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Das Gesinde und die alten Kampfgefährten seines Vaters traten zur Seite, sodass er den Alten sehen konnte. Er stand unter der Tür des Langhauses, ein großer Mann mit einem mächtigen weißen Schnauzbart, der sein Gesicht in zwei Hälften teilte. Das Alter hatte ihm die Muskeln weggeschmolzen. Er war drahtig, seine faltige Haut wettergegerbt. Unnachgiebig wirkte er, als hätten die Jahre ihn härter und härter gemacht.

»Komm näher, Krieger!«, befahl er.

War es ein gutes Zeichen, dass sein Vater ihn noch nicht erkannt hatte? Volodi ging ihm entgegen, Quetzalli blieb an seiner Seite. Spürte sie seine Anspannung? Er hatte ihr nie von seinem Vater erzählt. Davon, wie sehr er ihn immer enttäuscht hatte.

»Volodi.« Er klang nicht überrascht. Seine Stimme war nicht zu deuten.

»Vater«, entgegnete er knapp. »Du hast dich gut gehalten.«

Iljas Wangen zuckten. Das war schon früher kein gutes Zeichen gewesen. Schon hatte er seinen Vater wieder verärgert, und wie meist hatte er nicht die geringste Ahnung, womit.

»Du hast es dir in der Fremde also gut gehen lassen.« Ilja maß die Rüstung mit verächtlichem Blick. »Was ist das für ein Tier mit Katzenaugen?«

»Ein Löwe.«

»Was ist das? Hast du vergessen, woher du kommst? Eine Katze als dein Zeichen zu führen …« Er spuckte ihm vor die Füße. »Was bist du? Ein Krieger zum Streicheln, dass du dich mit einer Katze vergleichst.«

Nichts hatte sich verändert, dachte Volodi bitter. »Der Löwe ist das Zeichen Arams. Der Devanthar dieses Reiches hat ein Löwenhaupt. Löwen sind stolze und mächtige Raubtiere.«

»Bist du ein Sohn Arams geworden? Hast du dich deshalb so lange nicht mehr blicken lassen? Hast du vergessen, dass wir dem alten Bären dienen? Er wird es nicht mögen, wenn du mit so einer Rüstung durch seine Wälder läufst. Hättest sie dalassen sollen, wo du hergekommen bist.« Er bedachte Quetzalli mit einem abfälligen Blick. »Und was macht die Schlampe hier? Hast du dir eine Ischkuzaia-Sklavin ins Bett geholt? Wundert mich nicht. Richtige Weiber lachen sicher über einen Katzenmann.«

»Böser, alter Mann!«, sagte Quetzalli aufgebracht und funkelte ihn so wild an, als wolle sie ihm das Herz aus der Brust reißen. Dann spuckte sie ihm vor die Füße.

Sein Vater war für einen Augenblick sprachlos. Volodi fing seine Hand mitten im Schlag. Er war überrascht, wie leicht es ihm fiel, die zur Faust geballte Rechte seines Vaters niederzudrücken. Früher war er ihm immer so unüberwindlich erschienen. »Quetzalli war eine der höchsten Priesterinnen in ihrem Volk. Sie hat in Zapote den Rang einer Prinzessin. Du wirst dich ihr gegenüber benehmen, für eine Nacht. Dann sind wir fort.«

»Kneifst du also wieder den Schwanz ein?«, knurrte sein Vater. »Das war ja schon immer deine Art.«

»Es ist unmissverständlich, wie sehr dich mein Besuch freut. Ich verstehe. Du hältst deinen Stuhl für Bozidar warm. Ich werde euch beiden nicht in die Quere kommen. Soll er über ein Dutzend Kühe und alte Männer herrschen.«

»Du weißt nichts über deinen Bruder?«

»Was müsste ich über ihn wissen? Dass er dein Liebling ist? Ich habe begriffen, dass sich in all den Jahren nichts geändert hat.«

Ilja trat zur Seite und gab ihm ein Zeichen, in die Halle einzutreten. »Du solltest deinen Bruder begrüßen.«

Einen Moment war Volodi versucht, sich seinem Vater zu verweigern. Sollte Bozidar doch zu ihm kommen! Überhaupt, warum ließ sich sein Bruder nicht blicken? Nur weil er mit Bozidar selten Streit gehabt hatte, gab er nach und trat ein. Seinem Bruder war es meist unangenehm gewesen, dass ihr Vater sie so unterschiedlich behandelt hatte.

