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Verwandlung

Manasse betrachtete Dojan voller Abscheu. Nicht vielen war es gelungen, ihn zu hintergehen. Dieser verdammte Bastard hatte ihm wohl schon über Jahre etwas vorgemacht. Und jetzt lag er da und lächelte, als das Gatter aufging, statt sich vor Angst anzupissen. »Drecksack!«, zischte er.

Hanna hatte geschworen, dass Dojan Angst vor Hunden hatte, die er nur dadurch beherrschen konnte, dass er wie ein Tyrann über die Tiere regierte, ihre Leinen hielt, sie mit der Peitsche züchtigte und niemals nachgiebig war. Und jetzt wartete er lächelnd auf den Schlimmsten von ihnen!

Heute genoss er es, allein zu sein. Selbstverliebt seinen Spaß mit niemandem zu teilen. Es war üblich, die Herren der benachbarten Güter einzuladen, einer Hinrichtung beizuwohnen, so wie er es gestern getan hatte, als sie das Mädchen an den Pfahl gefesselt hatten. Es geschah nicht viel auf den großen Landgütern am Fluss. Jede Abwechslung war willkommen. Manasse bückte sich, um besser durch den schmalen Sehschlitz vor ihm blicken zu können. Reißer trat misstrauisch schnuppernd durch das Gitter. Er roch das Blut und das Fleisch, das schon brandig zu werden begann. Hunde mochten es, wenn ihr Fressen nicht mehr ganz frisch war. Doch irgendetwas stimmte nicht mit Reißer. Steifbeinig stakste er aus dem Tunnel und hielt sich dicht bei der Wand, statt über Dojan herzufallen. Er musste doch sehen, dass der Hundeführer wehrlos war. Warum klemmte das Vieh seine Rute zwischen die Hinterläufe? Warum …?

Grüner Nebel glitt durch den Tunnel, durch den gerade erst Reißer gekommen war. Manasse wich ein Stück vom Sehschlitz zurück. Ein Grüner Geist! Zweimal hatte er sie von ferne in den Wäldern gesehen und Hunderte Geschichten über sie gehört. Was immer jetzt kommen würde, würde interessant werden. Er tastete nach der kleinen Glasphiole, die an einer Lederschnur um seinen Hals hing. In ihr war ein Pulver enthalten, das gegen die Geister schützte. Man musste es nur in eine offene Flamme schleudern, dann entstand ein Rauch, den die Waldgeister nicht ertragen konnten. Es war unanständig teuer gewesen, das Pulver. Aber es wirkte. Er hatte selbst einmal einen Reisenden zu Gast gehabt, dem das Pulver im tiefen Wald das Leben gerettet hatte. Manasse blickte aus den Augenwinkeln zur Fackel, die hinter ihm an einem Halter in der Wand steckte. Er war hier sicher!

Mit angehaltenem Atem verfolgte er, was unter ihm in der kleinen Hundearena geschah. Der Geist trieb Reißer vor sich her, drängte ihn in die Enge. Dabei winselte der große Bluthund so erbärmlich, als habe ihn ein Krokodil geschnappt. Dann atmete Reißer den Geist ein! Manasse presste sich die Hand auf Mund und Nase. Davon hatte er noch nie gehört. Reißer stand ganz still. Seine Rute war nicht länger zwischen seine Hinterbeine geklemmt. Er sah zu dem Sehschlitz hinauf. Kurz glaubte der Gutsherr, ein grünes Leuchten in den Augen des Bluthundes flackern zu sehen. Dann ging das Tier auf Dojan zu.

Der Krüppel lächelte nicht mehr, sondern war gelähmt vor Angst. Unfähig sich zu rühren, starrte er den Hund an, der ihm seine großen Pfoten auf die Brust setzte und ihn nach hinten drückte, bis er schließlich ganz auf ihm stand. Die Schnauze des Bluthundes kam dem Gesicht Dojans immer näher. Einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Hund ihn küssen, als plötzlich der Grüne Geist aus seinem Maul quoll. Ein Teil der Nebelgestalt drang in Dojans Mund und Rachen, der verzweifelt aufschrie.

Der größte Teil des bösen Geistes jedoch wand sich in schlangengleichen Spiralen um den Leib des Hundes und Dojans. Die beiden Körper bäumten sich unter spastischen Zuckungen auf und schlugen immer wieder hart aneinander. So hart, dass sich ihre Glieder verformten, als würden die Knochen brechen.

