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Glamir starrte auf die Tür, durch die der junge Schmied verschwunden war. Sie waren sich gar nicht so unähnlich. Aber auf einem Misthaufen konnte es nicht zwei Hähne geben. Er musste ihn loswerden, und er wusste auch schon wie. Seine Neugier und Selbstüberschätzung würden Galar zum Verhängnis werden. Er sollte nicht lange damit warten, den Anführer der Drachentöter loszuwerden, überlegte Glamir. Je früher der Störenfried verreckte, desto besser.

Auf Leben und Tod

Nachtatem nahm seinen Platz in der Höhle unter den Basaltklippen ein. Die weite Felsnische auf der anderen Seite der Halle war leer. Dort hatte der Himmlische sich niedergelassen, wenn sie sich zur Beratung versammelten oder die Berichte der heimkehrenden Drachenelfen hörten. Es war nun schon die zweite leere Nische. Eine Mahnung, dass sie nicht unbesiegbar waren.

Er lauschte auf die Schritte auf der Treppe, die zu ihnen hinabführte, und öffnete seine Gedanken für seine Brüder. Sie waren gekommen, um zu hören, was geschehen war, obwohl sie alle es im Grunde schon wussten – Nangogs Erwachen war auf allen Welten zu spüren gewesen. Ihr Griff nach dem magischen Netz war in Wellen durch die Schöpfung gelaufen. Die kleinen Vögel im Jadegarten hatten für einen Moment mit ihrem Gesang innegehalten, als Nangog erwacht war. Gewiss hatten nicht alle Geschöpfe gespürt, dass die Geschichte der drei Welten in diesem Augenblick eine neue Wendung genommen hatte, doch die feinfühligeren waren sich bewusst, dass etwas vorgefallen war, auch wenn es sich nicht ihrem Begreifen erschloss.

Er spürte die Unruhe seiner Nestbrüder. Nur der Goldene schien nicht dem Bericht der Drachenelfen entgegenzufiebern. Wusste er mehr als sie? Nachtatem lauschte erneut auf die Schritte. Es waren zu wenige! Nur zwei Elfen kamen die Treppe hinab! Und da erschienen sie auch schon: Lyvianne und Bidayn. Wo waren die anderen? Warum war Nandalee nicht hier?

Es fiel ihm schwer, seine Ungeduld zu beherrschen. Er musste sich zwingen, keine Fragen zu stellen und dem Bericht der Ereignisse zu lauschen. Es war Lyvianne, die in ihre Mitte trat und über die Mission auf Nangog Rechenschaft ablegte. Die Meisterin der Weißen Halle erhob keine Anklage gegen Nandalee, doch hinter ihren Worten schimmerte deutlich auf, dass sie die junge Elfe für zu unerfahren hielt. Sie berichtete von der ziellosen Suche in der Goldenen Stadt. Davon, wie jeder eigene Wege gegangen war, statt geführt zu werden. Sie machte keinen Hehl daraus, dass es ein glücklicher Zufall gewesen war, auf den Mann im Stein gestoßen zu sein.

Nachtatem spürte das Unbehagen seiner Nestbrüder, als Lyvianne über Manawyn sprach. Sie alle hatten gehofft, dass diese Geschichte niemals ans Licht kommen würde. Sie hatten Manawyn, wie alle anderen Elfen seiner Mission, für tot gehalten. Es war das unrühmlichste Kapitel im Buch der Drachenelfen. Sie hatten den Begründer der Weißen Halle und die anderen ersten Meister nach Nangog geschickt, um zu erkunden, was im Weltenmund vor sich ging. Und ihre besten Krieger waren gleich bei ihrer ersten Mission gescheitert. Deshalb hatten sie das Gerücht verbreitet, die ersten Meister hätten sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um in der schwersten Stunde Albenmarks zurückzukehren.

Ihr werdet dieses Geheimnis immer für euch behalten! Die Gedanken des Roten waren wie ein Flammensturm, unter dem selbst Lyvianne kurz zusammenzuckte.

Die beiden Elfen würden schweigen, sie hatten von sich aus begriffen, was ihre Entdeckung für die Weiße Halle bedeuten mochte. Obwohl es die Schule der Meuchler ohnehin nicht mehr gab. Die Novizen und Meister waren, seitdem die Himmelsschlangen sie nach dem Angriff auf die Blaue Halle fortgeschickt hatten, nicht mehr zurückgekehrt, und sie würden sich gewiss für lange Zeit nicht in jenem abgelegenen Tal versammeln, in dem die Weiße Halle lag. Sie würden sich nirgends mehr versammeln. Sie waren ein zu attraktives Ziel für einen Gegenschlag der Devanthar – und der würde kommen, dessen waren sich Nachtatem und seine Brüder vollkommen sicher.

