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Galar biss in den roten Hebel, mit dem der Verschluss für den Schlauch oben im Fass bewegt werden konnte. Er drehte den Kopf und hörte über sich etwas klacken. Das Wasser spritzte ihm immer noch ins Gesicht. Da fuhr ein sengender Schmerz durch seinen Oberschenkel. Er dachte an das abgetrennte Bein Glamirs und sah an sich hinab, aber das gewölbte Fass versperrte seine Sicht. Eine Wolke aus Blut wogte in den Lichtkegel der Blendlaterne. Das war das Ende, dachte er bitter. In einem Brunnen am Arsch der Welt verrecken, nachdem sein Brunnen in der Tiefen Stadt ihm beim Drachenangriff das Leben gerettet hatte! Das Schicksal machte üble Scherze.

Die Smaragdspinne zog sich ein Stück zurück. Sie wusste, dass der Kampf vorüber war, und er nicht mehr fliehen konnte. Weitere Spinnen umringten seine Mörderin. Sie hoben aufgeregt ihre vorderen Beinpaare und winkten damit. Es sah ganz so aus, als würden sie erhitzt über etwas streiten. Vermutlich darüber, wie die Beute aufzuteilen war. »Meine Füße kann ich nur empfehlen«, murmelte Galar matt. »Der Geruch tötet sogar Fliegen. Aber damit habt ihr hier unten wohl keine Probleme.«

Er sah der Blutfahne zu, die wirbelnd durch den Lichtkegel trieb. In Gedanken zog sein Leben an ihm vorbei. All die verpassten Gelegenheiten, bei denen ihm sein Stolz und sein Dickkopf im Weg gestanden hatten, und die wenigen glorreichen Momente. Der Tod der beiden Drachen gehörte dazu und der Tag, an dem er seinen Tunnel voller Fallen in der Tiefen Stadt vollendet hatte.

Sein Blick wanderte zurück zu den Seespinnen. Warum führten die so lange ihren seltsamen Tanz auf? So viel Beute gab es hier doch nicht aufzuteilen. Das Wasser reichte ihm nun bis zum Kinn, aber der dicke Strahl, der ihm eben noch ins Gesicht gespritzt war, war zu einem schmalen Rinnsal verebbt. Ertrinken würde er wohl nicht, dachte er erleichtert. Besser, von Seeungeheuern zerlegt werden, das war ein angemessener Tod.

Galar hob das gekappte Messer, wenn er damit auch nicht zu mehr als etwas symbolischem Widerstand in der Lage wäre. Etwas Funkelndes im Geröll neben ihm erweckte seine Aufmerksamkeit. Erst hielt er es für die abgetrennte Messerspitze, aber die Form passte nicht. Es war zu schmal. Er tastete mit dem klobigen Handschuh danach, bekam es aber nicht zu fassen. Vielleicht lag es daran, dass ihm die Kälte schon zu tief in die Glieder gefahren war. Seine Zähne klapperten. Das Wasser im Fassanzug war wirklich eisig.

Er zog den Magnetstein aus seiner Fassschlaufe und führte ihn in Richtung des Metallsplitters. Er wurde angezogen und klebte an dem grauen Stein fest. Im selben Augenblick kroch die Spinne in die Felsnische zurück. Ihre Zangenarme griffen nach seinen Stiefeln. Er wurde von der Metallwand weggezogen und lag bald inmitten eines Waldes aus Spinnenbeinen. Das Wasser im Anzug spülte über ihn hinweg. Er versuchte, sich wieder aufzusetzen, damit sein Kopf in der kleinen Luftblase im oberen Fünftel des Fasses blieb. Zweimal rissen sie ihn wieder zu Boden, doch dann ließen die Spinnen ihn sitzen. Die Räuber krochen übereinander, stießen ihn mit ihren Vorderbeinen und zwackten ihn mit ihren Scheren. Aber keine verletzte ihn ernsthaft. Es machte eher den Eindruck, als untersuchten sie ihn neugierig.

Als er an den Rand der Nische gezogen wurde, konnte er in die Tiefe blicken. Der ganze Hang war voller Spinnen, es mussten weit über hundert sein. Und einige von ihnen waren noch deutlich größer als das Vieh, das ihn als Erstes angegriffen hatte.

Galar zitterte inzwischen unkontrolliert. Mit dem Blut rann auch die restliche Wärme aus seinem Körper. Er biss die Zähne zusammen und konnte doch nicht verhindern, dass sie rasend klapperten. Es ging zu Ende mit ihm. Ihm war schwindelig. Er schob den Magnetstein in die Halterung am Fass und stützte sich dann mit beiden Händen auf dem Boden auf, um nicht zur Seite zu kippen. Auch wenn er tief einatmete, hatte er das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Er war allerdings zu müde, um darüber in Panik zu geraten. Warum rissen sie ihn nicht einfach in Stücke, dann wäre es vorüber?

