Er ließ die Faust niedersausen. Das Bett knarrte unter dem wütenden Hieb. Sie hatte recht. Und doch … Nein, er durfte sie nicht schlagen. Er wollte mehr als nur ihr Gold. Er wollte ihren Einfluss auf die Mächtigen.
Sie musterte ihn kalt. »Ich weiß, was du denkst, Drusnier. Du willst mein Ohr an den Lippen der Mächtigen. Du weißt, dass Männer nach dem Liebesspiel über alles reden. Sie wollen angeben. Ihr Blut steckt in ihrem Schatz zwischen ihren Schenkeln. Ihr Hirn ist leer. Sie auszuhorchen ist eine Kleinigkeit. Oft fangen sie von ganz allein zu reden an. Hast du ganz zu Ende gedacht, was das bedeutet? Lass mich los, Drusnier!«
Kolja griff noch fester in ihr Haar. »Ich kann dir Schmerzen bereiten, die keine Spuren an deinem Körper hinterlassen.« Er sprach sehr leise, doch seine Stimme war blankes Eis. »Reize mich noch weiter, und du wirst lernen, was es heißt, meinen Zorn zu wecken.« Er konnte sehen, wie die Haut auf ihrer Stirn sich straffte, so fest zog er nun. Sie stöhnte nicht, sah ihn nur hasserfüllt an.
»Weißt du, was das Schöne daran ist, vom Laris von Truria geliebt zu werden?« Ihre Stimme klang gepresst vor Schmerz, und er lockerte seinen Griff ein wenig.
»Er steckt mit großer Begeisterung die Köpfe von Drusniern auf Pfähle. Er hat mir erzählt, wie er euch in mehr als zwanzig Schlachten besiegt hat. Was glaubst du, was er tun wird, wenn er erfährt, dass du mir Leid zugefügt hast? Er hat fünfhundert Krieger mitgebracht, als er Statthalter in Nangog wurde. Alles Männer, die viel Erfahrung darin haben, Drusnier auszuweiden. Krümme mir ein einziges Haar, und Arcumenna schneidet dir deinen kleinen Schwanz ab und stopft ihn dir in den Rachen, Kolja. Und du hast noch Glück gehabt, wenn er als Erster kommt. Auch Subai, Sohn des Unsterblichen Madyas und Statthalter der Ischkuzaia, schätzt es, von mir unterhalten zu werden. Man sagt, die Steppenreiter seien sehr erfinderisch darin, ihre Feinde umzubringen, und ein Tod könne länger als einen Tag dauern.«
Kolja stieß sie von sich. »Du drohst mir, Hure? Hältst du das wirklich für klug? Sieh mich an!« Er zupfte seine Tunika zurecht, denn sie blickte ihm provozierend zwischen die Schenkel. »Mein Geschäft ist es, den Tod zu bringen. Du hingegen verkaufst Liebesfreuden. Was glaubst du, wie oft mir schon jemand mit mächtigen Freunden gedroht hat? Die meisten, die es versucht haben, leben nicht mehr. Und selbst von denen, die ihre Frechheiten nicht mit dem Tod bezahlten, weiß ich mit Sicherheit zu sagen, dass sie bereut haben, mich herausgefordert zu haben.« Er hob seine speckige Lederprothese und ließ sie in die offene Rechte klatschen. »Ein Schlag von mir, und du wirst in Zukunft deine Kunden für ein Kupferstück oder einen Kanten trockenen Brotes in Gassen bedienen, die so dunkel sind, dass man dein Gesicht nicht sehen muss, wenn man dich nimmt.«
»Du würdest dein Gold in die Gosse werfen?«
»Willst du es wirklich herausfinden?« Kolja stand auf und trat vor sie. Zarah kniete noch immer. Sie sah ihn unterwürfig an. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass sie erneut mit ihm spielte. Ihre Tonlage passte nicht zu ihrer Demutshaltung. Sie war sich ihrer Sache völlig sicher.
»Ich sage dir jetzt, was ich von dir erwarte, und dann gibst du mir eine klare Antwort, ob du das tun wirst oder nicht.«
Sie sah ihn aufreizend an. Verdammt, sie hatte etwas, das sich nicht in Worte fassen ließ. Eigentlich mochte er eher Frauen mit einem rundlichen Gesicht und etwas üppigerem Körper. Ihr Mund war zu groß. Ihre Nase ein wenig zu ausgeprägt. Ein großes Muttermal verunzierte ihre Wange knapp unter dem rechten Auge. Sie hatte eine hohe Stirn, was bei Frauen nie ein gutes Zeichen war. Und doch, all diese Mängel, vereint mit ihrem kecken Blick und ihrer Selbstsicherheit, hatten etwas Unwiderstehliches. Er war noch nie einer Frau wie Zarah begegnet. Sie würde sich nicht einfach fügen, das ahnte er schon jetzt. Als sie nicht antwortete, sprach er weiter.
