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Die Elfe faltete das Bleiblech auf, in das die Himmelsschlangen Nangogs halbes Herz gebettet hatten. Es war ein von innen heraus glühender Smaragd. Ein wunderschöner Stein, in dessen Facetten tausend Lichter zu tanzen schienen.

Die Riesin tat einen langen Seufzer. Plötzlich wurde Nandalee wie von Geisterhand emporgehoben. Ich spüre meine Kraft zurückkehren, frohlockte Nangog.

Nandalee wusste, dass sie nun machtlos war. Sie schwebte höher. Fünfzig Schritt. Hundert. Und doch sah sie immer noch nichts als das gewaltige schwarze Auge unter sich, das am Horizont mit dem Zwielicht verschmolz.

Ihr wurde bewusst, wie ausgeliefert sie war und dass sie nichts dagegen tun könnte, sollte Nangog sich nicht an ihr Wort halten. Nandalees Flug beschleunigte sich. Die schwarze Fläche unter ihr wurde von einem Augenblick zum nächsten zu milchigem Weiß. Schneller und schneller wurde sie. Der Wind zerrte an ihren Haaren. Sie ahnte, dass die bloße Anwesenheit des halben Herzens, befreit vom Mantel aus Blei, der Riesin schon einen Teil ihrer Macht zurückgegeben hatte.

Sie erreichte einen Abgrund, der in glosendes, grünes Licht getaucht war. Kristalle, mächtig wie die Ankertürme der Goldenen Stadt, ragten aus der einen Wand, die sie sehen konnte, während das andere Ende sich in der Ferne verlor. Zwischen den Kristallen war eine rötliche, vibrierende Masse zu sehen. Fleisch? Der Abgrund verlor sich in grünem Licht.

Das Herz in ihrer Hand wurde schwerer. Es begann zu wachsen! Schon war es so groß wie eine Faust, dann größer als ein Kinderkopf. Sein Gewicht zerrte an ihren Fingern. Sie konnte es nicht länger halten. Nandalee ließ es los und sah zu, wie es im Fall immer schneller anwuchs. Nun blieb ihr nur noch die Hoffnung, dass die Riesin Wort halten würde.

Die Gefiederte Schlange

»Such Deckung zwischen den Kristallen!«, rief Manawyn und stürmte vor, ohne auf seine eigene Deckung zu achten.

Das Drachenhaupt stieß nieder. Die großen unregelmäßigen Zähne schnappten. Zähne, die aus den Schwertern bestanden, die Manawyn und seine Gefährten einst im Kampf gegen das Ungeheuer verloren hatten.

Der Erste Meister ließ sich auf die Knie fallen, beugte den Oberkörper nach hinten und rutschte auf dem glatten Höhlenboden noch ein Stück weiter. Knapp verfehlten ihn die stählernen Reißzähne der Bestie. Manawyn hielt sein Bronzeschwert mit beiden Händen umklammert, jetzt stieß er es nach oben, dorthin, wo der goldene Kopf des Schlangendrachen in purpurne Schuppen überging.

Die Klinge glitt ab, ohne die Schuppen auch nur zu ritzen. Der Elf rollte sich zur Seite weg und wollte sich wieder aufrichten, als ein krallenbewehrter Fuß auf ihn niederging. Der Hieb öffnete seine Brust bis hinab in seinen Schritt: Dunkles Blut benetzte die purpurnen Schuppen, die an den Flanken des Ungeheuers in ein buntes Federkleid übergingen.

Nodon wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

Der Drache senkte sein Haupt. Er hatte aus dem Angriff auf seine Kehle gelernt. Augen aus kristallgrünem Licht funkelten Nodon böse an. Dann stürmte die Bestie vor, ohne einen Laut von sich zu geben. Kein Fauchen, kein Schnauben. Nur ein leises, metallisches Klicken begleitete ihre Bewegungen.

Nodon wich weiter in den Kristallgarten zurück. Bald würden die baumdicken Streben das Ungeheuer aufhalten. Doch es gab keinen Weg zurück, wenn sie den Drachen nicht besiegen konnten.

Die Kreatur setzte ihm nach. Schnuppernd streckte sie den Kopf vor und zwängte sich unter einer Kristallsäule hindurch, die fast waagerecht aus der Höhlenwand wuchs. So tief geduckt, halb eingeklemmt, wirkte sie wehrlos. Nodon sprang vor und versetzte ihr einen Hieb quer über die Schnauze, doch sein Schwert hinterließ kaum eine Schramme auf dem goldfarbenen Metall. Schwarzer Geifer quoll aus dem Maul des Drachen, als er sich gegen den Kristall stemmte.

