatten den Drachen nicht gesehen, und kurz nach ihnen mussten Hunderte Menschenkinder in die große Höhle gestürmt sein. Würde er nicht zunächst gegen sie kämpfen? »Verschone ihre Städte!«

Nein! Ich werde sie fühlen lassen, dass ich erwacht bin, und selbst wenn du mich nicht aus meinen Fesseln befreist, so habe ich doch die Macht, meine Geschöpfe, ja, meine ganze Welt gegen sie kämpfen zu lassen. Gibst du mir mein halbes Herz, habe ich mehr Freiheiten zu wählen, auf welche Art ich kämpfe. Dann kann ich die Unschuldigen verschonen. Doch wisse, es sind nur wenige, die ohne Schuld sind. Ich werde nur jene … Oh, dieser Manawyn ist tapfer … Aber er hat seine alte Kraft nicht wiedererlangt. Dieser Kampf wird nicht so lange dauern, wie sein erstes Duell mit dem Wurm.

Nandalee setzte sich. Ihr Herz war zerrissen, aber sie war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Sie wollte nicht noch einmal die Mitschuld an einem Massaker tragen. Nicht, wenn sie es verhindern konnte.

Dir bedeutete Manawyn wohl nicht viel? Und Nodon? Manawyn ist nun verwundet. Ich glaube, er will sterben. Nodon hingegen will leben. Und Bidayn? Oder Eleborn, Lyvianne und Gonvalon? Willst du sie alle opfern? Ich habe ein Zeitalter lang auf Erlösung gewartet. Ich habe Geduld gelernt.

Woher kannte die Riesin ihrer aller Namen?

Du trägst noch immer einen meiner Geister in dir, Nandalee. Auch wenn er sich nicht gerührt hat, ist er noch da. Ich weiß alles von dir. Ich kenne deine innersten Geheimnisse, die selbst vor den Himmelsschlangen verborgen sind, denn ein Teil von mir ist in dir. Ich weiß um das, was dieser garstige rote Drache zu dir gesagt hat. Du wirst jene verraten, die dir am meisten bedeuten, so wie du jetzt Manawyn und Nodon durch dein Zögern verrätst. Dies ist meine Welt. Ich bin mit ihr auf eine Art verbunden, die du dir nicht einmal vorzustellen vermagst. Hier bleibt nichts vor mir verborgen. Die Grünen Geister sind meine Augen. Die Kristalle, die ich in Jahrtausenden habe wachsen lassen, sind meine Nerven und Sehnen. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Ich vermag zu sehen, aber kaum einzugreifen. Aber ich bin eine Göttin, Nandalee. Versuche nicht, mich zu verstehen. Ich entziehe mich dem Verständnis eines einfachen Albenkindes. Höre auf, mit mir zu feilschen! Rette deine Gefährten. Das schuldest du ihnen. Den Menschenkindern aber schuldest du nichts.

Nandalee blieb sitzen, das Amulett fest in ihrer Faust. Sie wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Sie hielt buchstäblich das Leben Tausender in der Hand. »Ich hatte gedacht, du seiest anders, gütiger … Aber du bist, was andere aus dir gemacht haben. Du hast dich verloren in Hass und Einsamkeit.«

Ich kann in dir lesen, Nandalee. Ich kenne jeden deiner Gedanken. Wie kannst du glauben, du könntest mich täuschen? Und wie kannst du mir Vorhaltungen machen? Hast du nicht einst einen Trollprinzen nur deshalb getötet, weil er den Hirsch erlegte, dem du so lange durch den Schnee gefolgt warst? Wie unbedeutend war seine Tat im Vergleich zu dem, was mir und meinen Kindern angetan wurde. Und du willst mich um meine Rache bringen?

»Ich habe erfahren müssen, welchen Preis Rache hat. Meine Sippe wurde ausgelöscht. Alle, die mich in meiner Kindheit und Jugend begleitet und mir Liebe geschenkt haben, sind tot. Tot wegen eines einzigen unbeherrschten Augenblicks. Du sagst, du kannst in mir lesen? Sieh genau hin! Sieh, was mir meine Rache gebracht hat! Glaubst du, die Devanthar werden tatenlos zusehen, wenn du ihre Kinder mordest? Sie werden gegen dich vorgehen. Gegen das, was noch geblieben ist. Aus Rache wird nur Rache geboren werden. Du kannst dies verhindern! Du bist es, die nun über die Zukunft entscheidet!«

Manawyn ist tot, sagte die Stimme in Nandalees Kopf, und sie spürte die Trauer der Riesin. Nodon flüchtet. Auch er wird sterben.

Nandalees Faust schloss sich noch fester um das Amulett. Sie konnte spüren, dass Nangog nicht gelogen hatte. Der Erste Meister war gegangen. Er war ihr unheimlich gewesen, aber sie hatte kein Recht gehabt, ihn zu opfern. Sie dachte an die Gefährten. Sie konnte sie retten …

Du wirst nicht nachgeben, nicht wahr? Du würdest einfach auf meinem Auge sitzen bleiben und auf deinen Tod warten, wenn ich nicht auf deine Forderungen eingehe.

Nandalee nickte, denn ihre Stimme versagte ihr, sträubte sich dagegen, das Todesurteil für Gonvalon und die anderen zu sprechen.

Ich werde nicht darauf verzichten, die Menschenkinder zu vertreiben. Ich werde sie warnen, dass ich erwacht bin. Die Erde wird erzittern, und meinen Kindern werde ich Leiber geben, die es ihnen erlauben werden, die Menschen zu bekämpfen. Aber die Brut der Devanthar soll Gelegenheit haben, sich von meiner Welt zurückzuziehen. Mehr werde ich dir nicht bieten, Nandalee. Dies ist meine Welt, und ich werde nicht mein Recht aufgeben, Eindringlinge zu vertreiben.

Nandalee öffnete die Hand. Sie hatte die eiserne Entschlossenheit der Riesin deutlich gespürt. Sie wusste, dass es keinen Spielraum mehr für weitere Verhandlungen gab. Im Grunde hatte sie gar kein Recht, irgendetwas zu fordern. Die Himmelsschlangen hatten sie geschickt, um die Menschenkinder und Devanthar auf Nangog zu bekämpfen, bevor sie den nächsten Schritt wagten und auch noch Albenmark angriffen. Wie sollte sie da der Riesin verbieten, gegen jene Invasoren vorzugehen, die ihre Welt zerstörten?