Выбрать главу

»Genug gequatscht! Gehen wir runter«, entgegnete Galar großspurig.

Wieder fühlte sich Glamir daran erinnert, wie er gewesen war, als er noch all seine Gliedmaßen besessen hatte. »Gut. Ich werde dir unten ein Lichtzeichen geben, wenn wir die Stelle erreichen, an der du in einer Felsnische die kleine Metallwand findest. Du gehst rein, und ich sichere dir den Rücken. In der Nische ist es so eng, dass nur einer darin arbeiten kann.«

»Gut, machen wir so. Ich werde einen schönen Klumpen Metall mit hochbringen.«

Aber sicher doch, dachte Glamir. Wir haben in all den Monden gerade genug für eine Pfeilspitze zusammenkratzen können, und du kommst gleich mit einem ganzen Klumpen. Du wirst dich noch wundern, wenn du deinen Pickel an der verdammten Wand platt haust und du das Gefühl hast, die Luft in deinem Fass fängt an zu kochen.

»Schließt die Fässer«, rief er den wartenden Arbeitern zu.

Mit einem dumpfen Laut senkte sich der schwere, gewölbte Kupferdeckel. Glamir konnte hören, wie die Schrauben angezogen wurden. Wie immer war ihm, als würde der Deckel seines Sargs verschlossen. Wer in den Brunnen hinabstieg, der sollte mit sich und der Welt im Reinen sein. Zu viele waren von dort unten nicht lebend wiedergekehrt.

Er hörte, wie die schwere Kette am Deckel befestigt wurde und gab ein Handzeichen, dass er bereit war. Klirrend bewegten sich die Kettenglieder, dann wurde er emporgehoben. Der Kranarm, von dem er hing, schwenkte über die Öffnung inmitten der gewölbten Decke, die den Brunnen abschloss. Sie war weit genug, dass vier Zwerge in Fassanzügen nebeneinander hindurchgelassen werden konnten. Das dunkle Wasser im Brunnen stand hoch. Noch anderthalb Schritt, und es würde bis zur gewölbten Decke reichen. Dann müssten sie den Brunnen endgültig mit der schweren Kupfertür verschließen. Viele Gelegenheiten, um in die Tiefe zu steigen, gab es nicht mehr. Dann begannen die Wochen des Wartens, in denen sie alle im Turm eingeschlossen waren.

Der alte Zwerg spähte mit zusammengekniffenem Auge ins Wasser, suchte nach dem verräterischen Leuchten der Smaragdspinnen, konnte aber nichts entdecken. Sie würden kommen, er wusste es, aber noch hatten sie Zeit. Als Galar in seinem Fassanzug neben ihm in der Luft schwebte, gab er das Zeichen zum Hinablassen. Er sah Galar die Anspannung an. Die Scheibe in seinem Fass war schon beschlagen. Ein Zeichen dafür, wie sehr er schwitzte.

Ruckend senkten sie sich dem Wasser entgegen. Glamir legte die Hand auf die Blendlaterne mit dem Barinstein. Er wollte sie so spät wie möglich öffnen. Nicht nur die Spinnen waren durch ihr Licht von Weitem zu sehen, auch sie würde ihr Licht verraten.

Sein Bein tauchte ins Wasser. Intuitiv hielt er den Atem an. Es war verrückt, was sie hier taten. Es gab so viele Möglichkeiten, in diesen verdammten Fassanzügen zu Tode zu kommen. Die Einfassung der Scheibe konnte undicht werden, eine Daube unter dem Wasserdruck nachgeben, sodass sich ein Spalt öffnete – und dann gab es noch all die Kreaturen, die die Finsternis gebar. Als das Wasser über ihm zusammenschlug, tastete er nach dem Pickel in der Lederschlaufe am Fass. »Ich komme wieder hoch«, schwor er sich leise. »Alles wird gutgehen.«

Der alte Schmied begann leise zu zählen. In der Dunkelheit des Brunnens verstrich die Zeit langsamer. Augenblicke dehnten sich ins Unendliche. Er spürte einen leichten Druck auf den Ohren und biss in den blauen Griff neben seinem Kopf. Vorsichtig öffnete der das Abluftventil. Durch das kleine Seitenfenster sah er silberne Luftblasen im Wasser aufsteigen. Noch erhellte das Licht der Brunnenöffnung das Wasser. Er sah die Wände mit der weiten Treppe. Auf dem Mauerwerk entdecke er einzelne Schwarze Schnecken. Er sollte ein paar Männer runterschicken, um sie zu ernten, sobald er zurück war. Der kostbare schwarze Farbstoff, der aus den Schnecken gewonnen wurde, war ihre Tarnung, der offizielle Grund, warum dieser Turm existierte. Die Farbe war begehrt. Ihr Gewicht wurde in Gold aufgewogen. Sie verbleichte niemals. Alle wichtigen Dokumente, die nicht in Stein gemeißelt waren, wurden mit dieser Tinte niedergeschrieben. Und Kleidung, die man damit färbte, verlor nie mehr ihr tiefes Schwarz.