Nodon versuchte, mit einem tollkühnen Sprung auf die Schnauze des Drachen zu gelangen. Wenn er sein Schwert in das Auge der Bestie rammen könnte … Splitternd gab die Kristallsäule nach. Der Drache bäumte sich auf, und Nodon verfehlte sein Ziel. Eine Pranke fuhr auf ihn herab, und er wurde zu Boden geschmettert. Einen Teil der Wucht des Aufpralls setzte er in Bewegung um, rollte fort und war mit einem Satz wieder auf den Beinen, nur um sich sofort wieder fallen zu lassen und der Pranke auszuweichen, die wie bei Manawyn seine Brust zerfetzen wollte.

Die Kreatur war atemberaubend schnell. Nodon rollte nach links und kroch durch einen Spalt zwischen wuchernden Kristallen. Ein Prankenhieb zersplitterte die Kristallsäulen, als seien sie lediglich dünnes Glas. Er riss den Arm hoch, um sein Gesicht vor dem Hagel messerscharfer Splitter zu schützen. Dann kroch er hastig weiter, richtete sich auf, sobald der Platz genügte, und begann zu laufen.

Der Drache blieb ihm dicht auf den Fersen. Mit wuchtigen Hieben bahnte er sich einen Weg durch den Kristallgarten. Nichts vermochte ihn aufzuhalten!

»Halt durch!«, ertönte eine vertraute Stimme. Gonvalon! »Wir kreisen ihn ein.«

Der Schwertmeister war gemeinsam mit Eleborn gekommen. Ja, im Hintergrund sah er sogar Bidayn und Lyvianne.

Der Kopf des Drachen pendelte hin und her. Er wirkte unentschlossen, wen er zuerst angreifen sollte.

Eleborn schlitterte mit einem wilden Schrei über die glatte Fläche eines Kristalls, der leicht zum Boden hin geneigt aus der Wand wuchs.

Lyvianne ließ flackernde Lichter über die spiegelnden grünen Flächen huschen.

Der Drache warf den Kopf zur Seite und zerschmetterte mit einem Schwanzhieb den Kristall unter Gonvalon. Der Elf zog die Beine an, machte einen Salto und landete dicht neben dem Schlangenleib, während Eleborn ihn von der anderen Flanke angriff.

Auch Nodon stürmte erneut auf die Bestie zu und führte einen Hieb gegen die vordere Klaue.

Eleborn wurde von einem Schwanzhieb zur Seite gefegt. Er kroch unter eine Säule, die schon im nächsten Augenblick unter einem weiteren Hieb zersplitterte. Im selben Moment fuhr der Drache herum und schnappte nach Nodon. Obwohl sein ganzer Kopf aus Metall zu bestehen schien, roch sein Atem nach Verwesung.

Ein Wort der Macht hallte durch den Kristallgarten. Bidayn! Sie ließ die tausend Splitter schweben. Kurz verharrten sie reglos in der Luft. Es war, als sei die Zeit stehen geblieben. Dann prasselten die scharfkantigen Kristalle wie Hagelschlag auf den Drachen nieder. Das Metall seines Kopfes kreischte. Sein Rumpf zuckte und wand sich.

Nodon sah, dass Gonvalon dem Drachen seine Klinge in die Flanke getrieben hatte. Doch schon als sein Gefährte das Schwert wieder zurückzog, schloss sich die Wunde wieder. Es blieb nur eine kahle Stelle im Federkleid, die purpurn schillernde Schuppen zeigte.

Der Hagelsturm aus Kristallsplittern ebbte ab. Es war kaum eine Schramme auf dem Metall des Kopfes geblieben.

Der schlangenhafte Drache richtete sich auf wie eine Kobra, die zustoßen wollte.

Nodon wich zur Höhlenwand hin aus. Doch statt eines direkten Angriffs hämmerten die Krallen des Ungeheuers auf die Kristallsäulen. Es schien, als wolle es nun seinerseits einen Hagelsturm aus Splittern entfesseln. Nodon ließ seine Klinge kreisen und suchte Deckung zwischen den Kristallen. Eleborn war nicht schnell genug – er stöhnte auf. Ein pfeillanger Splitter steckte in seinem linken Oberarm. Gonvalon riss den jungen Drachenelfen zur Seite, als die Klaue des Drachen niederfuhr.

Wie konnte man ihn verwunden, fragte sich Nodon. Er dachte daran, wie Manawyn von seinem ersten Kampf mit der Kreatur erzählt hatte. Es hatte sich so angehört, als hätten sie den Drachen vielleicht sogar besiegt, wären nicht die Devanthar dazugekommen. Also wie war die Bestie zu verwunden?

Gonvalon lenkte den Drachen mit wilden Schreien ab, während Lyvianne den verwundeten Eleborn aus der Reichweite der Krallen brachte. Bidayn kauerte erschöpft am Boden und fluchte.

Der Schwertmeister war geschickt. Er bewegte sich fließend. Fast sah es aus wie ein einstudierter Tanz mit dem Drachen. Er blieb jedem der Angriffe stets um einen Lidschlag voraus, duckte sich, sprang hoch und wich den Krallenhieben und dem schnappenden Maul aus. Doch es gelang ihm nicht, zum Angriff überzugehen. Er war ganz und gar damit beschäftigt zu überleben.