Manasse hatte so etwas noch nie gesehen. Gleichermaßen schockiert und fasziniert vermochte er den Blick nicht abzuwenden. Die starken Läufe Reißers knickten ein, und sein massiger Leib sank auf den Körper Dojans. Fast sah es aus, als liebten sich die beiden zuckenden Leiber. Da begann der grüne Nebel, von innen heraus zu glühen. Schillernde Fünkchen stiegen von ihm auf, tanzten durch die Arena und stürzten zurück zu den beiden Leibern, die …

Der Gutsherr traute seinen Augen nicht. Er drängte gegen den Sehschlitz, als wolle er durch die schmale Öffnung hindurchkriechen. Das konnte nicht sein! Das Fleisch von Hund und Mann veränderte sich. Die beiden Leiber verschmolzen miteinander! Sie waren nicht mehr länger zwei Kreaturen. Die Rippen Dojans klafften auf wie ein fleischiges Maul und zogen den Hund in den geöffneten Leib. Der Kopf des Bluthundes fiel auf Dojans Gesicht, und als hätten beide keine feste Form mehr, begannen sie ineinanderzufließen, bildeten einen neuen, größeren Kopf mit vorspringender Hundeschnauze und großen Hundeohren.

Die Kreatur aus den beiden Leibern wand und streckte sich. Und sie wuchs. Als der grüne Nebel gänzlich verschwand und das Ungeheuer, das aus Hund und Hundeführer entstanden war, sich aufrichtete, war es mehr als zweieinhalb Schritt hoch. Es hatte den Rumpf eines Menschen und auch dessen Arme, wenngleich diese in Händen endeten, die mit langen Klauen besetzt waren. Die Beine sahen drahtig und seltsam verdreht aus. Aber es waren Beine für lange, ausdauernde Läufe. Der Kopf der Kreatur wirkte am wenigsten menschlich. Mit fingerlangen Reißzähnen in einer Hundeschnauze schien die Bestie einem Albtraum entsprungen zu sein.

Nur die Augen erinnerten noch an Dojan. Große, braune Augen, hinter denen der rachsüchtige Verstand des Hundeführers blitzte. Nun sahen sie hinauf zu dem Sehschlitz. Witternd reckte die Bestie den Kopf vor. In dem Augenblick begriff Manasse, dass diese Kreatur, in der Dojans Verstand weiterlebte, wusste, dass er hier oben war.

Die Bestie fuhr herum und zwängte sich durch den kurzen Tunnel, der zu den Zwingern führte. Panisch sah sich der Gutsherr um. Er musste fliehen! Aber wohin? Er durfte nicht im Freien erwischt werden. Schon öfter hatte er gesehen, was Bluthunde mit flüchtigen Arbeitern anstellten. Und diese Bluthunde waren Streicheltiere im Vergleich zu der Bestie, die in der Arena geboren worden war. Verzweifelt blickte er auf den schmalen Riegel an der Tür der engen Kammer. Sieben Kammern wie diese und eine große, die viele Gäste aufnehmen konnte, umringten die Hundearena. Der Riegel war nur dazu da, um ungestört zu bleiben, falls man etwas anderes tun wollte, als sich am blutigen Gemetzel zu ergötzen. Einem ernsthaften Ansturm würde er nicht standhalten.

Manasses Blick blieb an der Fackel haften. Sie würde ihn retten. Als er sie aus dem Bronzehalter an der Wand zog, hörte er, wie unten eine Tür zersplitterte. Die Bestie hatte den Zugang zur Treppe, die hier hinaufführte, aufgebrochen.

Mit zitternden Händen tastete der Gutsherr nach dem Glasfläschchen. Deutlich konnte er scharrende Laute auf den Stufen hören. Stumm in sich hineinfluchend, riss er den dünnen Lederriemen vom Hals, als es ihm einfach nicht glücken wollte, den Verschluss des Fläschchens zu öffnen.

Er hörte, wie die Bestie draußen witternd von Tür zu Tür ging. Der Hals der Phiole brach, die Hälfte des gelben Pulvers rieselte zu Boden, und beinahe wäre die Flasche Manasses verschwitzten Fingern entglitten. Er war inzwischen fast verrückt vor Angst.

Es kratzte an der Tür. Ein tiefes, kehliges Knurren erklang. Wenigstens ein Teil des Pulvers gelangte in die Flammen der Fackel, bevor das Fläschchen doch noch seinen verschwitzten Fingern entglitt und klirrend zu Boden fiel.

Ein dicker, öliger Rauch von schwefelgelber Farbe wölkte auf, als der Sperrriegel aus der Halterung an der Wand gerissen wurde. Die Tür flog auf, und geifernd, mit leicht geducktem Gang schlich die Bestie in die enge Kammer, die Krallenhände vorgestreckt, als wolle sie Manasse damit das Herz herausreißen. Der Gutsbesitzer blies in den gelblichen Rauch, um ihn schneller in Richtung des Ungeheuers zu treiben. Wenn die Kreatur das Zeug doch nur endlich einatmen würde!

Der riesige Hundemann legte den Kopf schief und schnupperte misstrauisch. Es wirkte also! Ermutigt schob Manasse die Fackel vor. »Hau ab, du Vieh!«, schrie er voller Inbrunst und überlegte, wie er Jagd auf die Bestie machen könnte, wenn sie sich in die sumpfigen Flussauen flüchtete. Er hatte schon vor Augen, an welcher Stelle seines Hauses er den Kopf des Ungeheuers ausstellen könnte, als der Hundemann vorschnellte.