Eine der großen Spinnen hob ihn auf. In ihren Scheren war sein Fass nicht mehr als eine Walnuss in einer Zange. Ein leichter Druck und das dicke Eichenholz würde zersplittern, dann wäre es endlich vorüber. Galar atmete jetzt hechelnd, so als sei er eine weite Strecke gelaufen. Seine Sinne begannen sich zu trüben. Er hatte das Gefühl, inmitten einer Flut aus glosendem, grünem Licht aufwärtszutreiben.

Plötzlich wurde die Luft im Fass besser. Er lag auf dem Boden. Gluckernd floss das Wasser durch das zerstörte Abluftventil. Eine der Fassdauben war zerbrochen, sodass frische Luft eindringen konnte. Gierig, wie ein Verdurstender Wasser trinkt, schnappte er nach Luft. Er war zu schwach, um sich aufzusetzen. Seine Zähne klapperten noch immer. Er hörte Stimmen, sah einen Graubart hinter der Glasscheibe im Fass. Jemand machte sich an seinem verletzten Bein zu schaffen. Dann knirschten die Schrauben, die den Kupferdeckel festhielten, in ihren Gewinden. Kaum dass der Deckel abgenommen wurde, packten ihn kräftige Hände und zogen ihn aus dem Fass.

»Er ist völlig ausgekühlt. Wir müssen ihn ausziehen und in warmes Wasser legen«, sagte jemand hinter ihm.

»Besser wäre es, ihn mit einem netten Weib in ein warmes Bett zu packen. Nichts weckt die Lebenskräfte so schnell wie ein hübsches, anschmiegsames Mädchen.«

»Idiot!«, schimpfte die erste Stimme.

Galar war glücklich, wieder frei atmen zu können. Überdeutlich nahm er all die Gerüche um sich herum wahr. Die Kleider der Zwerge, die nach altem Schweiß stanken, den Fischgeruch, das Öl auf den Eisenketten, Rauch.

Glamirs Gesicht erschien über ihm. Sein Mienenspiel verriet nicht, ob er enttäuscht war, ihn wiederzusehen. »Du bist erstaunlich zäh«, sagte er anerkennend.

»Und du bist ein erstaunliches Arschloch.«

Alle Gespräche verstummten.

»Er ist noch nicht ganz bei sich«, wiegelte Glamir lächelnd ab, aber in seinem Blick spiegelte sich blanker Hass. »Wir hätten gerne gewusst, was du mit den Spinnen gemacht hast. Üblicherweise fressen sie Zwerge, aber dich haben sie auf ihren Rücken hier heraufgetragen … als seist du ihr König. Was ist an dir besonders? Bist du selbst für Spinnen unverträglich?«

Galar hatte keine Ahnung, warum die Spinnen ihn verschont hatten, aber das würde er ums Verrecken nicht zugeben. »Stimmt, bin ihr König«, murmelte er schwach. »Am Magnet ist mein Krönungsgeschenk.«

Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Stein aus der Lederschlaufe gezogen wurde. Sofort bildete sich eine Traube von Gaffern.

»Das ist mehr, als wir alle zusammen bisher heraufgeholt haben!«, rief jemand, völlig außer sich. Galar spürte, dass sie ihn dafür nicht liebten.

»Ich kann das wieder tun«, behauptete er frech.

Matt winkte er Glamir, sich über ihn zu beugen. »Du wirst mich in alle Geheimnisse des Turmes einweihen«, murmelte er mit letzter Kraft. »Dann verrate ich deinen Männern nicht, dass du ein Mörder bist.«

»Du verrätst gar nichts«, flüsterte Glamir ihm ins Ohr. »Du wirst dich leider von deinen schweren Wunden nicht erholen. Jeder hier hat gesehen, dass du mehr tot als lebendig bist. Wir werden dich als einen Helden in Erinnerung behalten.«

Galar sah in den Augen des alten Zwergen, dass es ihm ernst mit seiner Drohung war. »Ich kann dir helfen, an mehr Metallsplitter zu gelangen. Du musst nicht mehr Jahre warten, bis du …« Galar war am Ende seiner Kräfte. Er wollte Glamir noch sagen, dass er keine Männer mehr verlieren müsste. Galar war überzeugt, dass die Spinnen ihm nichts tun würden. Doch der Schmied brachte kein Wort mehr über die Lippen. Seine Zähne fingen wieder an zu klappern. Er konnte sich nicht beherrschen, sein ganzer Körper zitterte.

»Er wird sterben!«, rief jemand.

Die Gesichter der Zwerge verschwammen vor Galars Augen.

»Ich bleibe bei ihm.« Die Stimme war unverkennbar. »Schafft ihn hier raus. Ich werde mich um ihn kümmern.«