In der großen, lichtlosen Halle hatte sich nichts verändert. Ihr Boden bestand aus gestampftem Lehm. In der Mitte war eine lange Feuergrube ausgehoben. Die hohe Decke war von Ruß geschwärzt. Der schwere Duft von frischem Sommerheu, das bei den Schlafplätzen liegen musste, hing in der Luft. Dort, wo die Dachschräge auf den Lehmboden traf, waren mit Balken und Wolldecken kleine Nischen abgetrennt, in denen das Gefolge seines Vaters schlief. Am Ende der Halle, dort, wo auf einem niedrigen Sims der hohe geschnitzte Lehnstuhl Iljas stand, waren die Schlafnischen der Familie.

»Rieche Tod hier«, sagte Quetzalli sehr leise.

Volodi roch nichts Ungewöhnliches. Neben dem Geruch nach Heu stank es nach Rauch, kaltem Fett und vergossenem Honigwein. So wie immer schon. Es war dunkel in der Halle. Das einzige Licht fiel durch die breite, zweiflügelige Eingangstür und den Rauchabzug unter dem Dachfirst. Alles war wie immer.

Ilja ließ sich stöhnend neben einer der Nischen nieder und zog den Vorhang zur Seite. Im Heu dahinter lag ein alter Mann. Seine Augen waren nach innen verdreht und zeigten nur noch das Weiße. Sabber troff ihm aus dem Mundwinkel über lange, schlohweiße Bartstoppeln. Er schien nur aus faltiger Haut und Knochen zu bestehen.

Volodi hatte den Mann nie zuvor gesehen. »Wer ist das?«

»Bozidar«, sagte Ilja mit brechender Stimme. »Das ist Bozidar.«

Volodi hatte immer schon Probleme mit den makaberen Scherzen seines Vaters gehabt. Doch das hier war das Abgeschmackteste, was sich der Alte je geleistet hatte. »Das reicht! Ich gehe!«

Quetzalli strich dem Greis über den Kopf. »Hat Dunkel berührt«, sagte sie betroffen. »Bleib, Wohl-Odi.«

Er verstand nicht mehr, was hier vor sich ging.

»Was soll das heißen, ›hat Dunkel berührt‹?«, fragte sein Vater sichtlich aufgewühlt.

Quetzalli rang mit den Worten. »Von weit gekommen … hat Leben gestohlen«, sagte sie schließlich.

»Verdammt, kann die Schlampe nicht vernünftig reden?«, fluchte Ilja. »Was soll das heißen? Ich verstehe nicht, was sie meint.«

Volodi betrachtete den Mann, der sein Bruder sein sollte und um mindestens ein Jahrzehnt älter aussah als sein Vater. »Du glaubst wirklich, dass das Bozidar ist?«

»Er ist es! Er ging in den Geisterhain, um sich von den Seelen der Erschlagenen loszusagen. Dort ist irgendetwas geschehen … Als er noch klarer bei Verstand war, hat er manchmal von einem wunderschönen Weib gesprochen, das er dort getroffen haben will. Es muss eine Hexe gewesen sein! Sie hat das aus ihm gemacht.« Er seufzte voller Schmerz und Verzweiflung. »Er hat dieselben Narben wie dein Bruder. So unglaublich es ist, es ist wahr.« Er blickte zu dem alten, hölzernen Thron. »Du musst bleiben, Junge. Nach mir gibt es niemanden außer dir, der über Drei Eichen herrschen wird.«

»Jetzt soll ich bleiben?« Er schüttelte den Kopf. »Bei dem Empfang.«

»Ich werde dich nicht anbetteln, bockiger Mistkerl. Du bist mein Sohn, mein Erbe. Tu verdammt noch mal, was deine Pflicht ist! Du hast immer alles versaut. Mach es dieses eine Mal richtig!«

Volodi traute seinen Ohren nicht. »Ich habe alles versaut? Ich konnte dir nie etwas recht machen. Warum glaubst du, dass es jetzt besser klappen sollte.«

»Du hast keine Wahl. Dein König hat dich und diese Schlampe von seinem Hof verjagt, nicht wahr.«

»Nenn Quetzalli noch einmal Schlampe, und du siehst mich in deinem ganzen Leben nicht mehr wieder. Sie ist mein Weib, und du wirst sie gefälligst mit Respekt behandeln.«

»Ihr beide könnt nirgendwohin. Warum sonst solltest du nach all den Jahren wiedergekommen sein? Doch wohl kaum, weil du mich vermisst hast. Erzähl mir also nichts. Du hast es auch bei deinem Katzenkönig verbockt. So wie immer.«

Volodi war kurz davor, auf seinen Vater einzudreschen. »Komm, Quetzalli. Dies ist nicht unser Zuhause. Ich habe mich geirrt. Gehen wir.«

Quetzalli legte ihm sanft die Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf.

»Na also«, triumphierte sein Vater. »Die Schl… dein Weib hat begriffen, dass es für euch keinen anderen Platz gibt. Weiber verstehen eben schneller, wo sie hingehören.«