»Ich möchte, dass du mir über alles, was die Mächtigen in deinem Bett reden, Bericht erstattest. Du wirst sie für mich aushorchen. Dafür werde ich dich beschützen. Ich werde dir einen Palast schenken, der doppelt so groß wie dieses Haus ist. Es wird dir an nichts fehlen. Du wirst wie eine Fürstin leben.«
Sie schüttelte den Kopf und sah ihn auf eine Art an, dass er sich wie ein Narr fühlte. »Du verstehst mein Geschäft nicht. Ich verkaufe mehr als nur meinen Körper. Jeder meiner Kunden verlässt sich auf meine Verschwiegenheit. Wenn ich täte, worum du mich bittest, würde bald niemand mehr kommen.«
Kolja seufzte. Mit so einer Antwort hatte er gerechnet. »Eurylochos!«, rief er zur Tür hinaus und bemerkte zufrieden, dass Zarah zum ersten Mal verunsichert wirkte.
Der Steuermann erschien in der Tür, und Kolja zog den langen Dolch, den er am Gürtel trug. »Sie ist widerspenstig, Eurylochos, ganz wie ich befürchtet hatte.« Mit diesen Worten überreichte er dem Krieger die Klinge. »Du wirst nun leider tun müssen, was wir gestern besprochen hatten. Ein Weib, das sich unserem Willen nicht fügt, ist in unserem Geschäft nicht zu gebrauchen.«
Joram
Eurylochos hatte sie mit dem Dolch in der Hand verlassen. Inzwischen war er mehr als eine halbe Stunde fort. Kolja sah aus dem Fenster im Schlafgemach der Seidenen und beobachtete, wie die Dämmerung ihre langen Schattenfinger nach der Stadt ausstreckte. Noch strahlten die vergoldeten Dächer im letzten Glanz des Abendrots. In den Gassen hingegen regierte bereits die Dunkelheit.
Zarah hatte sich anfangs gut gehalten. Zwar war sie erschrocken zurückgewichen, als Kolja seinen Dolch gezogen hatte, doch als er Eurylochos fortschickte, hatte sie die Größe besessen, keine Fragen zu stellen. Selbst jetzt beließ sie es dabei, ihre Blicke sprechen zu lassen. Sie ging unruhig im Zimmer auf und ab. Es amüsierte Kolja zu sehen, wie ihre erzwungene Ruhe bröckelte. Sie ganz sich und ihren Fantasien auszuliefern war wirkungsvoller als irgendwelche Drohungen.
Kolja hatte Respekt vor ihr. Ihm fiel keine zweite Frau ein, die diese Stille schweigend ertragen hätte. Vielleicht war das eines der Geheimnisse der Seidenen? Vielleicht war sie eine der wenigen Frauen, die zu schweigen vermochten, statt Männern mit ihren wirren Gedanken die Ohren vollzutönen. Das ließe ihren Bettgefährten mehr Gelegenheit, ihrer Zunge freien Lauf zu lassen.
Kolja beobachtete, wie Zarah ihre Fingernägel in ihre Handflächen grub. Nicht mehr lange und sie würde das Ringen mit ihrer Zunge verlieren. Noch waren ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
Draußen auf der hölzernen Stiege erklangen schwere Schritte. Eurylochos kam ein wenig zu früh, dachte Kolja enttäuscht. Der Steuermann hielt ein blutbeflecktes Tuch, in das etwas eingeschlagen war. Kolja nickte in Richtung des kleinen Tisches, auf dem eine Schale mit Trauben stand. Zufrieden sah der Drusnier, dass das Tuch aus Seide war, so wie er es befohlen hatte.
Eurylochos verschwand wortlos. War er die richtige Wahl für diese Aufgabe gewesen? Erst jetzt kam Kolja dieser Gedanke. Ihn dies tun zu lassen war nicht sonderlich einfühlsam gewesen.
Die Schattenfinger der Nacht krochen nun auch in das Schlafgemach der Seidenen. Das Licht auf den Dächern der Stadt war verblasst. Die Hure hatte ihre endlosen Wanderungen in der Kammer beendet. Wie angewurzelt stand sie nun vor dem weißen Seidentuch.
Kolja klatschte in die Hände. »Bringt Licht!«, rief er zum Hof hinab.
Nur Augenblicke später erschienen Dienerinnen mit Öllämpchen. Mit gesenktem Blick huschten sie durchs Zimmer und stellten die Lampen in Wandnischen. Den Tisch mit dem blutigen Seidenfetzen mieden sie. So schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden sie auch wieder. Kein Laut drang vom Hof zu ihnen hinauf. Das Haus der Seidenen lag still, als lausche es darauf, was in diesem Zimmer geschehen würde.
»Nun, bist du gar nicht neugierig, was für ein Geschenk ich dir bringen ließ? Ich könnte ein zweites, größeres holen lassen, falls dir dieses nicht zusagt.«