Die Fenster in seinem Fassanzug begannen zu beschlagen. Glamir fluchte. Als wäre die Sicht nicht schon schlecht genug. Er hatte jetzt fast die Grenze zur ewigen Dunkelheit erreicht. Die Wände des Brunnenschachts konnte er schon nicht mehr sehen. Seine Hand tastete nach der Blendlaterne außen am Fass. Noch nicht, ermahnte er sich. Noch nicht!

Er hatte das Zählen vergessen. Mist! Wie tief sie wohl schon waren? Das Zwielicht war zur Dunkelheit geworden. Die Eisenkette, an der er hing, war markiert. Sobald fünfzig Schritt erreicht waren, würden die Männer oben an den Kränen ihn nicht mehr tiefer sinken lassen. Aber es war besser mitzuzählen, um einen Anhaltspunkt zu haben, wie lang es noch dauern mochte.

Auch Galar hatte seine Blendlaterne noch nicht geöffnet. Er hat Disziplin, dachte Glamir. Nur wenige widerstanden bei ihrem ersten Tauchgang der Versuchung, zumindest einen kurzen Blick auf die Brunnenwand zu werfen. Nur um zu wissen, dass sie noch da war und sie nicht von endloser Schwärze umfangen waren, so als sei man von einem der Goldenen Pfade ins Nichts gestürzt, in die grenzenlose Dunkelheit zwischen den Welten.

Er dachte wieder an Amalaswintha und daran, dass es ein Fehler wäre, mit ihr zu Abend zu essen, aber einen Fehler durfte er sich erlauben. An jedem anderen Ort würde sie ihn mit Missachtung strafen, aber hier war er der Herr. Der Herrscher über den Turm. War es unmoralisch, diese Gelegenheit zu nutzen? Schließlich zwang er sie zu nichts. Er würde geschehen lassen, was immer kam. Glamir schloss die Augen und gab sich ganz seinen Phantasien hin. Es war lange her, seit er bei einem Weib gelegen hatte.

Ein plötzlicher Ruck riss ihn aus seinen Tagträumen. Sie mussten die Tiefe von fünfzig Schritt erreicht haben. Glamir tastete nach seiner Laterne und zog die Blende zurück. Warmes, gelbes Licht schnitt in die Dunkelheit. Es war nicht sehr grell, genügte aber, um einige Schritt weit zu sehen. Sie hatten die Bohrung durch den Felsvorsprung, auf dem sein Turm errichtet war, hinter sich gelassen. Vor ihnen war undeutlich die Wand der unterseeischen Klippe zu erkennen, auf der Nester aus fleischigen Fäden wucherten. Über ihnen war der untere Rand des Brunnenschachts.

Galar zog bereits an seinem Seil. Augenblicke später schwenkte er sanft auf die Wand zu. Auch Glamir gab Befehl, ihn zur Felswand zu schwenken. Deutlich zeichnete sich die Höhlung in der Klippe nun im Licht der Blendlaterne ab. Galar war bereits am Fels angelangt. Sie hingen ein wenig zu tief. Er benutzte den Pickel, um sich den Steilhang hinaufzuarbeiten, und verschwand dann in der Höhle. Sie reichte nicht tief ins Gestein. Vielleicht drei, höchstens vier Schritt.

Glamir sah eine weiße Krabbe auf langen Beinen davonstelzen und aus dem Lichtkegel der Blendlaterne flüchten. Der Schmied seufzte. Was zu tun war, gefiel ihm nicht, aber Galar war eine Gefahr für den Turm. Wer er war, hatte bereits die Runde gemacht. Die Männer kannten ihn gar nicht, aber sie empfanden Respekt vor dem, was er und die anderen zwei Fremden getan hatten. Sie waren die Drachentöter! Sie hatten wahr gemacht, wovon fast alle Zwerge träumten. Sie hatten einen der großen Tyrannen vom Himmel geholt! Wie dumm die drei dabei vorgegangen waren, sahen sie nicht. Sie hatten durch ihre Taten ihre Heimatstadt vernichtet.

Glamir wandte sich dem Abgrund zu, dem endlosen Dunkel, in das die Klippe hinabreichte. Sein Lampenschein schnitt nur eine kurze Bahn in die Finsternis, aber er würde sehr weit zu sehen sein. Er wartete.

Hinter sich hörte er dumpf das Klirren von Galars Pickel. Der Schmied mühte sich an der Eisenwand ab. Sollte er sich nur müde arbeiten. Das Ende würde leichter sein, wenn er keinen Widerstand mehr leisten konnte. Tief im Dunkel erschien ein blassgrünes, phosphoreszierendes Licht. Sie kamen.