Wie genau Nangog ihr halbes Herz zurückerlangt hatte, vermochte Lyvianne nicht zu berichten. Es war Nandalee gewesen, die dies vollbracht hatte und die zum Erstaunen Lyviannes nicht zurückgekehrt war. Die Meisterin erklärte, wie sie und Bidayn sich von den anderen getrennt hatten, die auf schnellstem Wege zum Goldenen Tor wollten. Sie gestand, dass sie ihrer beider Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um Bidayn eine neue Haut zu schenken. Nachtatem spürte, dass diese Details seine Nestbrüder kaum interessierten. Die Mission war geglückt, das allein zählte, und dass mit Opfern zu rechnen war, war ihnen von Anfang an klar gewesen.

Lyvianne schilderte in eindrucksvollen Farben das Beben, das die Goldene Stadt verwüstet hatte, und berichtete, wie ihre Novizin Bidayn einen der Silbernen Löwen der Devanthar bezwungen hatte.

»Bidayn hat in höchster Gefahr Tapferkeit und einen kühlen Kopf bewiesen. Als ihre Meisterin möchte ich vorschlagen, sie nun unter die Drachenelfen aufzunehmen. Sie ist durch ihre Taten auf Nangog ohne Frage über den Rang einer Novizin hinausgewachsen«, schloss sie ihren Bericht.

Es war selten, dass in dieser Runde vorgeschlagen wurde, eine Novizin zur Drachenelfe zu erheben. Üblicherweise entschieden die Meister der Weißen Halle darüber. Der Dunkle konnte spüren, dass seine Nestbrüder dennoch geneigt waren zuzustimmen.

Bitte erklärt noch einmal genau unter welchen Umständen ihr Euch von Euren Gefährten getrennt habt, Dame Lyvianne? Nachtatem ahnte, dass Lyvianne nicht alles erzählt hatte, und es kostete ihn einige Beherrschung, nicht direkt nach Nandalee zu fragen. In jeder Zukunft, die er für sie gesehen hatte, war sie lebend von Nangog zurückgekehrt. Was war geschehen?

Widerstrebend bekannte sich Lyvianne dazu, ihre Gefährten verlassen zu haben, ohne die Erlaubnis Nandalees einzuholen. Sie und Bidayn hatten das Gedränge um die Goldene Pforte genutzt, um sich davonzuschleichen. Die Meisterin berichtete, wie es schon zuvor zu einer Auseinandersetzung mit Nandalee gekommen war, weil sie darauf bestanden hatte, den Unsterblichen Aaron, der geblendet worden war, zu heilen.

Ihr habt einem unserer Erzfeinde das Augenlicht zurückgegeben?, brauste der Flammende auf und schob sich aus der weiten Felsnische, die sein Lager war. Die Unsterblichen sind die ersten Diener der Devanthar unter den Menschenkindern. Wie konntet Ihr ihn retten? Das ist Verrat!

»Ich habe ihn nicht gerettet, ich habe ihm seine Geheimnisse entrissen«, entgegnete Lyvianne, ohne vom sengenden Zorn des Flammenden eingeschüchtert zu sein. »Ich weiß nun, wo sich die zweite Hälfte von Nangogs Herzen befindet. Die Devanthar verbergen es in einem abgeschiedenen Tal in Aram, nur einen Tagesritt von der Kupfermine Um el-Amand entfernt. Es gibt dort immer einen Devanthar als Wache. Sie lösen einander in dieser Pflicht ab.«

Der Dunkle spürte, welch kopfloses Begehren diese Nachricht bei seinen Nestbrüdern auslöste. Sie wollten das halbe Herz an sich bringen und dachten in ihrer Gier nicht bis zum Ende.

Ruhig, sprach er nur in ihren Gedanken. Die beiden Albenkinder sollten seine Worte nicht hören. Es wäre nicht klug, jetzt noch einen Schlag gegen die Devanthar zu führen.

Wir würden sie entwaffnen, begehrte der Flammende auf.

Haben wir das Herz, können wir ihnen unsere Bedingungen für einen Frieden diktieren. So sprach der Goldene in ihrer aller Gedanken. Wir müssen es haben!

Wahrt eure Würde im Angesicht von zwei Albenkindern, mahnte der Frühlingsbringer. Zeigt ihnen nicht so deutlich euer Begehren!

Nachtatem war unzufrieden mit der Wendung, die das Gespräch nahm. Es war an der Zeit, es wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Was gewinnen wir, wenn wir die zweite Hälfte des Herzens holen?, begann er. Wollen wir Nangog wirklich ihre alte Stärke zurückgeben? Würde sie es uns danken? Wir gehörten zu denen, die sie hintergangen haben! Welchen Grund hätte sie, uns freundlich gesonnen zu sein. Wenn wir sie ganz erwecken, erschaffen wir eine dritte Kraft. Zwischen uns und den Devanthar gibt es ein Gleichgewicht. Das ist vorüber, wenn sie erwacht. Wer immer sie auf seine Seite zieht, kann den anderen vernichten. Und was ist der nächste Schritt? Eine Seite bleibt mit Nangog allein übrig. Wird sie der Versuchung widerstehen können, auch noch die Letzten ihrer Kerkermeister zu vernichten?